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Die „Sea-Watch“ soll im Seegebiet zwischen Malta und der libyschen Küste Flüchtlingsbooten Hilfe leisten und Rettung einfordern.

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Interview mit "Sea-Watch"-Gründer Harald Höppner: „Wir sind kein Big-Brother-Container“

„Sea-Watch“-Gründer Harald Höppner über Journalisten bei der Seenotrettung, Extremsituationen, gute Storys und die Not vor Libyens Küste.

Herr Höppner, waren Sie überrascht von der medialen Aufmerksamkeit, die die Demission des RBB-Reporters Michael Hölzen von der „Sea-Watch“ bekam?

Wir waren vor allem überrascht von der Pressemitteilung des RBB zu dem Fall, die uns vorwirft, wir hätten unliebsame Berichterstattung verhindern wollen. Das ist falsch. Wir hatten uns letzten Endes mehr oder weniger im beiderseitigem Einverständnis von Michael Hölzen getrennt, da es bestimmte Bedenken, vor allem in der medizinischen Crew, gab, was das Format der Live-Berichterstattung angeht, die Michael Hölzen selbst auch nachvollziehen konnte.

Inwiefern?
Seine Berichterstattung war ja zum ganz großen Teil auch ziemlich positiv, wegen eines kritischen Wortes die Zusammenarbeit zu beenden, das wäre albern. Der RBB hat dann aber, aus unserer Sicht unberechtigte Weise, die Pressefreiheitskeule ausgepackt. Ab dem Moment war klar, dass darüber breit berichtet werden wird, die meisten haben unsere Position aber auch verstanden.

Haben Sie jetzt noch Reporter an Bord?
Es war in dieser Woche noch eine Reporterin des „Stern“ an Bord, nächste Woche kommt ein Dokumentarfilmer vom WDR.

Müssen Sie da nicht Sorge haben, dass so etwas wie mit Michael Hölzen wieder passiert?
Es ist ja Teil des Projektes, Öffentlichkeit herzustellen, dazu stehen wir. Die Journalisten an Bord haben Einblick in alle Vorgänge und dürfen natürlich kritisch darüber berichten. Es muss dennoch an Bord auch die Möglichkeit für vertrauliche Gespräche geben. Wir hatten das eigentlich für selbstverständlich gehalten. Michael Hölzen hatte allerdings darauf bestanden, alles berichten zu dürfen. So etwas würde in keinem ähnlichen humanitären Projekt zugelassen werden. Der RBB würde ja auch niemanden live aus der Redaktionskonferenz berichten lassen.

In einer ersten Stellungnahme von „Sea-Watch“ nach der Demission von Michael Hölzen hieß es, da es kaum Privatsphäre für die Crew gibt, sei jedoch besondere journalistische Sorgfalt nötig, gerade in potenziellen Extremsituationen. Solche Situationen gibt es doch immer wieder.
Für die Sicherheit an Bord ist es unglaublich wichtig, dass auch mal jemand sagen kann: „Ich traue mir dies oder jenes nicht zu“, ohne dass das sofort live im Radio gesendet wird. Das unterbindet ja in keiner Weise kritische Berichte. Außerdem gibt es beispielsweise Situationen, die von der ärztlichen Schweigepflicht betroffen sind. Es ist selbstverständlich, dass darüber nicht einfach so nach Gutdünken von Herrn Hölzen berichtet werden kann. Es hat ja auch einen Grund, dass es keine Webcams auf Rettungswagen gibt.

Haben Sie nach der Demission noch mal mit Herrn Hölzen gesprochen? Hat sich Ihre Meinung in dieser Sache geändert?
Wir hatten noch ein Gespräch mit Michael Hölzen, bei dem wir gemeinsam zu dem Schluss gekommen sind, dass es richtig war, das Experiment der direkten Live-Berichterstattung auf die Weise zu beenden. Das sah Michael ganz ähnlich. Wir wären sonst zum schwimmenden Big-Brother-Container geworden, das würde der dramatischen Situation auf dem Mittelmeer, um die es uns ja eigentlich geht, aber gar nicht gerecht werden.

Sie haben gesagt, dass sich „Sea-Watch“ nach der Rückkehr nach Deutschland darauf freue, eine ausgewogene Debatte über Journalismus in humanitären Hilfsprojekten zu führen. Ihre Wünsche dafür?
Wir glauben auf jeden Fall, dass es wichtig ist, Öffentlichkeit dafür zu schaffen, was auf dem Mittelmeer, vor der libyschen Küste passiert. Darum geht es, nicht um eine Abenteuergeschichte.

Vielleicht ist ein solcher Journalismus hinderlich fürs Gelingen des Hilfs-Projektes.
Nein, wir wollen, dass die Bilder von den Schlauchbooten in den Medien bleiben, weil sich hier zeigt, dass nach wie vor Menschen auf die Boote gezwungen werden, weil es für diese Menschen keinerlei legale Wege in die EU gibt. Das ist doch die Story, um die es geht. Das Schiff ist eine super Möglichkeit für Journalisten, vor Ort zu fahren und sich ein Bild von der Situation zu machen. Das ist sonst kaum möglich. Da fahren ja fast nur Militärschiffe rum. Natürlich darf da auch mal über unser Projekt selbst berichtet werden, aber das sollte nicht alles sein, sonst macht das tatsächlich keinen Sinn. Da sind wir aber zuversichtlich,

Wie würden Sie Ihren ersten Einsatz mit der „Sea-Watch“ bewerten?
Das war ein großer Erfolg, wir waren Teil mehrerer Search-and-Rescue-Operationen, da wird es für die Journalisten sicher einiges zu berichten geben.

Harald Höppner. Der Brandenburger hat das Projekt „Sea-Watch“ initiiert, ein ehemaliger Fischkutter, der bei der Seenotrettung helfen soll.

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