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Die Verhaftung Teixeiras.

© PICTURE ALLIANCE / ASSOCIATED PRESS/Uncredited

Update

21, patriotisch, mit Interesse für Handfeuerwaffen: Kücheneinrichtung verriet Verdächtigen in US-Dokumentenaffäre

Jack Teixeira, ein Militärangehöriger aus Massachusetts, wurde am Donnerstag vom FBI festgenommen. Er soll Geheimdokumente auf Discord gepostet haben. Was war sein Motiv?

| Update:

Jack Teixeira wurde am Donnerstag in dem Einfamilienhaus seiner Mutter in der amerikanischen 8000-Seelenstadt Dighton, einer ländlichen Gegend des US-Bundesstaats Massachusetts, von einer Einheit des FBI festgenommen. Der 21-Jährige, der auf Bildern jugendlich und schlaksig wirkt, wird verdächtigt, für den weitreichendsten US-Geheimdienstverrat seit Edward Snowden verantwortlich zu sein.

Journalisten der „New York Times“ und ein Experte des britischen Recherchenetzwerkes „Bellingcat“ verfolgten in den vergangenen Tagen eine Reihe von digitalen Spuren und Indizien bis zu Teixeira. Wohl zeitgleich waren die Ermittler dem Verdächtigen schon auf der Spur.

Die Journalisten hatten sich die veröffentlichten Fotos der Geheimpapiere noch einmal genau angesehen. Einige der Dokumente lagen demnach auf einer Platte aus Granit mit einem markanten Muster, als sie fotografiert worden waren - das war an den Rändern der Fotos gut zu erkennen. Auch weiße Bodenfliesen waren auf den Fotos zu sehen.

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Den Beweis, dass die Journalisten mit Teixeira die richtige Vermutung hatten, lieferten letztlich Fotos aus dem Elternhaus des Verdächtigen, die von einem Verwandten von Teixeira online gestellt worden waren. Auf ihnen war eine übereinstimmende Inneneinrichtung zu sehen, selbst Details der Maserung der Granitplatte stimmten überein.

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Am Tag nach seiner Verhaftung wurde Teixeira wegen der „unbefugten Entfernung, Aufbewahrung und Übermittlung von Verschlusssachen“ vor Gericht angeklagt.

Der Sender CNN berichtete, der Angehörige der Nationalgarde aus dem Bundesstaat Massachusetts sei am Freitag in Boston einem Richter vorgeführt worden, der ihm vortrug, was ihm zur Last gelegt wird. Am kommenden Mittwoch wird der 21-Jährige dem Haftrichter vorgeführt, bis dahin bleibt er in Untersuchungshaft.

Teixeira im Gerichtssaal am Tag nach seiner Festnahme.
Teixeira im Gerichtssaal am Tag nach seiner Festnahme.

© REUTERS/MARGARET SMALL

Mitglied der Luftnationalgarde

Teixeira arbeitete seit 2021 auf einem Militärstützpunkt am südlichen Ende von Cape Cod, rund 80 Kilometer vom Haus seiner Mutter entfernt, als Mitglied der Luftnationalgarde in Massachusetts.

Als Teixeira nach seinem Abschluss an einer technischen Hochschule seine Arbeit beim Militär beginnen sollte, postet seine Mutter Dawn Dufault auf der Facebook-Seite ihres Blumenvertriebs ein Foto eines Luftballons mit der Aufschrift „Welcome Home“, Willkommen zu Hause.

Sie schreibt: „Jack ist auf dem Weg nach Hause, die technische Hochschule hat er abgeschlossen und ist bereit, seine Karriere bei der Nationalgarde zu starten.“ Auch Teixeiras Stiefvater, so schreibt die „Washington Post“, war schon in derselben Brigade tätig.

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Weniger als zwei Jahre später wird Teixeira verhaftet, weil er verdächtigt wird, bei seiner Arbeit als „Airman First Class“, dem drittniedrigsten Dienstgrad in der US-Luftwaffe, streng geheime Dokumente abgeschrieben, abfotografiert und online auf dem Gamer-Netzwerk „Discord“ gepostet zu haben.

Sie enthielten Informationen über den Frontverlauf im Ukrainekrieg, Behauptungen über interne Machtkämpfe im Kreml und Hinweise darauf, dass die USA ihre Bündnispartner abhören.

Teixeira war nach Angaben der Luftwaffe, wie die „Washington Post“ zitiert, mit der „Verwaltung und Fehlerbehebung von Computern und Kommunikationssystemen“ für eine Geheimdiensteinheit der Otis Air National Guard Base beauftragt.

Obwohl Teixeira im Militär „relativ unerfahren“ war, hatte er über ein Computernetzwerk des Verteidigungsministeriums, das als „Joint Worldwide Intelligence Communications System“ bekannt ist, Zugang zu streng geheimen militärischen Informationen, sagte ein mit der Angelegenheit vertrauter US-Beamter der „Washington Post“.

Das System hätte es Teixeira als Nationalgardist ermöglicht, geheime Dokumente zu lesen und möglicherweise auszudrucken, obwohl es Richtlinien gibt, um diese dem Gesetz entsprechend zu behandeln.

Das FBI nimmt Jack Teixeira fest.
Das FBI nimmt Jack Teixeira fest.

© REUTERS/WCVB-TV

Teixeira wurde im vergangenen Herbst für den aktiven Dienst auf Bundesebene mobilisiert, sagte Nahaku McFadden, eine Sprecherin des National Guard Bureau. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Truppen der Nationalgarde solche Aufträge erhalten, um den Bedarf an spezialisierten Arbeitsplätzen zu decken, schreibt die „Washington Post“.

In einer geschlossenen Gruppe auf „Discord“ namens „Thug Shaker Central“ - deren „Anführer“ Teixeira gewesen sein soll - soll er regelmäßig die Dokumente gepostet haben, die in den vergangenen Wochen die USA, Kiew und Moskau beschäftigten.

„OG“, wie Teixeira sich auf der Plattform nannte, behauptete in der Gruppe, er hätte Informationen, die die Regierung „normalen Menschen“ vorenthalte. Teixeira soll dort zugegeben haben, die Dokumente eigener Aussage nach „von seiner Arbeit in einer Militärbasis“ mitgebracht zu haben. Das erfuhr die „Washington Post“ von Mitgliedern der Gruppe noch vor Teixeiras Festnahme am Donnerstag.

Teixeira soll Dokumente abgeschrieben und auf Discord veröffentlicht haben

„OG“ soll der Gruppe erzählt haben, dass er sich stundenlang abgemüht habe, die geheimen Dokumente abzuschreiben, um sie mit seinen Kameraden auf dem von ihm kontrollierten Discord-Server zu teilen, erzählt ein Gruppen-Mitglied.

Er wollte „uns auf dem Laufenden halten“, sagte das minderjährige Mitglied der Gruppe, das aufgrund seines Alters anonym bleiben wollte. „Er ist ein kluger Mensch. Er wusste natürlich, was er tat, als er diese Dokumente veröffentlichte. Das waren keine zufälligen Leaks“, sagte das Mitglied weiter.

Die „Washington Post“ konnte Fotos besagter Dokumente sichten. Darunter seien etwa 300 Fotos von Verschlusssachen, die zum Großteil noch nicht öffentlich geteilt wurden. Die Dokumente soll Teixeira abgeschrieben haben.

Außerdem gebe es auch eine Audioaufnahme von ihm und Chat-Aufzeichnungen aus der geschlossenen Gruppe. Darunter, so die „Washington Post“ soll auch ein Video sein, dass Teixeira dabei zeigt, wie er rassistische und antisemitische Schimpfworte von sich gibt, bevor er mehrere Gewehrsalven abfeuert. Teixeira soll ein „Waffenenthusiast“ sein - ebenso wie andere Mitglieder seines Discord-Servers.

Wenn man es sich ausmalen konnte, dann stand es in diesen Dokumenten.

Anonyme Quelle der „Washington Post“

„Die meisten Leute auf dem Server waren klug genug, um zu erkennen, dass sie nirgendwo anders gepostet werden sollten“, sagte das Mitglied.

Es beschrieb Teixeira als „patriotisch, einen gläubigen Katholiken und einen Libertären mit Interesse an Waffen und Zweifeln an Amerikas Zukunft“. Verbunden habe sie ihr gemeinsames Interesse an Glock-Handfeuerwaffen und Katholizismus.

US-Geheimdienstleak: Frontverlauf, nordkoreanische Raketen und chinesischer Spionageballon

Unter den Informationen, die Teixeira auf Discord geteilt habe, hätten sich zum Beispiel Aufenthaltsorte hochrangiger Politiker und taktische Updates über die amerikanischen Streitkräfte befunden. Auch ausländische Wahlbeeinflussung soll in den Leaks Thema gewesen sein. „Wenn man es sich ausmalen konnte, dann stand es in diesen Dokumenten“, sagte das Mitglied der „Washington Post“.

Das junge Mitglied war beeindruckt von OGs scheinbar prophetischer Fähigkeit, wichtige Ereignisse vorherzusagen, bevor sie in die Schlagzeilen gerieten, wie die „Washington Post“ schreibt. Dabei soll es sich um Dinge gehandelt haben, die „nur jemand mit dieser Art von hohem Status“ wissen konnte.

Das Mitglied beschrieb OG als „streng“. Er setzte demnach eine „Hackordnung“ durch und erwartete von den anderen, dass sie die geheimen Informationen, die er weitergegeben hatte, aufmerksam lasen. Wenn ihre Aufmerksamkeit nachließ, wurde er wütend. Das junge Mitglied erzählt dem Bericht zufolge, dass er einer der wenigen in der Gruppe war, die die von OG geposteten Informationen ernst nahmen. Viele andere hätten seine Posts ignoriert.

US-Geheimdienstleak: OG postete auch Fotos von Dokumenten und Ukraine-Karten

Als OG gemerkt haben soll, dass die Gruppenmitglieder sich wenig für seine Abschriften interessierten, fing er an, Fotos von Originalen aufzunehmen und zu posten. Damit soll er Ende vergangenen Jahres begonnen haben.

Diese Fotos zeigten das Schlachtfeld in der Ukraine, geheime Satellitenbilder von Folgen russischer Raketeneinschläge auf ukrainische Infrastruktur oder mögliche Flugbahnen ballistischer Raketen Nordkoreas, die die USA erreichen könnten. Es sollen auch Fotos vom chinesischen Spionageballon, der im Februar über den USA entdeckt wurde, darunter gewesen sein. Vermutlich sollen die Aufnahmen von einem U2-Spionageflugzeug gemacht worden sein, wie die „Washington Post“ schreibt. 

Das junge Mitglied soll OG bereits vier Jahre zuvor auf einem anderen Discord-Server für Fans des beliebten Waffen-Youtubers Oxide kennengelernt haben. Er erzählt, dass die Gruppe von ihm und OG als zu voll wahrgenommen wurde, weshalb sie sich in eine andere Gruppe abspalteten.

Ich würde ihn definitiv nicht als Whistleblower bezeichnen. 

Anonyme Quelle der „Washington Post“

Bei aller Verachtung, die Teixeira der US-Regierung entgegengebracht haben soll, wie es das Gruppenmitglied beschreibt, gibt es nach Ansicht des Mitglieds keine Anzeichen dafür, dass er mit der Preisgabe von Dienstgeheimnissen im öffentlichen Interesse handelte. Die als geheim eingestuften Dokumente seien nur für seine „Online-Familie“ bestimmt gewesen, sagte das Mitglied. „Ich würde ihn definitiv nicht als Whistleblower bezeichnen. Ich würde OG nicht im Geringsten als Whistleblower bezeichnen“, sagte er und wehrte sich gegen Vergleiche mit Edward Snowden, der geheime Dokumente über die Überwachung durch die Regierung an Journalisten weitergab.

Vielmehr sei Teixeira bestürzt gewesen, als sich die Dokumente doch weiterverbreiteten. Offenbar, so schreibt die „Washington Post“, habe ein anderes Mitglied der Discord-Gruppe Dokumente und Fotos auf anderen Discord-Servern geteilt.

Später tauchten sie auf der Plattform Minecraft auf, bis sie schließlich auf russischen Telegram-Kanälen, auf „4Chan“ und auch auf Twitter zirkulierten. Spätestens ab dem Zeitpunkt, als die Geheimdienstinformationen auf russischen Telegramkanälen gepostet wurden, seien sie manipuliert worden. So wurden etwa russische Verluste unter- und ukrainische Verluste übertrieben dargestellt.

US-Regierung appelliert an Nutzer von sozialen Medien

Seit Wochen kursieren im Internet die offensichtlich geheimen Dokumente von US-Stellen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Sie waren unter anderem bei Twitter aufgetaucht.

Die US-Regierung rief die sozialen Medien am Donnerstag auf, die Verbreitung gestohlener Geheimdokumente zu unterbinden. „Wir glauben, dass die Betreiber sozialer Medien eine Verantwortung haben gegenüber ihren Nutzern und dem Land, die private Infrastruktur, die sie schaffen, zu verwalten“, sagte die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre.

„Wir rufen Unternehmen normalerweise dazu auf, nicht die Verbreitung von Material zu ermöglichen, das ein Risiko für die öffentliche und nationale Sicherheit darstellt“, betonte sie. Ob und wie der Zugang zu sozialen Netzwerken für Mitarbeiter der Regierung beschränkt werden müsse, sei Sache der Geheimdienste, so Jean-Pierre weiter. Zur Authentizität der Dokumente wollte sie sich nicht äußern.

Das US-Verteidigungsministerium erklärte, den Zugang zu Geheimdienstinformationen überprüfen zu wollen. „Ich als Verteidigungsminister werde nicht zögern, weitere Maßnahmen zu ergreifen, die zum Schutz der Geheimnisse unseres Landes notwendig sind“, teilte Pentagon-Chef Lloyd Austin am späten Donnerstagabend (Ortszeit) mit. Er habe eine Untersuchung über den Zugang zu Geheimdienstinformationen innerhalb seines Ministeriums in Auftrag gegeben.

Auch Kontrollverfahren würden überprüft, um zu verhindern, „dass sich ein derartiger Vorfall wiederholt“. Jeder Angehörige des US-Militärs und Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums mit Zugang zu Geheimdokumenten unterliege einer rechtlichen und moralischen Pflicht, diese zu schützen und verdächtige Aktivitäten zu melden, betonte Austin. (mit dpa)

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