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Draußen kochen: Küche to go

Am Herd schön brutzeln unter freiem Himmel – ein Traum. Outdoor-Varianten machen’s möglich, luxuriös oder selbst gebastelt.

Oooooooooooooooooooooo“, hätte Kurt Schwitters gesagt und mit den Buchstaben gerollt. „dll rrrrr beeeee bö/dll rrrrr beeeee bö fümms bö.“

Der Herd ist weg. Dort, wo er sonst im Erdgeschoss steht, sich nach Bedarf auch dreht, nämlich mitten im Raum, ist nur noch ein kleines Rechteck im Boden zu sehen, unter der Klappe verbirgt sich der Starkstromanschluss. Der Herd ist aufs Pankower Dach gefahren und kocht: Lammragout mit Aprikosen.

„Ooh“, entfährt es dem Besucher, der mit dem Aufzug hinterherfährt und die Gemeinschaftsterrasse im fünften Stock betritt. „Oooooooooooooooooooooooo.“ In den Hängematten schaukeln die Kinder, in der Ferne blinkt der Fernsehturm, der Himmel strahlt mit den Anwesenden um die Wette. Die sommerliche Tafel ist gedeckt wie bei der Landpartie, mittendrin ein Feldblumenstrauß, der später umkippen wird, das Fladenbrot wartet schon darauf, in die Sauce getunkt zu werden. Gastgeber Lutz Nitsche sorgt für den letzten Schliff, schnibbelt die Frühlingszwiebeln und schiebt sie vom Brett in die Tajine, den marokkanischen Schmortopf mit Zipfelhut. Einmal umrühren, dann stoßen wir an mit Wasser und Wein. Wenn eins der Tegeler Flugzeuge über unsere Köpfe hinwegdröhnt, brüllen wir uns ein wenig an, danach ist es wieder so still, dass man die Vögel zwitschern hört.

So ist es, das mobile Küchenleben. Märchenhaft.

Draußen ist das neue Drinnen, der Spruch hat schon einen Bart. Sobald sich der erste Sonnenstrahl im Februar blicken lässt, zieht der Berliner an die frische Luft, wickelt sich in Fleecedecken ein und spielt Sommer. Das Wohnzimmer wird in den Garten verlegt, statt auf harten Gartenstühlen zu hocken, wirft man sich in die Outdoor-Lounge-Garnitur, die man gar nicht mehr reinholen muss. Neue Materialien machen’s möglich. Dann wird der Grill angeworfen und geht gar nicht mehr aus. Nur: Jeden Abend Würstchen und Steak, das wird schnell langweilig und ist auf Dauer ziemlich ungesund.

Was der reiselustige Deutsche in der Ferienwohnung in Italien, auf dem Campingplatz in Spanien oder auf der Terrasse in Kalifornien erlebt hat, möchte er nun auch zu Hause haben. Und so bieten immer mehr Hersteller „Outdoorküchen“ an, wie sie auch in Deutschland heißen, das meiste aus Edelstahl, mit ein wenig Holz zur Auflockerung. Das reicht von einzelnen Elementen über mobile Zeilen, mit Mülleimer und Tellerwärmer, Fritteuse und Wok, bis hin zur kompletten Küche mit Kühlschrank, Fernseher und Dach drüber. Schick und teuer, heißt die Devise, für eine Designerzeile legt man schnell mal 8000, 9000 Euro und mehr auf den Tisch.

Lutz Nitsche hat schon lange von einer mobilen Küche geträumt. Aus demselben Grund, aus dem viele eine offene Wohnküche haben wollen: damit der arme Koch nicht von Gästen und Familie isoliert vor sich hinarbeiten muss. Und um jeden Sonnenstrahl auszunutzen. Aber statt zum Küchenausstatter ging er in den Baumarkt und in die eigene Geschichte und baute mit einem Freund, dem Tänzer Kay Grothusen, das, was er seine Schwittersküche nennt. Kurt Schwitters, Künstler und Poet (das Eingangszitat stammt aus seiner „Ursonate“), Erfinder eines Dadaismus der eigenen Art, war ein Meister der Collage, der geklebten wie der gebauten. Nitsche ist zwar kein Künstler, aber hat viel mit ihnen zu tun: Der 44-Jährige arbeitet bei der Bundesstiftung für Kultur, seine Frau Stefanie Sembill ist zuständig für die Kulturveranstaltungen der niedersächsischen Landesvertretung. Und Nitsche bastelt gern.

Das Paar wollte eine Küche, die seinem Leben entspricht: immer in Bewegung. Zuerst lebten sie zu zweit in einer Altbauwohnung in Prenzlauer Berg, ziemlich bald kam Pina auf die Welt, drei Jahre später Fanny. Immer wieder wurde die Wohnung den Bedürfnissen angepasst, aber am Ende war sie einfach zu klein. So schlossen sie sich einer Baugruppe an, die in Pankow ein Holzhaus plante, vor knapp zwei Jahren zogen sie in ihre Erdgeschoss-Maisonettewohnung ein, mit Terrasse und Blick in den Gemeinschaftsgarten.

Die Küchenzeile im offenen WohnEss-Raum ist eine Collage des Lebens: geschnibbelt, gesägt und neu zusammengeklebt. Links ein Spind aus Sembills Studentenwohnung, daneben Fragmente des Küchenbuffets von Bernhard Heisig (das haben die beiden vom Sohn des Künstlers geerbt), weiter rechts dünne Schubladen aus dem Altersheim, in dem Nitsche seinen Zivildienst absolvierte. Zwischen all dem alten Holz moderne Geräte, Backofen, Kühlschrank, Spülmaschine.

Und die Krönung: der bewegliche Herd, der wie eine Miniküche funktioniert und schnell mal auf die Terrasse gerollt werden kann. Mobil, aber stabil und damit sicher, sollte er sein, d. h. auch: nicht zu schwer, weniger als 50 Kilo. Deswegen hat die Familie sich auch für nur zwei Gasplatten von der italienischen Firma Smeg entschieden, die man auch mit Strom betreiben kann. Die Installation haben sie, der Sicherheit wegen, einem Installateur überlassen. Zwei Flammen – fürs tägliche Kochen ziemlich wenig, aber Kartoffeln, Fisch und Gemüse werden im Dampfgarer zubereitet, außerdem kann der Backofen ja auch braten. Sparsam ist der Herd: Obwohl die Familie seit fast zwei Jahren darauf kocht, und sie kocht gern und viel, sind sie erst bei der dritten Propangasflasche angelangt, von denen eine nicht mal 20 Euro kostet.

Um der stabilen Mobilität wegen hat das Teil, das so groß wie ein Servierwagen ist, auch nur auf der einen Seite Gummirollen, zur anderen steht es auf der Seitenwand. Die Arbeitsfläche ist aus robuster Eiche, es gibt Haken für Handtücher und Regalfläche. Im Ruhezustand in der Küche stehen dort Müsli & Co.

Erst mal hat Nitsche einen Prototyp zum Ausprobieren gebastelt, dabei zum Beispiel gemerkt, dass er noch einen Griff zum Schieben brauchte. „Noch unausgegoren“, so der Küchenbauer, ist der Kampf gegen den Wind, der auf der Dachterrasse schon mal heftiger stürmen kann. Der selbst gemachte Steckschirm aus Plastik, der zudem die Fettspritzer bremsen sollte, ist schon zerbrochen. Jetzt kommt meist ein Stück Holz zum Einsatz. Den Korpus würde Nitsche heute nicht mehr aus Mdf-Platten bauen, sondern wie die Küchenzeile aus alten Möbelteilen. „Das kostet weniger und bringt mehr Geschichte ein.“

Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist: Die dänische Designerin Nina Tolstrup hat eine Outdoorküche zum Nachbauen entworfen, den Bastelbogen kann man sich von ihrer Website kostenlos herunterladen (http://www.studiomama.com/outdoorkitchen.html). Ihr Teil hat sogar etwas, was dem Schwitters-Herd fehlt: Wasser. Das kommt aus dem Gartenschlauch und fließt ab in die Gießkanne. Die Zutaten kriegt man im Bauhaus. Allerdings, warnt Tolstrup, ist die Umsetzung ihres Entwurfs ziemlich kompliziert. Sie selbst hat sich von einem Schreiner helfen lassen, das rät sie auch ihren Nachahmern. Aber eigentlich, sagt sie, sollten die Leute den Plan sowieso vor allem als Inspiration nutzen, den eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten anpassen. „Das muss nicht aussehen wie ein Designerteil, Hauptsache, es funktioniert und die Leute haben Spaß.“

Und was, wenn der nächste Winter kommt? Die Pankower Outdoorküche bleibt dann drinnen, wird wie ein normaler Herd benutzt, nur dass er sich zur Seite schieben lässt, wenn in der Küche getanzt oder Kindergeburtstag gefeiert wird. Die Hausbewohner treffen sich trotzdem im Garten, bringen heißen Punsch mit und rösten ihr Stockbrot über der Feuerstelle.

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