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Schlussgottesdienst Alles hat seine Zeit  auf dem Hauptmarkt beim 38. Evangelischen Kirchentag in Nürnberg.

© imago/epd/IMAGO/Tim Wegner

Weniger Besucher, geistlichere Stimmung: Kirchentag im Zeichen der Krise

Mit einem großen Gottesdienst geht der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag in Nürnberg zu Ende.

Mit einem Plädoyer für mehr Diversität und gegen Diskriminierungen in Kirche und Gesellschaft ist am Sonntag der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag in Nürnberg zu Ende gegangen.

In einem von zehntausenden Menschen besuchten Großgottesdienst auf dem Nürnberger Hauptmarkt, der von der ARD im Fernsehen übertragen wurde, forderte der aus Südafrika stammende und an der Friedenskirche im ostfriesischen Wiesmoor tätige Pastor Quinton Ceasar „mutige Entscheidungen, die wirklich Veränderungen bewirken.“

„Wir können nicht mehr warten“, sagte Ceasar. „Wenn ihr von der Liebe predigt, die alles besiegt, und trotzdem meine Geschwister und mich diskriminiert – wegen unseres Einkommens, unserer Hautfarbe, unserer Behinderung oder unserer queeren Identität, dann sagen wir: Bitte lügt uns nicht an!“

Wir sind alle die Letzte Generation

Pastor Quinton Ceasar

People of Colour seien kein Gegenüber, bräuchten keine Nächstenliebe und keine Zuwendung von oben herab. Sie seien Teil der Kirche. „Wir vertrauen Eurer Liebe nicht, wir haben keine sicheren Orte in Eurer Kirche.“

Unter dem Applaus der Besucher des seit Mittwoch in Nürnberg durchgeführten Protestantentreffens erklärte Caesar: „Jetzt ist die Zeit zu sagen: Wir sind alle die Letzte Generation“, „Gott ist queer“ und „Black lives always matter.“

Zudem forderte er, Rettungsschiffe ins Mittelmeer zu schicken und Menschen in sicheren Häfen zu empfangen. Damit ging Ceasar zugleich auf die Hauptthemen des fünftägigen Kirchentags ein.

Insgesamt nahmen an der fünftägigen Veranstaltung „70.000 Besucher mit einem Ticket“ teil. Im Unterschied zu früheren Kirchentagen differenzierten die Veranstalter dabei nicht mehr zwischen Dauer- und Tagesteilnehmern.

Beim letzten Kirchentag in Dortmund waren rund 80.000 Dauerteilnehmer und 41.000 Käufer von Tageskarten gezählt worden. Der Kirchentag verlor also gemessen an der Zeit vor Corona deutlich an Besuchern – nur kostenfreie Angebote, wie der „Abend der Begegnung“, zogen weiterhin bis zu 130.000 Menschen in die Nürnberger Innenstadt.

Oberbürgermeister Marcus König (CSU) sprach dennoch von einem „Sommermärchen des Glaubens“. Auch Kirchentagspräsident Thomas de Maiziere zeigte sich begeistert: „Der Kirchentag lebt“, sagte der frühere Bundesinnenminister und verwies auf die von „Respekt und Wertschätzung“ geprägten Debatten des Protestantentreffens.

Habeck gegen Letzte Generation

Für Aufsehen sorgte etwa ein Hauptpodium am Freitag, bei dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit der Klimaaktivistin Carla Hinrichs diskutierte und ihr vorwarf, dass die Aktionen der „Letzten Generation“ dem Klimaschutz schadeten.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf dem Kirchentag.

© imago/epd/IMAGO/Thomas Lohnes

Die Meinung der Kirchentagsbesucher war bei dieser Podiumsdiskussionen indes gespalten: Sowohl Hinrichs als auch Habeck erhielten viel Applaus.

Appeasement ist der falsche Weg

Friedrich Merz, CDU-Chef

Am Samstag waren ferner CDU-Fraktionschef Friedrich Merz und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu Gast auf dem Kirchentag. Beide äußerten sich dabei zum Krieg in der Ukraine. „Um Frieden zu erreichen, ist Appeasement und Annäherung an den Aggressor der falsche Weg“, sagt Merz.

Es habe im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine nicht an Vermittlungsversuchen von allerhöchster Stelle gefehlt. „Wir sollten als Christen hoffen, dass diese Vermittlungsversuche von Erfolg geprägt sind.“

Und Scholz hob hervor, dass Russland mit seinem Angriff „den Konsens der europäischen Sicherheitsordnung der letzten Jahrzehnte aufgekündigt“ habe. Der Bundeskanzler kündigte an, „demnächst auch wieder“ mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefonieren zu wollen.

Nicht nur Politik

„Verhandeln ist okay“, sagt Scholz, und kündigt an, auch selbst wieder mit Putin telefonieren zu wollen. „Die Frage ist aber: Wer verhandelt mit wem und worüber - und was nicht vernünftig ist, ist, die Ukraine zu zwingen, dass der Raubzug, den Putin gemacht hat, akzeptiert wird, und ein Teil des ukrainischen Territoriums einfach Russland wird.“

Doch der Kirchentag bestand nicht nur aus Politik: Ein Großteil des 2000 Veranstaltungen umfassenden Programms bestand aus Gottesdiensten, Andachten und Gebeten.

Es waren besonders diese geistlichen Veranstaltungen, die von den Besuchern nachgefragt wurden: Die „Nacht der Lichter“ mit Gesängen und Gebeten aus Taizé sah eine voll besetzte Nürnberger Frankenhalle.

KI veranstaltete einen Gottesdienst

Zu den Abendsegen auf dem Haupt- und dem Kornmarkt versammelten sich jeden Abend rund 17.000 Besucher. Auch Friedensgebete, der zentrale ökumenische Gottesdienst, Bibelarbeiten und Workshops waren gut besucht.

Für Aufsehen sorgte auch ein Gottesdienst, der nur von einer KI gestaltet wurde. Die Reaktionen darauf waren aber differenziert: Die echte Begegnung könne eine Maschine nicht ersetzen, sagte Generalsekretärin Kristin Jahn.

Das nächste Protestantentreffen soll im Jahr 2025 in Hannover stattfinden, bevor im Jahr 2027 dann die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf an der Reihe ist.

Zuvor allerdings lädt das Zentralkomitee der deutschen Katholiken im kommenden Jahr zum Katholikentag nach Erfurt ein.

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