zum Hauptinhalt
In anderen Ländern wie zum Beispiel in Neuseeland, Finnland oder Kanada gilt eine Helmpflicht für Radfahrer.

© dpa/Hannibal Hanschke

Steigende Zahl von toten Radlern: Union fordert allgemeine Helmpflicht für Fahrradfahrer

Die Zahl der tödlich verunglückten Radler ist 2022 deutlich gestiegen. Die Union verlangt nun Konsequenzen. Die Ampelparteien und sogar Mediziner reagieren verhalten.

2022 sind 26 Prozent mehr Radfahrer im Verkehr gestorben als im Jahr zuvor. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verunglückten 474 Radler tödlich, etwas weniger als die Hälfte waren demnach Fahrer eines E-Bikes. Wegen der steigenden Zahlen fordert die Union nun eine allgemeine Helmpflicht.

Der verkehrspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Thomas Bareiß, sagte der „Welt“: „Früher oder später müssen wir über eine Helmpflicht in Deutschland sprechen.“ Immer mehr Menschen nutzten das Fahrrad, dadurch steige die Zahl der Unfälle rasant an.

„Das Tragen eines Helms bietet dagegen bestmöglichen Schutz und sollte heute eigentlich schon bei allen Radfahrern obligatorisch sein. Das Rad soll immer mehr zum Bestandteil unserer alltäglichen Mobilität werden, da ist eine Helmpflicht zum Schutz der Radfahrer nur folgerichtig“, so der CDU-Politiker.

Helm ist nicht gleich Helm, letztlich kommt es auf bestimmte Kriterien an, die ein guter Helm erfüllen muss.

Christopher Spering, Leiter der Präventions-Abteilung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie

Für die Bundestagsfraktionen der Ampel-Koalition ist eine Helmpflicht bislang jedoch keine Option. Valentin Abel, Berichterstatter der FDP für Radverkehr, sagte: „Für mich steht fest, dass wir Fahrradfahren sicherer machen müssen. Dazu gehört zum einen der Aufruf, dass Fahrradfahrer freiwillig einen Helm zur eigenen Sicherheit tragen. Auf der anderen Seite gilt es, Fahrradfahren durch bauliche Methoden und eine allumfassende Städteplanung sicherer zu gestalten.“

Eine Helmpflicht würde Angebote wie Bike-Sharing dagegen fast unmöglich machen. Auch SPD und Grüne erklärten auf Anfrage der Zeitung, vor allem mit einer verbesserten Straßeninfrastruktur die Sicherheit von Fahrradfahrern stärken zu wollen. Eine Helmpflicht lehnen beide Parteien ab.

Auch aus der Bundesregierung bekommt der Unions-Vorschlag dem Bericht zufolge keine Unterstützung. Eine Sprecherin von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) teilte mit, man setze auf das „Prinzip der Freiwilligkeit sowie die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Verkehrsteilnehmer.“ Das Gesundheitsministerium wollte sich nicht äußern.

Offen zeigen sich hingegen AfD und Linkspartei. Beide Fraktionen lehnen zwar eine allgemeine Helmpflicht ab, halten sie in speziellen Bereichen und für bestimmte Personengruppen jedoch für notwendig. So fordert die AfD eine gesetzliche Verpflichtung zum Tragen eines Helms bei der gewerblichen Nutzung von Fahrrädern.

„Hier steht die Sicherheit am Arbeitsplatz im Vordergrund, nicht die Eigenverantwortung des Radfahrers“, sagt Dirk Spaniel, verkehrspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion. Thomas Lutze von der Linkspartei sagt: „Wir befürworten eine dringende Helmpflicht für Kinder unter 14 Jahren sowie bei allen Zweirädern, die einen E-Motor haben.“

Auch alle großen für den Verkehr zuständigen Verbände wie der ADAC, die Deutsche Verkehrswacht sowie der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club sprechen sich dem Bericht zufolge gegen eine Pflicht aus.

Skepsis äußerten sich sogar von Medizinern wie die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie. Der Appell laute eher, die Menschen regelmäßig darüber aufzuklären, dass im Falle eines Unfalls ein Helm Schädel-Hirn-Traumata deutlich reduziere.

„Entsprechend setzen wir vor allem auch auf die Vernunft und das eigene Bewusstsein zur Risikobewertung sowie die Fürsorge Erwachsener für Kinder“, sagte Christopher Spering, Leiter der Präventions-Abteilung des Verbandes.

Spering weiter: „Helm ist nicht gleich Helm, letztlich kommt es auf bestimmte Kriterien an, die ein guter Helm erfüllen muss.“

Neuere Studien hätten ergeben, dass der Kopfbereich eines Fahrradfahrers meist nicht beim Zusammenstoß mit einem Pkw, sondern beim anschließenden Aufprall auf der Straße am stärksten gefährdet sei, so Mediziner Christopher Spering.
Neuere Studien hätten ergeben, dass der Kopfbereich eines Fahrradfahrers meist nicht beim Zusammenstoß mit einem Pkw, sondern beim anschließenden Aufprall auf der Straße am stärksten gefährdet sei, so Mediziner Christopher Spering.

© dpa/Ralf Hirschberger

Neuere Studien hätten ergeben, dass der Kopfbereich eines Fahrradfahrers meist nicht beim Zusammenstoß mit einem Pkw, sondern beim anschließenden Aufprall auf der Straße am stärksten gefährdet sei. Durch die Rotationsbewegung des Kopfes während des Fluges müsse ein Helm vor allem auch den Nackenbereich sowie die Seiten abdecken.

„Bei einer Helmpflicht müsste die Polizei also auch die Qualität des Helms kontrollieren. Das wäre vermutlich kaum leistbar“, sagt Spering. Potenziellen Käufern empfehle er, sich vor dem Kauf eines Helms Testvergleiche anzuschauen.

Wie die Zeitung weiter berichtet, lag der errechnete Anteil der Helmträger nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen unter den Fahrradfahrern in Deutschland 2021 bei 31,7 Prozent.

In einer von den Verkehrsministerien in Baden-Württemberg und Thüringen in Auftrag gegebenen Studie zeigten Wissenschaftler 2017 auf, dass in anderen Ländern – etwa in Neuseeland, Finnland oder Kanada – mithilfe einer Helmpflicht die Quote auf teilweise 90 Prozent gesteigert werden konnte. (lem)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false