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Spanien: Unheilbar Kranke durfte sterben

Seit vielen Jahren hatte Inmaculada Echevarría sich nichts sehnsüchtiger gewünscht als den Tod. Nun ging der Wunsch der unheilbar kranken Spanierin in Erfüllung. Die Ärzte stellen ihr Atemgerät ab.

Madrid - Die Ärzte eines Krankenhauses in Granada stellten die künstliche Beatmung, die die weitgehend gelähmte Frau seit zehn Jahren am Leben gehalten hatte, ein. Die 51-Jährige sei daraufhin gestorben, teilte die Regionalregierung von Andalusien mit. Um der Kranken einen qualvollen Todeskampf zu ersparen, hatten die Ärzte ihr zuvor ein Betäubungsmittel verabreicht. Ihr Fall hatte in Spanien seit Wochen für Schlagzeilen gesorgt und eine Debatte über die Sterbehilfe ausgelöst. Echevarría litt unter einem unheilbaren Muskelschwund und war seit zwei Jahrzehnten wegen Lähmungen ans Bett gefesselt. In den letzten Monaten ihres Lebens konnte sie nur mit schwacher Stimme sprechen sowie ihre Fingerspitzen und Gesichtsmuskeln bewegen. Da die Lähmungen auf die Atemmuskulatur übergegriffen hatten, war sie auf ein Beatmungsgerät angewiesen.

Im Oktober 2006 äußerte sie öffentlich den Wunsch, sterben zu dürfen: "Es ist ungerecht, so leben zu müssen." Vor ihrem Tod wurde die Frau von einem Bekannten gefragt: "Wenn Du hättest wählen können, wärest Du lieber schon früher gestorben?" Echevarría antwortete nach Angaben der Zeitung "El País": "Ja, viel früher. Vor 27 Jahren." Damals hatte sie auf Grund ihrer Krankheit den einzigen Sohn acht Monate nach der Geburt zur Adoption freigeben müssen. Ihr Mann war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.

Sterbehilfe in Spanien verboten

Die Regierung von Andalusien gab den Ärzten vor zwei Wochen die Erlaubnis, das lebenswichtige Beatmungsgerät der Kranken abzustellen - und dies, obwohl die Sterbehilfe in Spanien verboten ist. Sie stützte sich dabei auf zwei Gutachten. Darin vertraten Experten die Ansicht, das Abstellen des Beatmungsgeräts sei keine Sterbehilfe. Man gewähre der Kranken vielmehr das gesetzlich verbriefte Recht, eine medizinische Behandlung abzulehnen.

"Wenn Echevarría das Gerät von Anfang an abgelehnt hätte, wäre sie gestorben, ohne dass jemand protestiert hätte", meinte der Rechtsphilosoph José Miguel Serrano Ruiz-Calderón. Andere Wissenschaftler sehen dies allerdings anders. "Der Fall Echevarría ist reine und knallharte Euthanasie", erklärte die Biochemikerin Natalia López Moratalla.

Kritik der katholischen Kirche

Die Entscheidung der andalusischen Regierung hatte vor allem in der katholischen Kirche heftige Proteste ausgelöst. "Einem Menschen eine lebenswichtige Apparatur abzuschalten, ist gleichbedeutend damit, ihm das Leben zu nehmen", betonte der Primas der katholischen Kirche in Spanien, Kardinal Antonio Cañizares. "Die Euthanasie ist illegal und ein Anschlag auf die Würde und das Leben."

Die Haltung der Kirche führte dazu, dass Echevarría zum Sterben in ein anderes Krankenhaus verlegt werden musste. Das San-Rafael-Krankenhaus, das dem katholischen Orden San Juan de Dios unterstellt ist und in dem die Kranke seit Jahren behandelt worden war, hatte sich zwar zunächst bereit erklärt, den Wunsch der Patientin zu erfüllen. Es musste dann aber einen Rückzieher machen. Nach Angaben der Zeitung "ABC" untersagte die Ordensführung in Rom es den Ärzten, der Patientin das Beatmungsgerät abzustellen.

Zuletzt hatte in Spanien im Jahr 1998 der Fall des Ramón Sampedro eine größere Euthanasie-Debatte ausgelöst. Der Querschnittsgelähmte hatte fast 30 Jahre um sein Recht auf den eigenen Tod gekämpft. Sein Fall wurde von Alejandro Amenábar in dem Streifen "Das Meer in mir" verfilmt, der 2005 mit dem Oscar für den besten ausländischen Film ausgezeichnet wurde. Anders als Echevarría starb Sampedro nicht durch das Abschalten eines Geräts, sondern die Einnahme von Gift, das ihm eine Freundin bereitgestellt hatte. (tso/dpa)

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