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2020 brach der Flugverkehr ein, die Lufthansa stand kurz vor der Insolvenz.

© imago images/Bearbeitung: Tagesspiegel

Freigiebiger als erlaubt: Was wurde aus den Milliarden-Hilfen für die Lufthansa?

Die Bundesregierung rettete die Airline 2020 vor der Corona-Insolvenz. Davon profitierten beide Seiten – zu Unrecht, wie EU-Richter urteilten. Das letzte Wort in der Sache steht noch aus.

Nur dank eines milliardenschweren Hilfspakets überlebte die größte deutsche Fluggesellschaft das erste Corona-Jahr. Ein Rückblick auf das turbulente Geschehen und seine Folgen.

1 Der Höhenflug

So konnte es nicht ewig weitergehen. Die zivile Luftfahrt erlebte wirtschaftlich in den 2010er-Jahren ein goldenes Zeitalter. Die Flugzeugflotten rund um den Globus wuchsen sprunghaft, die beiden großen Hersteller Airbus und Boeing kamen mit der Produktion zeitweise kaum hinterher. Schon bald operierten fast alle größeren Flughäfen an ihren Kapazitätsgrenzen oder auch darüber.

Viele Passagiere merkten, dass das System überfordert war. 2019 wurde das im „Chaos-Sommer“ der Luftfahrt über Deutschland und Europa deutlich. Und dann kam Corona. Die Flugzeuge blieben weltweit große Teile des Jahres 2020 komplett am Boden, auch 2021 fand nicht einmal die Hälfte der Flüge statt.

Im zweiten Corona-Jahr 2021 nahm der Flugverkehr langsam wieder zu, hier ein Bild vom Flughafen BER.
Im zweiten Corona-Jahr 2021 nahm der Flugverkehr langsam wieder zu, hier ein Bild vom Flughafen BER.

© dpa/Christoph Soeder

Die Airlines hatten über Nacht keine Einnahmen mehr, die Kosten für Personal, Infrastruktur und die Abschreibung der milliardenschweren Flugzeugeinkäufe aber blieben. In Deutschland half der Staat wie in anderen Branchen auch zunächst mit großzügigen Kurzarbeitsregelungen, doch damit kam die größte deutsche Airline gerade über die ersten Pandemie-Monate. „Wir waren nur noch Stunden von der Entscheidung entfernt, ob wir einen Insolvenzantrag stellen“, sagt ein Lufthansa-Sprecher.

2 Der Absturz droht

Lufthansa ohne eigenes Verschulden insolvent? Nicht mit Peter Altmaier (CDU). „Die Lufthansa gehört, wie andere Unternehmen auch, zum Tafelsilber der deutschen Wirtschaft“, verkündete der damalige Bundeswirtschaftsminister im Frühsommer 2020.

Da war die ehemalige Staats-Airline zwar schon seit mehr als 20 Jahren vollständig privatisiert, aber der Kranich auf dem Leitwerk repräsentierte für Altmaier und viele andere weiter ein starkes Deutschland rund um den Globus. Und von Lufthansa hänge das Wohl und Wehe der Branche und ihren hunderttausenden Arbeitsplätzen insgesamt ab, hieß es im Regierungsviertel.

Die staatliche Rettung wurde für die Bundesregierung zur Selbstverständlichkeit. Für Teile der Öffentlichkeit jedoch nicht. So golden die 2010er-Jahre für die Branche wirtschaftlich waren, so offensichtlich wurde, dass das Verkehrsmittel Flugzeug massive Umweltkosten verursacht. Das Klimabewusstsein wuchs in den Jahren vor Corona noch stärker als der Luftverkehr und in den Diskurs hielt das Wort „Flugscham“ Einzug.

Die Forderung der wachsenden Klimabewegung war deutlich: viel weniger Fliegen. Oder am besten gar nicht. Doch eine aufgeregte Öffentlichkeit war für die Bundesregierung in den ersten Pandemiewellen bekanntlich kein Hindernis, durchzuregieren. Die staatliche Rettung kam.

3 Holprige Landung

Bis zu neun Milliarden Euro aus Steuergeld sah das ausgehandelte Rettungspaket im Juni 2020 vor. Der Staat übernahm 20 Prozent der Anteile an dem Konzern. Und bekam zwei Sitze im Aufsichtsrat. Von den neun Milliarden Euro nahm Lufthansa in der Folge knapp unter sechs Milliarden in Anspruch.

Ein gutes Geschäft für die Staatskasse.

Olaf Scholz

Was damals etwas unterging: Die Einlagen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds und die Kredite der KfW waren mit Gewinnbeteiligung respektive Verzinsung zurückzuzahlen. Und das geschah recht zügig. Noch weniger Fans einer längeren Staatsbeteiligung bei der Fluggesellschaft als bei „Fridays for Future“ gab es nur im Lufthansa-Vorstand. Im Herbst 2021 waren die Rückzahlungen geleistet.

„Ein gutes Geschäft für die Staatskasse“ befand Olaf Scholz (SPD). Nach dem Verkauf aller Aktien lag das Plus für den Staat bei über 800 Millionen Euro. „Kluge Politik zahlt sich aus“, so der damalige Finanzminister.

In Deutschland war man zufrieden, doch die Luftfahrt ist regulatorisch längst eine europäische Angelegenheit. Genehmigen musste die Staatshilfen auch die EU-Kommission, die sich damit angesichts der Corona-Pandemie auch nicht schwertat. Das wiederum stieß dem Lufthansa-Konkurrenten Ryanair übel auf. Der irische Billig-Flieger klagte gegen die Genehmigung - und bekam im Frühjahr 2023 vor dem EU-Gericht Recht. Das Rettungspaket hätte es nicht geben dürfen.

Das ist zwar etwas peinlich für die Kommission, aber weitere Konsequenzen ergeben sich daraus nicht. Lufthansa hat vorsorglich trotzdem Berufung gegen das Urteil eingelegt – und eilt in diesem Jahr von Rekordquartal zu Rekordquartal.

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