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Blick auf die Staumauer der vollen Okertalsperre. Für die Flussgebiete der Oker und der Innerste warnte der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) vor einer weiteren Verschärfung der Hochwasserlage.

© dpa/Thomas Schulz

Update

Hochwasser durch „Zoltan“: Okertalsperre im Harz voll – Braunschweig rechnet mit Flutwelle

Wegen der Regenfälle und gesättigter Böden bleibt die Hochwasserlage in Teilen Deutschlands sehr angespannt. Die Okertalsperre im Harz hat ihre maximale Kapazität erreicht.

| Update:

Nach tagelangem Dauerregen infolge des Sturms „Zoltan“ hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) alle seine zeitweise für mehrere Bundesländer geltenden Unwetterwarnungen aufgehoben. Der Regen habe nachgelassen beziehungsweise an Intensität verloren, teilte der DWD am Dienstagmittag in Offenbach mit. „Bis auf Weiteres ist mit keinen ergiebigen Niederschlägen zu rechnen.“ Allerdings bleibe die Hochwasserlage an den Flüssen teilweise noch sehr angespannt.

Zuvor hatte der Wetterdienst vor ergiebigem Dauerregen in manchen Mittelgebirgen gewarnt. Betroffen waren zuletzt noch Teile von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wie es in einer Unwetterwarnung vom Montagabend geheißen hatte. Auch für Rheinland-Pfalz, Hessen, Bayern und Sachsen galten seit dem Wochenende zeitweise Unwetterwarnungen wegen des Dauerregens.

Die Okertalsperre im Harz hat ihre maximale Kapazität erreicht. Über den Überlauf der Staumauer werde nun mehr Wasser in die Oker abgegeben, teilte die Stadtverwaltung Braunschweig am Dienstag mit. Statt 16 Kubikmeter pro Sekunden fließen nun 30 Kubikmeter pro Sekunde in den Fluss. Die Hochwasserlage in Braunschweig werde diese Maßnahme weiter verschärfen, so die Stadt. Es werde erwartet, dass die Welle in den späten Abendstunden in der Stadt ankomme. Der Pegel am Eisenbütteler Wehr, der aktuell bei 132 Zentimetern stehe, könnte sich nach derzeitiger Prognose um etwa zehn Prozent erhöhen, so die Stadt.

Es sei möglich, dass der Überlauf an der Talsperre weiter geöffnet werden und sich die Wassermenge dadurch weiter erhöhe. Man gehe aber weiter davon aus, dass sich die durch die Oker und deren Nebenflüsse verursachten Überschwemmungen auf die ausgewiesenen Überschwemmungsgebiete beschränken. 

Einige an der Oker gelegene Straßen wurden gesperrt. In Celle sicherte die Feuerwehr nach eigenen Angaben ein Alten- und Pflegeheim. Dort müsse ein Sandsackdamm stetig erhöht und angepasst werden, hieß es am Dienstag. In Altencelle musste zudem ein Hund gerettet werden, der auf einer Erhöhung von den Fluten eingeschlossen war. Mehrere Straßen in Celle waren wegen der Hochwasserlage gesperrt. 

Mehrere Straßen in Heringen-Windehausen stehen auch am zweiten Weihnachtstag unter Wasser.
Mehrere Straßen in Heringen-Windehausen stehen auch am zweiten Weihnachtstag unter Wasser.

© dpa/Christoph Reichwein

Die Hochwasserlage in dem überfluteten und weitgehend geräumten Ort Windehausen in Nordthüringen ist nach Einschätzung der Einsatzkräfte stabil. Der Ortsteil von Heringen sei zwar nach wie vor vom Hochwasser eingeschlossen, jedoch sei an manchen Stellen bereits ein ganz leichter Wasserrückgang zu verzeichnen, sagte der Kreisbranddirektor für Nordhausen, Daniel Kunze, der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Entwarnung könne deswegen aber noch nicht gegeben werden.

Windehausen musste aufgrund der kritischen Lage am ersten Weihnachtsfeiertag komplett evakuiert werden. Am Dienstag wurde zudem ein Verbot zum Betreten verhängt. Damit solle die begrenzte Zufahrt für die Rettungskräfte frei- und Katastrophentouristen abgehalten werden, sagte Matthias Marquardt, Bürgermeister der Stadt Heringen, zu der Windehausen gehört.

Am Mittwoch wolle der Krisenstab entscheiden, ob und wann die Bewohner wieder in ihre Häuser zurückkehren können. Von den knapp 500 Einwohnern sind laut dem Bürgermeister noch rund 100 im Ort verblieben. 

Ein Traktor fährt durch die überflutete Ortschaft Windehausen in Thüringen.
Ein Traktor fährt durch die überflutete Ortschaft Windehausen in Thüringen.

© dpa/Stefan Rampfel

Es habe niemand in der bereitgestellten Turnhalle in Heringen die Nacht verbringen müssen. Es sei keines der Häuser einsturzgefährdet, allerdings gebe es weiterhin keinen Strom und auch die Toiletten funktionierten wegen der überfluteten Kanalisation nicht, sagte Marquardt..

In der Nacht zu Dienstag haben die Einsatzkräfte laut dem Kreisbranddirektor eine Saatgutproduktion in Windehausen vor Überflutung geschützt. Dafür seien vier Stunden lang mit Pumpen des Technischen Hilfswerkes (THW) 3,5 Millionen Liter Wasser bewegt worden, sagte Kreisbranddirektor Kunze.

Ein Bus fährt nach Windehausen, um Menschen aus dem Ort zu evakuieren.
Ein Bus fährt nach Windehausen, um Menschen aus dem Ort zu evakuieren.

© dpa/Stefan Rampfel

Indessen hat sich die Hochwasserlage am Dienstag in ganz Thüringen weiter entspannt. Auch in dem besonders betroffenen Gebieten in Südthüringen konnte Entwarnung gegeben werden, auch wenn die Lage weiter angespannt bleibt. Derzeit liegen noch vier Pegel in Süd- und Nordthüringen über der Meldestufe zwei. Das betrifft die Helme bei Sundhausen, die Werra bei Gerstungen sowie die Nahe bei Hinternah und die Schleuse bei Rappelsdorf.

Kampf um Deiche in Leer

Im niedersächsischen Landkreis Leer haben Hunderte Feuerwehrleute versucht, Deiche mit Sandsäcken zu stabilisieren und Deichbrüche zu verhindern. Feuerwehrsprecher Dominik Janßen sagte der Nachrichtenagentur AFP in der Nacht auf Dienstag, in der ostfriesischen Gemeinde Langholt sei ein Deich stark aufgeweicht und drohe zu brechen. Der Deich sei inzwischen „wie ein Pudding“.

Anwohner erhielten demnach eine Vorwarnung für eine mögliche Evakuierung, sollte die Lage sich weiter verschärfen. Eine Notunterkunft wurde bereits vorbereitet. Im nahegelegenen Hollen in der Gemeinde Uplengen sei die Lage „noch ein bisschen angespannter“, sagte Feuerwehrsprecher Janßen weiter. Auch dort sei ein Deich stark aufgeweicht, es gebe einen „sehr hohen Wasserdruck“ und erste „Risse“.

Warnung vor Sturmfluten an Nordseeküste

Der Deich an dem Bach Hollener Ehe war demnach auf einer Länge von 500 Metern so weich, dass Sandsäcke nur mit einer Menschenkette der Einsatzkräfte transportiert werden konnten. Später gab die Kreisfeuerwehr Leer vorsichtige Entwarnung für Hollen. Den Angaben zufolge standen zeitweise bis zu 600 Helfer auf dem Deich.

Wegen der Hochwasserlage hat die Stadt Oldenburg ein Betretungsverbot für Deichflächen und dortige Wege erlassen.

In Nordrhein-Westfalen bleiben nach Daten des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) von Montagvormittag die Weserzuflüsse stark betroffen. An mehreren Messstationen war die höchste Warnschwelle überschritten. Für die Deiche in Nordrhein-Westfalen bedeutete das Hochwasser eine starke Beanspruchung, teilte das Umweltministerium mit. An einigen Schutzanlagen im Land müssten Einsatzkräfte Stabilisierungsmaßnahmen durchführen.

In Hamm waren zahlreiche Einsatzkräfte am Dienstag weiterhin mit Sicherungsmaßnahmen beschäftigt, nachdem Schäden an einem Deich entdeckt worden waren. 

Evakuierung im Landkreis Mansfeld-Südharz

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) warnte vor Sturmfluten im Wesergebiet und an der niedersächsischen Nordseeküste. Konkret wurden Bremen, Bremerhaven, Elsfleth, Brake und Rechtenfleth an der Weser sowie Wilhelmshaven an der Nordsee genannt. Angespannt war die Hochwasserlage weiterhin auch in Teilen von Sachsen-Anhalt, Sachsen und Nordrhein-Westfalen.

Die Bremer Feuerwehr sprach von einer angespannten Hochwasserlage. Nahe dem Fluss Wümme standen zahlreiche Grundstücke unter Wasser. In einigen Bereichen musste der Strom abgestellt werden, für betroffene Bewohner wurde eine Betreuungsstelle eingerichtet. Im niedersächsischen Rinteln mussten am Dienstag mehr als hundert Anwohner einer vom Weser-Hochwasser überschwemmten Straße ihre Häuser verlassen, wie der NDR berichtete. In der Stadt Northeim brach ein Deich; die Wassermassen der Rhume strömten ungehindert in einen Freizeitsee.

Voraussichtlich noch bis Mittwoch ist der Bahnverkehr auf der Strecke zwischen Hannover und Magdeburg beeinträchtigt. IC-Züge würden in beiden Fahrtrichtungen umgeleitet und verspäteten sich dadurch um etwa 30 Minuten, teilte die Deutsche Bahn auf ihrer Internetseite mit. 

Wegen drohender Überschwemmungen am vollgelaufenen Stausee Kelbra und an der Helme hat derweil der Landkreis Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt) die Bewohner der Ortschaft Thürungen zur Evakuierung aufgefordert. „Alle Einwohnerinnen und Einwohner sind aufgerufen, bis spätestens 18 Uhr ihre Häuser zu verlassen“, teilte eine Sprecherin des Kreises am Dienstagnachmittag mit. Es handele sich um etwa 180 Menschen. Sie sollten sich zu Verwandten oder Bekannten begeben, hieß es. Eine Notunterkunft sei in der Ziegelhüttenstraße in Kelbra eingerichtet.

Entspannung in Bayern und Rheinland-Pfalz

Dagegen entspannte sich die Lage an den Flüssen und Bächen in Rheinland-Pfalz nach Einschätzung der Hochwasserzentrale zusehends. Am Oberrhein sinken die Wasserstände bis einschließlich Worms nach Angaben der Hochwasservorhersagezentrale bereits wieder. An der Mosel in Trier hat der Pegel den Angaben zufolge in der Nacht zu Montag mit 6,14 Meter den Höchststand erreicht. Seither seien dort sinkende Werte gemessen worden.

Auch die Hochwasserlage in Bayern hat sich etwas beruhigt. „Wir werden das weiter beobachten, aber da es keinen maßgeblichen Niederschlagsinput gibt, ist relativ absehbar, wie die Hochwasserwellen ablaufen werden“, sagte ein Sprecher des Hochwassernachrichtendienstes (HND). Franken und Ostbayern waren besonders betroffen vom Hochwasser. Faeser dankt Einsatzkräften

Faeser dankt Einsatzkräften

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) würdigte angesichts der aktuellen Lage den Einsatz der vielen Helfer vor Ort. „Ich danke den Einsatzkräften, die die ganzen Weihnachtstage über im Hochwasser-Einsatz waren und auch jetzt weiter Menschen vor den Wassermassen schützen“, sagte Faeser der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. „Tausende ehrenamtliche Helferinnen und Helfer sind zusammen mit den hauptamtlichen Einsatzkräften unermüdlich im Einsatz und können die Weihnachtsstunden nicht mit ihren Familien verbringen“, sagte Faeser weiter. „Was sie für uns alle leisten, verdient größte Wertschätzung und Respekt.“

Die Ministerin verwies darauf, dass die Hochwasserlage vielerorts angespannt bleibe. Der Bund werde die Länder vor allem durch starke Kräfte des Technischen Hilfswerks (THW) weiter unterstützen. Es gehe darum, „auch in den kommenden Tagen Deiche und Dämme zu sichern und gemeinsam mit den Feuerwehren alles zu tun, um unsere Bevölkerung in den von Hochwasser besonders betroffenen Regionen zu schützen und Menschen in Not zu helfen“, sagte Faeser. „Allein vom THW sind mehr als 2000 Einsatzkräfte vor Ort, um Wasser abzupumpen, Sandsäcke zu verbauen, die Stromversorgung zu sichern und Sturmschäden zu beseitigen.

Die Aussichten auf die kommenden Tage

In den kommenden Tagen soll die Dauerregensituation nach der Vorhersage des Deutschen Wetterdienstes (DWD) enden. Die Hochwassersituation werde sich allerdings nur sehr verzögert entspannen. Ende der Woche nehme die Regenmenge voraussichtlich wieder zu. Ohne Regenschirm sollte man das Haus zwischen den Jahren also nicht verlassen.

Am Mittwoch breitet sich Regen von Westen in den Nordwesten aus. Im Süden und Osten gibt es auch sonnige Abschnitte und es kommen teils zweistellige Temperaturen zustande: Die Höchstwerte steigen laut DWD auf fünf Grad im Nordosten und zwölf Grad am Oberrhein. An der See und im angrenzenden Binnenland wird es stürmisch.

Am Donnerstag ziehen leichte Niederschläge von der Mitte in den Süden. Im Südosten ist es der Vorhersage zufolge länger sonnig und auch Richtung Norden lockern sich die Wolken vorübergehend auf, bevor am Nachmittag im Nordwesten erneute Schauer fallen. Die Höchstwerte steigen auf sieben bis 13 Grad. Im Norden ist es stürmisch, über einzelne Berggipfel können orkanartige Böen fegen.

Der Freitag bleibt südlich des Mains überwiegend trocken, in Alpennähe scheint die Sonne, wie der DWD vorhersagte. Über die anderen Landesteile ziehen Regenschauer. Mit Höchstwerten zwischen acht und 14 Grad - am Oberrhein sind sogar 15 Grad möglich - bleibt es mild. (AFP, dpa)

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