zum Hauptinhalt
Auch im heimischen Bayern weiter aktiv: Christian Schmidt auf einer Pressekonferenz im Anschluss an die Vorstandssitzung des CSU-Präsidiums in München am Montag.

© picture alliance / SvenSimon/Frank Hoermann/SVEN SIMON

Bosnien-Herzegowina: Repräsentant Schmidt steht Rede und Antwort im Bundestag

Dem CSU-Politiker und früheren Minister der Regierung Merkel wird Missbrauch seiner sowieso großen Macht als internationaler Hoher Repräsentant in Bosnien-Herzegowina vorgeworfen. Jetzt hat er sich vor dem Auswärtigen Ausschuss im Bundestag erklärt.

Von

Nach demokratischem Umgang sah es nicht gerade aus, als kürzlich das Parlament im bosnischen Landesteil von Bosnien-Herzegowina einen neuen Premier wählen sollte.

Hunderte versammelten sich im Mai vor dem Parlamentsgebäude in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo und protestierten gegen die Verfassungsänderungen, die diese Wahl erst am Abend zuvor möglich gemacht hatten.

Die Demonstranten, von denen einige von der bosniakischen ethnonationalen Partei SDA eingeladen worden waren, verhöhnten, beschimpften und bespuckten sogar die Parlamentarier der bosnischen „Entität“ der Föderation Bosnien und Herzegowina (FBiH), als sie das Gebäude betraten, um zur Wahl des bürgerlichen Mitte-Links-Politiker Nermin Nikšić zu schreiten.

Schmidt wird Parteilichkeit vorgeworfen

Ihr Zorn richtete sich freilich, wie oft in letzter Zeit, eigentlich gegen einen Deutschen. Es war der Hohe Repräsentant Christian Schmidt, der erneut in letzter Minute in eine Wahl eingegriffen hatte.

Der frühere Bundeslandwirtschaftsminister im Kabinett Merkel und CSU-Politiker ist seit 2021 in einem Amt, das vor bald 30 Jahren vom UN-Sicherheitsrat geschaffen wurde, um Bosnien Frieden zu bringen.

Ja, Herr Schmidt ist ein Problem, aber er ist nicht das größte der Region.

Boris Mijatovic, MdB Grüne, zuständig für den Balkan und EU-Angelegenheiten

Die internationale Gemeinschaft gestand dem jeweiligen Gesandten eine breite Palette von Bestimmungen zu, die nach der ehemaligen Bundeshauptstadt so genannten „Bonn Powers“. Sie machen es ihm möglich, gordische Knoten zu zerschlagen oder widerspenstige Politiker ganz aus dem Amt zu entfernen.

Die Art und Weise allerdings, wie er das tut, schlug so hohe Wellen, dass Schmidt vor Monaten eingeladen wurde, im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags zu sprechen. Am Mittwoch kam das Gespräch zustande. Nach Aussage von Teilnehmenden war es allerdings eher eine Fact Finding Mission als ein Verhör – ohnehin sei Schmidt der internationalen Gemeinschaft rechenschaftspflichtig, nicht dem Deutschen Bundestag, sagt Boris Mijatovic, Berichterstatter der Grünen für den Balkan und EU-Angelegenheiten

„Ja, Herr Schmidt ist ein Problem, aber er ist nicht das größte der Region.“ Er selbst, so Mijatovic, habe im Oktober als Wahlbeobachter in Tuzla die Stimmenauszählung verfolgt, als eine SMS eintraf, dass Schmidt bei laufender Wahl die Wahlordnung geändert habe. „Meine Kritik an ihm ist öffentlich“, dennoch fordere er nicht Schmidts Abberufung. „Er sollte aber aufhören, sich als Politiker aufzuführen, und stattdessen Ausgleich, Versöhnung, vor allem die Zivilgesellschaft voranbringen.“

Zu wenig getan gegen die Boykotteure des Friedens

Gegen Boykotteure dieses Prozesses geschehe viel zu wenig. Als Beispiele nennt der Grüne die Auftritte des verurteilten Kriegsverbrechers Dario Kordic, der nach seiner Haftentlassung, unterstützt von kroatischen Ministerinnen, sich öffentlich rühme, er bereue nichts. Oder Milorad Dodik, der Präsident der serbischen Teilrepublik von Bosnien-Herzegowina, der das Verfassungsgericht boykottiert. „Schmidt hat jetzt zugesagt, sich darum zu kümmern. Wir werden sehen.“

Die Entscheidung ist für alle Bürger von Bosnien und Herzegowina.

Christian Schmidt

Bosniakische Politiker wie der SDA-Vorsitzende Bakir Izetbegović werfen Schmidt Parteilichkeit vor. Seine Entscheidungen benachteiligten die Bosniaken, die größte ethnische Gruppe im Land, absichtlich zugunsten der Kroaten und ihrer Partei HDZ.

Die Wahl von Nikšić wurde möglich, nachdem der Schmidt eine Umgehungslösung eingeführt hatte, die es ermöglicht, einen der Vizepräsidenten der Entität im Falle einer längeren Blockade des Prozesses zu umgehen. Schmidts Kritiker meinen jedoch, dass die neuen Bestimmungen Raum für weitere zukünftige Blockaden zulassen – durch die HDZ.

Die ist beispielsweise die einzige Partei in der Volkskammer der FBiH, die über die erforderliche Dreifünftelmehrheit verfügt, um künftige Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten abzulehnen.

Ähnlich parteiisch intervenierte Schmidt nach Meinung seiner Kritiker auch im Oktober, als er, noch in der Nacht der Parlamentswahlen, die Regeln der Völkerkammer änderte, des ethnischen Oberhauses des Parlaments. In der Kammer werden Gesetzesentwürfe darauf beraten, ob sie gegen vitale Interessen des ganzen Landes verstoßen.

Sogar frühere Befürworter für seinen Rücktritt

Tieferer Grund für die Wut, die sich gegen Schmidt entlädt, sind allerdings die Bruchlinien, die durch das Friedensabkommen von Dayton von 1995 gezogen wurden. Damals wurden eine Reihe ethnischer Kontrollmechanismen eingeführt, die allen drei großen ethnischen Gruppen und Kriegsteilnehmern – Bosniaken, Serben und Kroaten – eine gleichberechtigte Stellung in der Nachkriegspolitik des Landes sichern sollten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Es entstanden so sage und schreibe 14 Regierungen auf fünf Machtstufen - das komplizierteste demokratische System der Welt. Und es entstanden eine Reihe von Mechanismen, die dazu genutzt werden konnten, die Entscheidungsfindung aus jedem beliebigen Grund zu blockieren, den eine der drei Seiten für richtig hielt.

Dazu kommt Schmidts Politik. Fast zwei Jahre nach seiner Ernennung im August 2021 sind selbst seine einstigen Befürworter enttäuscht, und die Rufe nach seinem Rücktritt und seiner Ablösung werden immer lauter.

Schmidt beharrt darauf, dass seine Änderungen nur dazu da sind, den Willen des Volkes durchzusetzen.

„Die Entscheidung des Hohen Repräsentanten sichert die ethnische Zusammensetzung der Regierung und gleicht sie mit bürgerlich-demokratischen Prinzipien aus“, rechtfertigte sich Schmidt. „Sie ist für alle Bürger von Bosnien und Herzegowina.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false