zum Hauptinhalt
Die schwangere Rihanna bauchfrei in Los Angeles.

© GC Images/thecelebrityfinder/Bauer-Griffin

Emanzipation von Schlankheitsnormen : Endlich Bauchfrei für alle!

Das Bauchfrei-Revival hat dem Original aus den Neunzigern eines meilenweit voraus: Diesmal dürfen alle mitmachen, unabhängig von ihrer Körperform. Sogar Männer. Ein fantastischer Fortschritt.

Ein Zwischenruf von Julia Bähr

Wer einen Trend schon mal mitgemacht hat, betrachtet seine Rückkehr meist skeptisch: Hatten wir diese Mode nicht als Irrweg identifiziert und endgültig hinter uns gebracht? Also klammern Millennials sich an ihre Skinny Jeans und können es nicht fassen, dass die Jugend wieder diese Tattoo-Halsbänder aus Plastik trägt.

Aber es sind nun mal 25 Jahre vergangen. Alle Generationen haben das Recht auf modische Verfehlungen. Immerhin sind die bunten Plastikschnuller bislang nicht zurückgekehrt. Und manche Trends kommen so viel besser wieder, als sie damals waren.

Jetzt trägt man also wieder bauchfrei. Richtig bauchfrei, denn in den vergangenen Jahren waren Crop Tops zwar überall, aber zumeist in Verbindung mit in der Taille sitzenden Hosen oder Röcken. Man sah also höchstens einen kleinen Streifen des oberen Bauchs. Seit es mit dem Hosenbund wieder abwärts geht, hat sich das geändert. Die Jeans sitzen diesmal nicht so tief wie in den Neunzigern, aber doch deutlich unterhalb des Bauchnabels. Das lässt viel Platz für nackte Haut.

Gerade von dieser nackten Haut allerdings durfte man, als bauchfrei zuletzt angesagt war, auf keinen Fall zu viel haben. Der Bauch hatte flach und definiert zu sein, sonst mied man den Trend besser. Despektierlich wurden auch die sogenannten Muffin Tops betrachtet, also diese sympathischen weichen Stellen, die von engen Jeans nach oben getrieben werden. Der obere Teil ist übrigens das Beste an einem Muffin!

Role Model. Paloma Elsesser auf dem Cover des „ID Magazine“.
Role Model. Paloma Elsesser auf dem Cover des „ID Magazine“.

© i-D/i-D

Diese Perspektive fand allerdings im Jahrzehnt des abgemagerten Heroin Chic keine breite Mehrheit. Dünn war Pflicht. Es herrschte sogar die Überzeugung, dass es gute und schlechte (nämlich nach außen gestülpte) Bauchnabel gebe.

Auf der Straße sieht man Muffin Tops, Röllchen, weiche Bäuche, Nabel aller Art, haarige Männerbäuche.

Julia Bähr über den neuen Bauchfrei-Trend

Hier zeigt sich der zivilisatorische Fortschritt, der eben doch manchmal eintritt, auch wenn sich sonst alles nur immer zu wiederholen scheint: Bei der neuen Bauchfrei-Welle machen nicht nur die Durchtrainierten mit. Popstar Rihanna präsentiert ihren schwangeren Bauch auf den Straßen von Los Angeles (Foto ganz oben), das „ID Magazine“ hob kürzlich das Curvy-Model Paloma Elsesser mit nackter Körpermitte auf die Titelseite. Und auf der Straße sieht man an jeder Ecke Muffin Tops, Röllchen, weiche Bäuche, Nabel aller Art. Und auch haarige Männerbäuche.

Dass Männer diesmal mitmachen, ist vielleicht sowieso die beste Nachricht, denn es gibt zumindest anekdotische Evidenz dafür, dass sie unglaublich gut darin sind, Schönheitsnormen zu ignorieren und damit auszuleiern. Natürlich erst einmal nur bei sich selbst. Aber wenn nackte Bierbäuche über die Straße paradieren, fällt es anderen Menschen womöglich leichter, die eigenen Dehnungsstreifen zu ignorieren.

Endlich wird die Behauptung ein bisschen wahrer, dass Mode allen gehört. Nach Jahren der Diskussion darüber, dass im Prinzip ja alle tragen dürfen, was sie wollen, fangen Menschen an, es umzusetzen.

Kein Bierbauch, trotzdem ein Anfang. Gast bei der Pariser Fashion Week.
Kein Bierbauch, trotzdem ein Anfang. Gast bei der Pariser Fashion Week.

© Getty Images/Edward Berthelot

Sicher: Zu dieser neuen Freiheit für den Bauch gehört auch, dass manche sich anfangs überwinden müssen. Das Schlankheitsdiktat ist nicht verschwunden, es ist nur anders aufgestellt. Auf der einen Seite gibt es viele gute Vorbilder für Body Acceptance.

Auf der anderen Seite spielt der Körper durch die Verbreitung von Instagram und TikTok eine öffentlichere Rolle als je zuvor. Und Bäuche sind eine gute Angriffsfläche, auch im übertragenen Sinne. Seinen dicken Bauch zu zeigen, ohne sich dafür zu entschuldigen oder Witze darüber zu machen, provoziert immer noch manche Menschen.

Dass die ignoriert werden, ist genau richtig. Sie haben nämlich keine Argumente. Es sei unästhetisch, behaupten manche von ihnen, aber was soll das überhaupt sein, wenn keine reine Geschmacksfrage? Und selbst wenn es objektiv stimmte: Spielt es wirklich noch eine Rolle, ob man einer durchschnittlichen deutschen Fußgängerzone oder gar einem öffentlichen Verkehrsmittel ein bisschen mangelnde Ästhetik zumutet?

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false