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Möchte man nicht begegnen: Oliver Masucci als Raik Doormann.

© Amazon Prime / Amazon Prime

Wieder mal True Crime: Selbstermächtigung mit Serienkiller

Der Amazon-Sechsteiler „German Crime Story: Gefesselt“ zeigt den Säurefassmörder Lutz Reinstrom als krassesten Ausdruck einer frauenfeindlichen Zeit – die Achtzigerjahre.

Das Fernsehen hat einen Fetisch: Serienkiller. Gerade hat sich Jeffrey Dahmer zu Biopics von Ted Bundy über Fritz Honka bis hundertmal Jack the Ripper gesellt, da widmet Amazon Prime dem Hamburger „Säurefassmörder“ Lutz Reinstrom nun ein Serienporträt („German Crime Story: Gefesselt“, sechs Folgen, Amazon Prime Video). Wobei Raik Doormann, so heißt er im Sechsteiler von Florian Schwarz (Buch: Dirk Morgenstern & Michael Proehl), anfangs ein normales Arschloch der Achtzigerjahre ist.

Weil sein Beruf dem Zeitgeist widerspricht, wird der Pelzhändler arbeitslos und lässt seinen Frust als Hausmann mit berufstätiger Frau an denen aus, die er auch vorher verachtet hat. Im selbstgebauten Atomschutzbunker unterm Vorstadthaus eskaliert sein verbaler Sexismus zur physischen Folter. Und wie Oliver Masucci Doormanns Machtgeilheit mit Charme und Schnauzer verkörpert – das ist von surrealer Wahrhaftigkeit.

Relevant aber wird „German Crime Story“ erst im Licht einer Gesellschaft, die Emanzipation von Staats wegen deckelt. Als Nela Langenbeck (Angelina Häntsch) alias Marianne Atzeroth-Freier, damals einzige Frau im Morddezernat, nach lächerlich mildem Gerichtsurteil 1992 weitere Geiselnahmen aufdeckt, tut sie es gegen den Widerstand ihrer Kollegen aus Justiz und Polizei.

Erst Nelas verbitterter Trotz macht „Gefesselt“ zu Historytainment, das – auch wenn arg gewaltverliebte Folterszenen oft die Täterperspektive zulasten der Opfer einnehmen – mehr will, als nur den nächsten Serienkiller zu porträtieren.

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