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Kein altes Ehepaar. Die Ermittler Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch).

© HR/Degeto/Bettina Mueller

Ostermontags-Krimi erzählt Familiendrama: Frankfurter „Tatort“ bietet Horror-Einstieg vom Feinsten

Der „Tatort“ am Ostermontag beschwört den Schauplatz Familie herauf. Lohnt sich das Einschalten? Eine Kritik.

Die ersten drei Minuten der Frankfurter „Tatort“-Folge „Finsternis“ sind schön gruselig, ein Horror-Einstieg vom Feinsten: Das verliebte junge Paar scheint an der großen, vollkommen leeren Tankstelle ganz allein auf der Welt zu sein.

Anschließend balancieren sie zu zweit auf einem Fahrrad durch den vom Vollmond beschienenen Wald und witzeln über Werwölfe, als Hilferufe durch die Dunkelheit hallen. Ein Auto schaltet die Scheinwerfer ein, das Keuchen einer Gestalt ist zu hören. Mutig will die Frau der Sache auf den Grund gehen, am Ende stürzt sie mit ihrem Freund entsetzt aus dem Wald.

Im Bremer „Tatort“ trieb schon mal ein Vampir sein Unwesen, da wäre auch ein Werwolf keine Überraschung mehr. Zumal die Leiche der Frau, über die der Zeuge im dunklen Wald gestolpert sein will, nicht mehr zu finden ist. Aber Blutspuren sind schon vorhanden, und auch das Kennzeichen des in der Nähe gesichteten Autos hat sich die Zeugin gemerkt. Damit beginnt eine andere Art von Horrorfilm – eine, die in den Abgrund eines Familiendramas blicken lässt.

[„Tatort – Finsternis“, ARD, Ostermontag, 20 Uhr 15]

Petra Lüschow, die ihr Drehbuch selbst inszenierte, nimmt sich Zeit, den Schrecken einer buchstäblichen Auslöschung langsam, aber umso wirkungsvoller zu entfalten. Mit interessanten, nicht leicht zu durchschauenden Figuren und mit Angedeutetem und Unausgesprochenem lässt Lüschow Freiräume für die Fantasie des Publikums.

Auch die Kamera von Jan Velten sorgt dafür, dass hier von Beginn an eine unheimliche Spannung in der Luft liegt. Der Clou: Eigentlich ist nach einer Stunde ziemlich klar, wer was warum getan hat. Aber gerade dann zieht Lüschow die Spannungsschraube noch einmal an und entwickelt ein „Tatort“-würdiges Thriller-Finale.

Fastenwandern in den Pyrenäen

Das von dem jungen Paar beobachtete Fahrzeug gehört Maria Gombrecht (Victoria Trauttmansdorff). Ihr Mann Ulrich (herausragend: Uwe Preuss), ein unscheinbarer Berufsschullehrer, erklärt der Polizei, seine Frau sei zum Fastenwandern in den Pyrenäen aufgebrochen. Auch die beiden erwachsenen Töchter wollen nicht glauben, dass ihrer Mutter etwas zugestoßen sein könnte. Kristina (Odine Johne) ist schwanger und lebt mit ihrem Mann gegenüber.

Ihren an Leukämie erkrankten Vater hütet sie wie ihren Augapfel. Mit Schwester Judith (Julia Riedler), die mäßig erfolgreich als Theaterregisseurin in Berlin arbeitet und gerade wieder in ihrer Heimatstadt eingetroffen ist, gerät sie schnell in Streit. Ihre verschwundene Mutter verfügte über erhebliche Geldmittel und eine Großzügigkeit, auf die Judith gerne baute.

[Alle Folgen des True-Crime-Podcasts Tatort Berlin des Tagesspiegels finden Sie hier]

Dass es ein Verbrechen gegeben haben dürfte, daran besteht kein Zweifel mehr. Das Blut im Wald stammt von Maria Gombrecht. Ihre Leiche findet sich auch in dem Auto nicht, das die Polizei aus einem See fischt.

Je tiefer Kommissarin Anna Janneke (Margarita Broich) und Kollege Paul Brix (Wolfram Koch) graben, desto seltsamer wirken die Gombrechts. Judith verwickelt sich in Widersprüche, Kristinas Mann Freder (Casper Kaeser) sollte im Auftrag seiner Frau und seines Schwiegervaters die vermisste Maria ausspionieren und Ulrich verstört ohnehin durch beiläufig ausgesprochene Grobheiten.

Petra Lüschow gelingt es in diesem abgründigen Drama, den der Tat zugrunde liegenden Hass zu vermitteln, ohne die Gewalt explizit zu zeigen – und gleichzeitig das verschwundene Opfer wieder sichtbar werden zu lassen.

Ebenfalls überzeugend: Zwar dürfen Broich und Koch die Kommissare bei einer Scheidungsanwältin scherzhaft als „altes Ehepaar“ spielen, doch das Ermittler-Duo und sein unermüdlicher Helfer Jonas (Isaak Dentler) präsentieren sich als eingespieltes Team ohne private Nebenhandlungen. Insbesondere Kommissarin Janneke erweist sich als Menschenkennerin und gute Beobachterin.

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