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Das große Reinemachen. Andenken aus glücklichen Tagen kann man leicht in einer Kiste verstauen. Anders sieht es mit den Erinnerungen an die Vergangenheit aus: Die wird man leider nicht so unkompliziert los. Fotos: dpa, ARC, pa/design Pics, Kai-Uwe Heinrich, Doris Spiekermann-Klaas, promo / Montage: Britta Dudey

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Trennungen: Liebe raus

Ihre Zahnbürste, seine Socken – wohin damit, wenn man sich trennt? Unsere Autorin hat sich umgehört

Die Liebe geht. Der Krempel bleibt. Haargummis. Zahnbürsten. Mixtapes, beschriftet in rührend krakeliger Jungsschrift. Der Pullover mit dem ausgeleierten Bund, weil die Ex-Freundin ihn über die Knie stülpte. Der Hühnergott vom Ostseewochenende, in dem man mit ganz viel Wohlwollen ein Herz erkennen kann. Bücher, die man zusammen gekauft, Biergläser, die man zusammen geklaut hat. Konzertkarten. Fremdwährungen aus dem Urlaub. Post-its mit Guten-Morgen-Nachrichten. Und gerade als man glaubte, dass die Erinnerung vernarbt ist, taucht unterm Bett eine alleinstehende Socke auf, die früher so nervte, jetzt aber das Herz schmerzvoll zusammenziehen lässt. Wohin damit?

„Ich habe alles behalten“, erzählt meine Mitbewohnerin Pauline, als ich das Thema im Freundeskreis anspreche. „Mein Ex-Freund und ich waren sechs Jahre zusammen. Mehr als ein Viertel meiner Lebenserinnerungen teile ich mit ihm. Das kann ich sowieso nicht wegschmeißen, will ich auch nicht.“ In ihrem Bücherschrank steht immer noch ein eingerahmtes Foto, das beide in einer Umarmung zeigt.

Eine andere Freundin hat alle Fotos abgehängt, nachdem sie erfahren hat, dass ihr Freund sie betrogen hat: „Ich bin ja kein Masochist.“ Die Strategie von Sebastian liegt dazwischen. Er hat Sachen, die keine andere Funktion haben, als an die Ex-Freundin zu erinnern, weggeschmissen, „sie tun unnötig weh“. Die Gegenstände, die inzwischen zu seiner Geschichte gehören, und nicht nur zu ihrer gemeinsamen, hat er behalten. „Diese Tasse hat mir Nadine geschenkt, aber sie schreit nicht mehr: Nadine, ich vermiss dich“, sagt er beim Frühstück und zeigt auf die rote Tasse, aus der ich gerade Kakao mit Klümpchen trinke. „Sie erzählt auch von den zwei Umzügen und den Partys, die so voll waren, dass die Gläser nicht mehr ausreichten – und man Wein aus Tassen trank.“

Was mit den Überbleibseln passiert, hat mit der eigenen Erinnerungskultur zu tun, vermutlich hängt es auch davon ab, wie groß der Schmerz ist. Und manche Andenken lassen sich nicht wegschmeißen oder verstecken. Der Geruch von Après-Sun erinnert an ihre Hände, die im Urlaub den Sonnenbrand wegzucremen versuchten. Der Rauch seiner Zigarettenmarke. Ihre Joghurtsorte im Supermarktregal. Das Lied im Radio. Nirgendwo ist man vor den Auslösern sicher, die unweigerlich die Zurückspulen-Taste in einem Film ohne Happy End drücken. Man kann nur abwarten, bis sich der Nebel der Zeit über den Film legt, der früher so gestochen scharf war.

Mit den Spuren, die der Ex hinterlässt, haben sich auch Alexander Ahlert und Philipp Fleiter beschäftigt. „Was von der Liebe übrig bleibt“, so lautet der Titel ihres Buches, in dem sie 20 Trennungsgeschichten von schwulen Männern gesammelt haben, die sich um materielle und immaterielle Überbleibsel vergangener Beziehungen drehen: eine Geige, eine rot gestrichene Wand, das gemeinsame Lieblingscafé, das beide seit der Trennung meiden. „Die Liebe geht niemals so ganz“, schreiben die Autoren im Vorwort. „Immer bleibt etwas von ihr zurück. Die Spuren verblassen, stauben in dunklen Ecken vor sich hin oder verschwinden auf Jahre in irgendwelchen Schubladen, sie bleiben jedoch immer ein Teil von dir.“

Menschen, mit denen man einst sein Leben verwoben hat, verschwinden nie völlig. Die Redewendungen des Partners, sein Wissen und seine Geschichten flechten sich in deine Geschichte ein. Vergangene Beziehungen sind Bausteine deiner Persönlichkeit, man kann sie nicht amputieren, weil man dabei ein Stückchen von sich selbst abschneiden würde – womöglich sogar ein lebenswichtiges Stück. Doch wohin mit den greifbaren Andenken an die gescheiterte Liebe?

Man kann versuchen, die materiellen Scherben der Beziehung unter den Teppich zu kehren. Oder sie als Exponate im Museum der eigenen Vergangenheit aufzubewahren: In einem Karton auf dem Dachboden oder einem alten Koffer. Oder einem richtigen Museum, dem Museum der zerbrochenen Beziehungen in Zagreb. Die Ausstellungsstücke wurden von getrennten Paaren gestiftet: Umschnallbrüste aus Silikon, eine Beinprothese oder eine Axt, um die Möbel des Ex-Partners zu zerhacken.

Gegenstände, die traurige Liebesgeschichten erzählen, inspirierten auch die Fotografin Leanne Shapton zu ihrem Bildband „Bedeutende Objekte und persönliche Besitzstücke aus der Sammlung von Lenore Doolan und Harold Morris, darunter Bücher, Mode und Schmuck“. Verpackt als Auktionskatalog erzählt der Foto-Roman die fiktive Liebesgeschichte eines New Yorker Paars. Sie beginnt mit einer Halloween-Einladung und einer Serviette mit draufgekritzelter E-Mail-Adresse und endet mit unbenutzten Kinotickets und einer Restaurantrechnung. Darauf ein Dialog in Doolans und Harolds Handschrift: „Weinst Du? / Nein, Allergien / Du weinst.“

„Für jemand anderen ist es vielleicht einfach ein altes, ungewaschenes T-Shirt in der hinteren Schrankecke. Für dich ist es die Geschichte einer vergangenen Liebe“, schreibt Philipp Fleiter in seinem Buch. Die Überbleibsel sind mehr als Gegenstände, sogar mehr als Erinnerungen. Sie sind Symbole. Wer die Gegenstände wegwirft, signalisiert, dass er den anderen aus seinem Leben haben möchte. Es ist jedoch eine Illusion zu glauben, dass man Menschen genauso einfach aus dem eigenen Leben verbannen kann wie deren Krempel.

Vielleicht zeigt der Umgang mit den Sachen des Partners, wie viel er einem bedeutet, bedeutet hat. Natürlich reißt jedes Andenken an ihn Herzwunden auf – vor allem, wenn die Trennung noch frisch ist. Sie wegzuschmeißen ist aber sinnlos. Das sagt auch ein Protagonist aus „Was von der Liebe übrig bleibt“, der sich den Namen seines Ex- Freundes unter die Haut stechen ließ. Als er nach der Trennung beschließt, das Tattoo zu beseitigen, schüttelt der Tätowierer den Kopf: „Restlos entfernen geht nicht – da bleiben auf jeden Fall Narben zurück.“

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