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Mailand, März 2023: Nachdem ein Rundschreiben aus Rom die Eintragung gleichgeschlechtlicher Eltern verboten hat, demonstrieren Regenbogenfamilien vor der Scala, dem weltberühmten Opernhaus.

© dpa-LaPresse/Alessandro Bremec

Italienische Regenbogenfamilien: In Padua sind zwei Mütter verboten

Für gleichgeschlechtliche Eltern und ihre Kinder wird es ernst in Italien: Zum ersten Mal muss eine Stadt die Eintragung zweier Mütter rückgängig machen.

Die erklärte Absicht der Regierung Meloni, gegen Regenbogenfamilien vorzugehen, hat ein erstes konkretes Ergebnis: In Padua hat die Staatsanwaltschaft veranlasst, dass die standesamtliche Eintragung einer der beiden Mütter eines fünfjährigen Mädchens rückgängig gemacht wird.

Die Kleine dürfte nur die erste von 33 Kindern sein, darunter ihr jüngerer Bruder: Die Justiz der Stadt ficht die Geburtsurkunden sämtlicher Kinder seit 2017 an, auf denen zwei Väter oder zwei Mütter als Eltern eingetragen sind.

Es ist die erste konkrete Folge der Politik der Rechtsregierung in Rom, die die Familie „mamma e papà“ ganz vorn auf ihrer Agenda hat. Bereits im März verbot ein Rundbrief des Innenministeriums – Minister ist Matteo Piantedosi von der rechtsradikalen Lega –den Bürgermeister:innen die Eintragung von Eltern gleichen Geschlechts.

Dessen Parteichef und Kabinettskollege, Verkehrsminister Matteo Salvini, zeigte angesichts des Falls in Padua nun eine Unschuldsmiene: „Wenn die Justiz einschreitet, wird sie ihre Gründe haben.“ Er selbst meine, Liebe sei natürlich immer „schön und frei“. Aber Kinder kämen nun einmal dadurch „auf die Welt, dass es eine Mutter und einen Vater gibt“.

Die Justiz ist in der Tat gebunden, weil Italien bis heute die Ehe für alle fehlt, vor allem aber ein Gesetz, das die Kinder von Eltern des gleichen Geschlechts denen aus Hetero-Beziehungen gleichstellt. Deswegen scheiterten Ende Dezember zwei Männer mit ihrer Klage vor dem Kassationsgerichtshof. Sie wollten ihre Eintragung als Eltern ihres Kindes erreichen.

Art der Zeugung ändert nichts am Recht der Kinder

Im Urteil forderte das Gericht, das dem deutschen Bundesgerichtshof vergleichbar ist, den Gesetzgeber aber mit deutlichen Worten zum Handeln auf: Die Rechte der Kinder von Eltern gleichen Geschlechts könnten „nicht auf unabsehbare Zeit ausgesetzt“ bleiben. Ähnlich hatte sich zuvor das Verfassungsgericht in Rom geäußert.

Anders verhält es sich vermutlich mit dem Recht der Standesämter, Geburtsurkunden auszustellen, auf denen zwei Väter oder zwei Mütter eingetragen sind. Etliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – zuerst in 2018 Turin unter der Fünf-Sterne-Politikerin Chiara Appendino – hatten dies getan.

Das Gesetz 40/2004 schreibt vor, dass auch Kinder, die durch künstliche Befruchtung entstanden sind, die rechtmäßigen Kinder von Paaren sind.

Filomena Gallo, Rechtsanwältin

Sie bezogen sich, wie die beiden Höchstgerichte, auf das Recht des Kindes auf Eltern, das sowohl europäische als auch italienische Vorschriften garantieren. Die sozialdemokratische Europa-Abgeordnete Pina Picierno wandte sich deswegen jetzt um Prüfung der Vorgänge in Padua an die EU-Kommission. Europa hat Italien bereits in der Vergangenheit gemahnt.

Obwohl Leihmutterschaft in Italien verboten ist, sind nach einem Gesetz aus dem Jahr 2004 die Kinder, die nicht von ihren Eltern selbst ausgetragen oder gezeugt werden, „rechtmäßig Kinder dieser Eltern“, sagt die Anwältin Filomena Gallo von der Bürgerrechtsvereinigung Luca Coscioni.

Regierung Meloni will Leihmutterschaft auch im Ausland verfolgen

„Im höheren Interesse des Kindes“, so Gallo, die selbst Paare vor Gericht vertrat, dürfe dem Gesetz nach der Gang ins Ausland „in keiner Weise verhindern, nein es muss sogar sichergestellt sein, dass auf das Neugeborene alle rechtsstaatlichen Normen angewandt werden.“ Das habe so 2019 auch Italiens Verfassungsgericht festgestellt.

Daran dürfte sich auch nichts ändern, wenn das Vorhaben durchkommt, das Melonis rechte Mehrheit gerade ins Parlament eingebracht hat: Sie will Leihmutterschaft oder „Gpa“ (das italienische Kürzel bedeutet „Schwangerschaft für andere“) zu einem Vergehen machen, das auch dann in Italien verfolgt wird, wenn Zeugung und Geburt im Ausland stattgefunden haben.

Sollte die Regierung damit durchkommen, wären diese Regenbogenkinder freilich erneut bestraft; ihre Eltern kämen unter Umständen in Haft. Und dies träfe viele: Die große Mehrheit der italienischen Paare, die sich ihren Kinderwunsch im Ausland erfüllen, sind heterosexuelle Paare.

Die Eltern in Padua können sich einstweilen nur allein vor Gericht dagegen wehren, dass sie aus den Geburtsurkunden ihrer Kinder gestrichen werden. „Weil es sich um Familienrecht und Verwaltungsakte handelt“, sagt Iryna Shaparava vom Verein „Regenbogenfamilien“ in Venetien der Agentur Ansa, „wird eine Sammelklage nicht möglich sein.“ Jede betroffene Familie müsse sich selbst einen Anwalt nehmen.

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