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Titelseite der "taz"-Dienstagsausgabe

© promo

Die "taz" verwandelt Kanzler in einen Käfer: Kafkaesk

Auf dem Titelblatt der "taz" liegt ein Käfer auf dem Rücken. Ist Kanzler Scholz damit gemeint? Ein Kommentar

Die Besten, die absolut Besten dieser Zeitung haben sich über die Dienstagsausgabe der „taz“ gebeugt und sind zu diesem Schluss gelangt: Es ist keine Kakerlake, was da auf seinem Rücken liegend auf der Titelseite gezeigt wird. Es ist ein Käfer.

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Der Bundeskanzler als hilfloser Käfer – taugt dieses Bild? Olaf Scholz war am Montag in Prag, um in der Geburtsstadt Franz Kafkas vor „kafkaesken Verhältnissen“ in der Europäischen Union zu warnen. In der „taz“-Perspektive wird Olaf Scholz zu Gregor Samsa, der in der Erzählung von Franz Kafka eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte und sich in ein ungeheures Ungeziefer verwandelt sah...
Der Tiervergleich ist fester Bestandteil so mancher Spottrede. Die Kabarettistin Luise Kinseher schimpfte Horst Seehofer 2012 als „Kuh Yvonne der CSU“, im Jahr zuvor war das entlaufene Rind durch Oberbayern getrottet. Sieht man die Vergleichsanthologie von Mensch und Tier, von Tier und Politiker durch, ist die Kuh, vulgo auch Rindvieh schon ziemlich weit vorne. Der Übersprung von der sprachgebräuchlichen „dummen Kuh“ zur spezifischen „dummen Kuh“ ist schnell bewältigt.

"Eichhörnchen auf Ecstasy"

Bei Menschen und Rindviechern ist es nicht geblieben. Der damalige FDP-Chef Philipp Rösler kam Kabaretistin Kinseher wie ein „quakender Froschlurch“ vor. Entertainer Harald Schmidt erkannte in der Grünen-Politikerin Claudia Roth ein „Eichhörnchen auf Ecstasy“. Diese Analogien berühren viele Grenzen, auf jeden Fall die Grenzen von Geschmack und Humor. Höflich waren sie nie, sind sie wenigstens komisch? In diesen Zeiten, wo jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, jeder Begriff nach fragwürdigen Konnotationen abgehorcht wird, ist die Empfindlichkeit enorm gewachsen, rascher denn je wird mit Empörung reagiert.

Kanzler-Kakerlake

In diesen Proportionen gesehen und bewertet ist der Käfer-Kanzler eine satte Beleidigung, weil gewollt oder ungewollt das Ungeziefer, sprich die Kanzler-Kakerlake mitschwingt. Wir jedenfalls legen uns auf den Rücken und strampeln pflichtschuldigst und solidarisch mit den Beinen.

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