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Dritte East Pride Berlin

© Jana Demnitz

East Pride in Berlin: Homosexualität als positive und friedensstiftende Kraft

Am Samstag findet die dritte East-Pride-Demo in Berlin statt. Sie erinnert an die homosexuelle Emanzipationsbewegung in der DDR und solidarisiert sich mit queeren Menschen in Uganda.

„Homosexualität ist für alle da!“ – die East-Pride-Organisator:innen Anette Detering und Wolfgang Beyer haben ein Zitat der Ost-Berliner homosexuellen Emanzipationsbewegung der Siebzigerjahre als Motto der East Pride Berlin gewählt, die am kommenden Samstag stattfindet. „Wir wollen deutlich machen, dass Homosexualität eine positive und friedensstiftende Kraft ist, die alle Menschen bewegen kann. Homosexualität ist nicht eine Sache von Minderheiten“, sagen sie im Gespräch.

Peter Rausch, Michael Eggert, Michael Keller, Uschi Sillge – wer kennt diese Personen heute noch? Wem sagt die von ihnen gegründete „Homosexuelle Interessengemeinschaft Berlin“ (HIB) noch etwas? Oder wer ist vertraut mit der Lebensgeschichte von Bettina Dziggel?

Die im vergangenen Jahr verstorbene Zeitzeugin hat 1982 den „Arbeitskreis Homosexuelle Selbsthilfe – Lesben in der Kirche“ in Ost-Berlin mitgegründet, in der Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg trafen sie sich. Mitte der Achtziger gedachten die Aktivistinnen in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück der verfolgten und ermordeten lesbischen Frauen im Nationalsozialismus.

Dass dort heute offiziell mit einer Gedenkkugel an diese Menschen erinnert wird, ist auch ihrem damaligen Engagement und Mut zu verdanken. Für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) war die Ost-Berliner Gruppe eine „terroristische Organisation“. Die Frauen wurden verhaftet, erlebten seelische und körperliche Gewalt.

Am ersten Todestag von Bettina Dziggel am 5. Juli wird in der Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg in der Dauerstellung über die Ost-Berliner Opposition eine weitere Tafel eingeweiht. „Das finde ich eine sehr schöne Sache, die innerhalb eines Jahres gelungen ist“, sagt Anette Detering, die sich mit Wolfgang Beyer und anderen dafür eingesetzt hat.

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Endlich werde sichtbar, dass in den letzten Jahren der DDR in der Gethsemanekirche auch lesbische Frauen einen geschützten Ort für ihre Treffen hatten.

Für Anette Detering und Wolfgang Beyer gehören all diese Namen und Daten zur schwul-lesbischen Emanzipationsgeschichte in Deutschland mit dazu. Viel zu wenige Menschen wissen ihrer Meinung nach aber etwas über diese ostdeutsche queere Geschichte. Und die Gründe dafür seien vielfältig, sagen sie.

Ältere ostdeutsche Akivist:innen hätten sich nach der Wiedervereinigung ins Private zurückgezogen, die Öffentlichkeit zeige für die Geschichte von Lesben, Schwulen und trans Personen in der DDR wenig Interesse und die Forschung zur queeren ostdeutschen Emanzipationsgeschichte sei „inakzeptabel“. Es sei auffällig, „dass es in der kritischen Aufarbeitungsszene keine queere Stimme gibt“, sagt Wolfgang Beyer. Und so kann man die East Pride Berlin auch als Konsequenz eines gewissen Frusts über diese Bestandsaufnahme betrachten.

Seit 2021 organisieren sie die Demonstration durch den Ostteil der Stadt, und wenn dabei Menschenrechte, Sichtbarkeit und Akzeptanz für LGBTIQ gefordert werden, werden gleichzeitig einstige und heutige Hotspots der Ost-Berliner schwul-lesbischen Szene erwähnt und in den Marsch integriert: darunter der Sonntags-Club in der Greifenhagener Straße, die Bar Schoppenstube in der Schönhauser Allee und die Kneipe Besenkammer am Alex.

Anette Detering (mit Hut) bei der East Pride 2022.

© Jana Demnitz

Eine politische Demonstration als historische queere Stadtführung – denn bei den Teilnehmenden hapert es oft an Geschichtskenntnissen, haben Detering und Beyer festgestellt. „DDR-Vergangenheit, sozialistische Diktatur, man muss richtig darum ringen und die Menschen darauf stoßen, es gibt kein Bewusstsein dafür“, sagt Beyer, der in der Buchhandlung 89 in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen arbeitet. Hoffnung machten ihm aber junge Studierende, die ein Sensorium dafür hätten, „dass man auch in die Archive gehen und recherchieren könnte“, sagt er.

Dabei nehme die Gewalt gegenüber queeren Menschen in Deutschland wieder zu und auch die Lebenssituation für Queers in vielen anderen Ländern habe sich in den letzten Jahren wieder radikal verschlechtert, merkt Anette Detering an und zählt auf: Russland, Polen, Ungarn, Türkei. „Alle möchtegern-autoritären Herrscher machen Homosexualität zu ihren Propagandathemen“, sagt sie.

Diesen Entwicklungen wollen sie aber nicht tatenlos zusehen: „Wenn man Themen voranbringen will, muss man selbst aktiv werden“, sagt Detering, die für das Bundespresseamt Gruppen betreut und sogar bei ihren Führungen hin und wieder Homophobie erlebt.

Für Beyer war die Begegnung mit dem schwulen Aktivisten Christian Pulz entscheidend für sein heutiges Engagement. Der 2021 verstorbene Pulz kämpfte trotz Schikanen und Repressionen für die Sichtbarkeit von Homosexuellen und für Menschenrechte in der DDR. „Das hat mir gezeigt, wenn ich selbst aktiv und widerständig werde, dann verbessert sich mein Leben auch dadurch“, erklärt Wolfgang Beyer.

Wenn man Themen voranbringen will, muss man selbst aktiv werden.

Anette Detering, East-Pride-Mitorganisatorin

In diesem Jahr solidarisiert sich die East Pride Berlin vor allem mit queeren Menschen in Uganda. Seit wenigen Wochen ist ein Anti-Homosexuellen-Gesetz in Kraft, durch das homosexuellen Menschen lebenslange Haft bis hin zur Todesstrafe drohen. Ein Gesetz, das für Wolfgang Beyer in letzter Konsequenz „wie ein Genozid“ an queeren Menschen sei.

Gerade im Fall Uganda müsse sich deshalb jetzt eine „feministische Außenpolitik“ beweisen und im Sinne der Opfer agieren, fordern beide. Die aktuelle Situation sei dort für queere Menschen ein „ständiger Überlebenskampf“, so Beyer, der mit mehreren queeren Personen in Uganda in Kontakt ist. Für die Betroffenen vor Ort gebe es keine soziale Absicherung. Sie müssten von Monat zu Monat ums Überleben kämpfen.

Anette Detering und Wolfgang Beyer unterstützen deshalb auch einen offenen Brief, der kürzlich von Prominenten imitiert wurde, und fordern ebenfalls schnelle und unbürokratische Visa für queere Personen aus Uganda, „damit die dort rauskommen“, sagt Beyer. Alle queeren Menschen, die sich im Land zuvor öffentlich engagiert haben, seien jetzt „Freiwild“, ergänzt Detering. So wird die East-Pride-Demo am Samstagabend mit Reden vor der ugandischen Botschaft enden.

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