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Ein Retter sucht in Marokko in Trümmern nach Überlebenden.

© AFP/Fadel Senna

Update

Fast 2900 Tote nach Erdbeben: Retter haben kaum noch Hoffnung auf Überlebende in Marokko

Rund drei Tage nach dem Erdbeben in Marokko schwindet die Hoffnung, dass noch Menschen lebend geborgen werden. Noch immer werden Hunderte vermisst.

| Update:

72 Stunden nach schwersten Erdbeben in der Geschichte Marokkos mit mindestens 2900 Toten schwindet die Hoffnung, noch Überlebende in den Trümmern zu finden: Unterstützt von internationalen Rettungsteams setzten Einsatzkräfte und Freiwillige dennoch auch am Dienstag ihre fieberhafte Suche in dem schwer zugänglichen Gebiet fort.

Immer noch werden Hunderte Menschen vermisst, einige Dörfer wurden komplett verschüttet, andere sind weiterhin nicht zugänglich. Zudem konzentrierten sich die Bemühungen der Helfer demnach auf die Bereitstellung von Notunterkünften für hunderte Familien, die durch das Beben ihre Häuser verloren haben.

Um die Überlebenden in den Bergdörfern nahe des Epizentrums mit Lebensmitteln zu versorgen, flogen Hubschrauber hin und her. „Die große Schwierigkeit liegt in den abgelegenen und schwer zugänglichen Gebieten wie hier, aber die Verletzten werden per Hubschrauber eingeflogen“, sagte die Leiterin des eingesetzten spanischen Rettungsteams, Annika Coll.

Jetzt darf es nicht um falsch verstandenen Nationalstolz gehen, sondern allein um die schnellst- und bestmögliche Hilfe für die Opfer.

Carl-Julius Cronenberg, FDP

Obwohl die Hilfe weiterhin nur langsam vorankommt, hat Marokko bei der Bundesregierung bislang noch kein Rettungsgesuch gestellt. Nur dann können internationale Helfer tätig werden.

In Berlin stieß Marokkos Verhalten auf Kritik. „Dass Rabat bislang auf deutsche Hilfe verzichtet, ist unverständlich“, sagte Carl-Julius Cronenberg (FDP), Vorsitzender der Parlamentarier-Gruppe Maghreb des Bundestages, dem Tagesspiegel.

„Im Namen der betroffenen Familien appelliere ich an die marokkanische Regierung: Jetzt darf es nicht um falsch verstandenen Nationalstolz gehen, sondern allein um die schnellst- und bestmögliche Hilfe für die Opfer“, so der FDP-Politiker.

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THW schickte Rettungskräfte wieder nach Hause

Das Technische Hilfswerk (THW) schickte seine für einen Rettungseinsatz in Marokko nahe dem Flughafen Köln/Bonn versammelten Helfer vorerst wieder nach Hause. Da bisher kein internationales Hilfeersuchen von Marokko eingegangen sei, würden die THW-Kräfte an ihre Standorte zurückkehren, teilte das THW auf Tagesspiegel-Anfrage am Sonntag mit.

Zwischenzeitlich habe sich das Zeitfenster, in dem die Wahrscheinlichkeit groß sei, Menschen lebend unter Trümmern zu retten, fast geschlossen, hieß es von der Zivil- und Katastrophenschutzorganisation des Bundes. Seit Samstag hatten Einsatzkräfte für einen möglichen Rettungseinsatz bereitgestanden. Das Team bleibt nach THW-Angaben einsatzbereit.

Lagebesprechung: Einsatzkräfte des THW Köln bereiteten sich bereits am Samstag für einen möglichen Einsatz in Marokko vor.

© picture alliance/dpa

„Die mehr als 50 Helferinnen und Helfer der Schnell-Einsatz-Einheit Bergung Ausland (SEEBA) des THW waren innerhalb kurzer Zeit bereit, um mit ihrer technischen Expertise humanitäre Hilfe in Marokko zu leisten“, erklärte THW-Präsidentin Sabine Lackner.

„Nun prüft das THW, ob und wie dem Land mit der Lieferung von Hilfsgütern geholfen werden kann.“ Auch für eine mögliche Unterstützung bei der Trinkwasserversorgung vor Ort seien THW-Einsatzkräfte vorbereitet.

Das Hilfswerk habe zudem Fachberater an die deutsche Botschaft in Marokko entsandt, um genau zu prüfen, wo Deutschland am besten helfen könnte. „Insofern können wir weiterhelfen, wenn das gewünscht wird“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.

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Vor dem THW hatten bereits die Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany und der Bundesverband Rettungshunde mitgeteilt, dass sie nicht mehr mit einem Rettungseinsatz ihrer bereitstehenden Helfer in Marokko rechnen.

Bundesregierung bekräftigt Hilfsangebot für Marokko

Regierungssprecher Steffen Hebestreit bestätigte, dass die Bundesregierung ihr Hilfsangebot für Marokko weiterhin aufrechterhalten wolle. Zu den Gründen für das Zögern der marokkanischen Regierung wollte sich Hebestreit nicht weiter äußern: „Darüber lohnt es sich von unserer Seite aus nicht zu spekulieren“, sagte er.

Weiterhin bekräftigte er: „Wir stehen zu diesen Hilfsangeboten.“ Sollte Marokko das Angebot annehmen, „dann werden wir auch liefern“, sagte Hebestreit.

Nach dem Erdbeben in Marokko flohen Bewohner in der Nähe des Epizentrums im Dorf Moulay Brahim aus ihren Häusern.

© picture alliance/dpa/AP

Auch ein Sprecher des Auswärtigen Amts bestätigte: Die marokkanische Regierung habe sich für das Angebot bedankt, es aber bislang nicht angenommen. Man stehe mit den örtlichen Behörden über die Lage in Marokko in engem Austausch.

„Politische Gründe kann man hier ausschließen“, hieß es weiter. Möglicherweise gebe es dafür organisatorische oder logistische Gründe auf marokkanischer Seite, sagte der Außenamtssprecher. „Ich bin sicher, dass man sich sehr genau Gedanken gemacht hat, welche Einsatzkräfte man wo einsetzen kann.“ Der Stand der diplomatischen Beziehungen zu Marokko sei „gut“.

Marokko: Rettungskräfte aus Spanien und Großbritannien zugelassen

Nach Katastrophen wie dem Erdbeben am Sonnabend mobilisieren Regierungen zunächst eigene Kräfte, um später dann doch international um Unterstützung zu bitten.

Nach dem verheerenden Erdbeben hatte Marokko zunächst nur Such- und Rettungsteams aus Spanien, Großbritannien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten ins Land gelassen.

Viele andere Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und die USA, hatten Marokko bislang vergeblich ihre Hilfe angeboten.

Frankreich steht hinter Marokkos Entscheidung

Die französische Außenministerin Catherine Colonna hat Spekulationen über diplomatische Spannungen mit Blick auf die Erdbebenhilfe zurückgewiesen. „Marokko hat keine Hilfsangebote ausgeschlagen“, sagte Colonna am Montag dem Sender BFM.

Lassen wir die Spannungen mal beiseite. Menschen leiden und brauchen Hilfe.

Catherine Colonna, Außenministerium Frankreich

„Das Land kann nur allein bestimmen, welche Hilfe und in welchem Zeitraum es sie braucht“, fügte sie hinzu. Frankreich vertraue Marokko, „die Hilfe so zu organisieren, wie es am besten ist“.

Nach Informationen der Zeitung „Le Monde“ befand sich der marokkanische König Mohammed VI. zum Zeitpunkt des Erdbebens in Frankreich. Er besitze in Paris eine Luxusvilla am Fuß des Eiffelturms. „Wir stehen der marokkanischen Regierung weiter zur Verfügung“, sagte Colonna und kündigte eine Finanzhilfe in Höhe von fünf Millionen Euro an.

Frankreich und Marokko stünden auf allen Ebenen in Kontakt. „Lassen wir die Spannungen mal beiseite. Menschen leiden und brauchen Hilfe“, sagte Colonna. Die Beziehungen zwischen Frankreich und Marokko waren zuletzt angespannt, seit Frankreich engeren Kontakt zu Algerien sucht. Marokko hat seit Monaten keinen Botschafter mehr in Paris.

In Marokko trauern Hinterbliebene um die Opfer der Erdbebenkatastrophe.

© picture alliance/dpa/Europa Press/AP

In Frankreich leben sehr viele Menschen mit marokkanischen Wurzeln. Sämtliche französische Telefonanbieter bieten derzeit kostenlose Anrufe und SMS-Nachrichten nach Marokko an.

Marokko will weitere Hilfe annehmen, „wenn sich Bedarf ändern sollte“

Das marokkanische Innenministerium hatte sich am Sonntag bei allen Ländern bedankt, die ihre Hilfe angeboten hatten, dabei aber betont, dass es zunächst den „Bedarf vor Ort“ bewerten und eine „gute Koordination“ sicherstellen wolle. Marokko werde auf weitere Hilfsangebote zurückkommen, „wenn sich der Bedarf ändern sollte“, fügte das Innenministerium hinzu.

Die Welt steht bereit, um zu helfen.

Peter Ruhenstroth-Bauer, Nationaler Direktor der UNO-Flüchtlingshilfe

„Die Welt steht bereit, um zu helfen“, sagte Peter Ruhenstroth-Bauer, Nationaler Direktor der UNO-Flüchtlingshilfe, dem Tagesspiegel: „Die schrecklichen Bilder haben uns sehr betroffen gemacht und wir sind zutiefst traurig über die verheerenden Folgen des Erdbebens in Marokko.“

Nach Erdbeben in Marokko: Wie ist die aktuelle Lage?

Das schwere Erdbeben hatte das nordafrikanische Land in der Nacht zum Samstag erschüttert. Das Epizentrum lag rund 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch in der Provinz Al-Haouz. Luftaufnahmen zeigten dem Erdboden gleichgemachte Dörfer in den umliegenden Bergen.

Am Sonntag gab es keine Kenntnisse über mögliche deutsche Opfer des Bebens.

Nach Angaben der Regierung wurden bis Montagabend mindestens 2862 Tote gezählt, mindestens 2562 weitere Menschen wurden verletzt. Die Behörden hätten mittlerweile Feldlazarette in der Nähe des Epizentrums eingerichtet, um dort Verletzte zu versorgen, sagte Justizminister Abdel Latif Wehbe dem arabischen Fernsehsender Al-Arabiya am Montag. Derzeit könne man die genaue Anzahl der Toten und Schäden nicht klären.

Das tatsächliche Ausmaß dieser Katastrophe und die dringendsten Bedarfe der Menschen werde sich „in den nächsten Stunden und Tagen herausstellen“, sagte Ruhenstroth-Bauer.

Die Suche nach Überlebenden des Erdbebens gestaltet sich weiter schwierig. Mehr als die Hälfte der Opfer sind der Regierung zufolge in den Provinzen Al-Haouz und Taroudant im Süden des Landes registriert worden, zwei ländliche Regionen im Atlasgebirge, wie der französische Sender RFI am Sonntag berichtete.

Marokkanische Rettungskräfte vor Ort suchen in der Stadt Ouirgane nach dem schweren Erdbeben nach Überlebenden.

© picture alliance/dpa

Das stärkste Erdbeben seit einem Jahrhundert

Am Sonntag bebte die Erde in der Region erneut, diesmal in der Stärke 4,5, wie der Direktor des Geophysischen Instituts, Nasr Jabour, dem TV-Sender 2M sagte.

Jabour beziffert die Stärke des ersten Erdbebens von Freitagnacht mit 7, andere sprachen von 6,8. Dem Experten zufolge war es das stärkste Beben seit einem Jahrhundert. Die Erschütterungen seien in einem Umkreis von rund 400 Kilometern zu spüren gewesen sein.

Noch immer sind Dörfer im Atlasgebirge nahe des Epizentrums von der Außenwelt abgeschnitten. Fotos und Luftaufnahmen zeigen vollkommen zerstörte Siedlungen. Die einfach gebauten Lehmhäuser wurden vom Beben dem Erdboden gleichgemacht. Die besonders betroffenen Regionen im Atlasgebirge gehören zu den ärmsten des Landes.

Inzwischen setzte die Armee auch Hubschrauber ein, um in die entlegenen Gegenden vorzudringen. Die marokkanische Filiale des Kurier- und Logistikunternehmens Aramex stellte ihre Fahrzeugflotte für Hilfstransporte zur Verfügung. (mit AFP, dpa, epd)

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