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Der scheidende US-Präsident Donald Trump am 6. Januar 2020, kurz vor dem Sturm aufs Kapitol durch seine Anhänger.

© Imago/Zuma Wire/Carol Guzy

Die USA erheben Anklage gegen Trump: Ein gefährlicher, aber alternativloser Schritt

Das neue Verfahren gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump stellt alle bisherigen in den Schatten. Und es wird zur Bewährungsprobe für die amerikanische Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit.

Ein Kommentar von Anja Wehler-Schöck

Die Geschichte der USA ist reich an politischen Skandalen. Doch der Versuch eines aus dem Amt gewählten Präsidenten, seinen Verbleib an der Macht zu erzwingen, ist präzedenzlos. Und so stellt die neue Anklage gegen Trump auch alle bisherigen Verfahren gegen ihn in den Schatten, lässt sie gar trivial anmuten.

Im Fall United States of America v. Donald J. Trump geht es um das Wesentliche: Trumps Angriff auf die amerikanische Demokratie.

An den Vorwürfen gegen Trump hat sich nichts verändert. Die Klageschrift des Sonderermittlers Jack Smith liefert keine neuen Enthüllungen, sie enthält lediglich einige weitere Details zum Nachgang der Präsidentschaftswahl 2020 und zum Sturm auf das Kapitol. Sie trägt Punkte zusammen, die seit mehreren Jahren bekannt sind und benennt ihre strafrechtliche Relevanz.

Die vier Anklagepunkte wiegen schwer, „Verschwörung zum Betrug an den USA“ wohl am schwersten. Sie führen vor Augen, warum Trump keinesfalls ein weiteres Mal ins Amt kommen darf. Er ist eine Bedrohung für die Unversehrtheit und den Fortbestand der staatlichen Institutionen. Seine Wiederwahl würde das Land in eine schwere Krise stürzen.

Trump-Anhänger bei der Stürmung des Kapitols in Washington, DC am 6. Januar 2021.
Trump-Anhänger bei der Stürmung des Kapitols in Washington, DC am 6. Januar 2021.

© Imago/Zuma Wire/Essdras M. Suarez

Die Anklage birgt für die USA erhebliche Risiken. Gegen einen ehemaligen Präsidenten und den aktuell aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten der Republikaner kann nicht leichtfertig ein Strafverfahren angestrengt werden. Nicht der Hauch eines Verdachts der politischen Beeinflussung der Justiz darf aufkommen.

Das Verfahren wird die tiefe Spaltung im Land verschärfen. Es wird Trumps Unterstützer anstacheln und sie in ihrer Ansicht bestärken, dass eine politische Justiz des „Deep State“ auf ihren Kandidaten Jagd macht, um ihm eine zweite Amtszeit zu verwehren. Und es könnte zu einer Vergeltungswelle der Strafverfolgung politischer Gegner führen.

Doch der Schritt ist alternativlos. Gegen Trump musste angesichts der Faktenlage ermittelt werden. Der amerikanische Rechtsstaat war herausgefordert, seine Wehrhaftigkeit zu beweisen. Die Anklage stellt das Land auf die Probe. Sie ist ein Lackmustest für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Das ist keineswegs nur für das eigene Land von Relevanz. Derartige Entwicklungen in den USA strahlen global aus. Die Anklage ist somit auch ein wichtiges Signal an Putschisten und Autokraten weltweit. Angriffe auf Demokratie und Rechtsstaat bleiben nicht folgenlos.

Die unmittelbaren Konsequenzen für die US-Wahl 2024 sind zunächst gering. Selbst im Falle einer Verurteilung würde Trump nicht von der Wahl ausgeschlossen. Sein passives Wahlrecht bliebe unangetastet. Nicht jedoch sein aktives. Als rechtskräftig Verurteilter dürfte er nämlich im Bundesstaat Florida, wo Trump aktuell gemeldet ist, keine Stimme abgeben.

Die Mehrheit der Trump-Anhänger wird sich durch die neue Anklage in ihren Überzeugungen bestätigt fühlen.
Die Mehrheit der Trump-Anhänger wird sich durch die neue Anklage in ihren Überzeugungen bestätigt fühlen.

© Imago/UPI Photo/Kevin Dietsch

In den politischen Umfragen wird sich die neue Anklage – in beiden Lagern – kaum niederschlagen. Sowohl Trumps Gegner als auch seine Anhänger werden sich durch sie in ihren bisherigen Überzeugungen bestätigt fühlen.

Die republikanischen Reaktionen verdeutlichen, wie schwer sich Trumps Herausforderer aus der eigenen Partei nach wie vor mit ihm tun. Kaum jemand wagt sich aus der Deckung und geht auf Konfrontation. Zu den wenigen, die deutliche Worte finden, zählt Mike Pence – der Kandidat, der am ehesten dem Profil des klassischen republikanischen Establishments entspricht.

Der ehemalige Vizepräsident wird zum Kronzeugen für die amerikanische Demokratie. Doch damit vermag er bei seiner Partei nicht zu punkten. In Umfragen unter Republikanern spielt er aktuell keine signifikante Rolle. Floridas Gouverneur Ron DeSantis, der derzeit stärkste Herausforderer Trumps, laviert indes.

Für Präsident Joe Biden ist das Verfahren Herausforderung und Chance zugleich. In den USA brodelt die Stimmung. Er kann nun – erneut – unter Beweis stellen, dass er das Land mit seiner ruhigen Art durch schwierige Fahrwasser manövrieren kann.

Für die Demokraten ist nun entscheidend, die Füße stillzuhalten und sich nicht zu Polemik hinreißen zu lassen. Jack Smith muss seine Aufgabe machen und es dürfen keinerlei Zweifel an seiner parteipolitischen Neutralität aufkommen. Denn das Verfahren ist mitnichten ein Selbstläufer.

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