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Ein DHL-Paketzusteller bei der Arbeit.

© imago images/Winfried Rothermel

Mahnungen für nie gekaufte Produkte: Als der Mitbewohner meine Identität klaute

Der Berliner, bei dem er zur Untermiete wohnte, kam ihm komisch vor. Aber er ignorierte die Warnsignale. Seitdem verbindet unser Autor eine unangenehme Erfahrung mit dem Ortsteil Moabit.

Den Witz vom sich entwickelnden Kiez, dessen Durchbruch seit Jahren auf sich warten lässt, hörte ich oft, als ich 2015 in den Norden zog: „Moabit kommt“.  Nach einem Auslandsemester suchte ich in der Hauptstadt dringend eine neue Bleibe. Nach vielen erfolglosen Bewerbungen fand ich in der Nähe der Station Beusselstraße ein WG-Zimmer zur Untermiete.

Mein neuer Mitbewohner und Vermieter wirkte nicht sonderlich sympathisch, aber getrieben von dem Wunsch, möglichst schnell ein ruhiges Plätzchen zu finden, um meine Abschlussarbeit zu schreiben, ignorierte ich ein paar Warnsignale. Das rächte sich bald.

Zunächst genoss ich aber die Umgebung meiner neuen Heimat und die Beusselstraße wurde zu meinem Dreh- und Angelpunkt. Ein damaliger Studentenjob bei einer PR-Agentur sorgte dafür, dass ich mehrmals die Woche frühmorgens die vielspurige Betonbrücke überquerte, um die Station der Ringbahn zu erreichen. Ende August erlebte ich so herrliche Sonnenaufgänge, die die Fabrikanlagen jenseits der Gleise in ein goldenes Licht tauchten und Industrie-Romantik erzeugten.

Die Beusselstraße wirkte auf mich wie eine Art Hermannstraße des Nordens, nur mit weniger dicht gedrängten Menschenmengen wie in Neukölln. Auf dem Weg zur Station holte ich mir oft einen Kaffee in der „Freundlichen Bäckerei“ und stellte überrascht fest, dass der Name, obwohl ich mich in Berlin befand, nicht ironisch gemeint war.

Nach ein paar Wochen reiste mein Mitbewohner für ein paar Wochen ins Ausland und vermietete sein Zimmer an ein Pärchen unter. Wir verstanden uns gut, gingen gemeinsam am Neuen Ufer joggen und trainierten an den dort aufgestellten Sportgeräten mit Blick aufs Wasser.

Als die beiden Berlin wieder verließen stellten sie fest, dass mein Mitbewohner ihnen nicht die Kaution ausbezahlte. Spätestens als mich mein Vormieter kontaktierte und mir mitteilte, dass unser Vermieter auf seinen Namen Produkte an eine Packstation im Ausland bestellt und Verträge abgeschlossen hatte, wusste ich, dass ich in der Klemme steckte.

Wie leicht sich Identitätsbetrug durchführen lässt, war mir nicht bewusst. 

Max Mergenbaum

Ich wusste, dass man eine Kaution nicht einfach überweisen, sondern auf ein Kautionskonto einzahlen sollte. Aber die Angst keine Wohnung zu finden, hatte mich unvorsichtig gemacht. Wie leicht sich Identitätsbetrug schon mit einer Passkopie durchführen lässt und man sensible Angaben vor der Weitergabe schwärzen sollte, war mir damals noch nicht bewusst.

In einer Nacht-und-Nebelaktion zog ich aus, um nichts mehr mit diesen Machenschaften zu tun zu haben. Vorübergehend schlief ich wie Harry Potter in einer Abstellkammer unter einer Treppe. Bald kamen zudem die Mahnbescheide für Produkte, die ich nie gekauft hatte, aber deren Rechnungen an mich adressierst waren, darunter eine Ray-Ban-Sonnenbrille für 350 Euro und Markenkleidung. Nach einigen Monaten und vielen Online-Anzeigen bei der Polizei war dann zum Glück Schluss damit.

Auch wenn die Beusselstraße nichts für meinen Ärger konnte, war Moabit für mich lange ein rotes Tuch. Mittlerweile haben wir uns aber wieder versöhnt. Konzerte in der Reformationskirche und Picknick am Neuen Ufer haben mich meine schmerzliche Erfahrung fast vergessen lassen. Es leben auch liebe Menschen in Moabit, ob der Kiez nun kommt oder nicht.

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