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Flott unterwegs: Der Nissan Juke Nismo RS ist der schnellste Juke aller Zeiten.

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Fahrbericht Nissan Juke Nismo RS: Der Wolf im Discopelz

Mal ehrlich: Drehen Sie sich noch nach einem Ferrari um? Wohl eher nicht. Dann vielleicht nach einem Juke Nismo RS? Der ist ebenso selten auf deutschen Straßen zu finden, doch der sieht überdies so schrill aus, dass er überall Aufsehen erregt, egal wo er fährt oder parkt. Wir haben das bei unserem Praxistest mehrfach erleben können.

Nismo? Das ist für Nissan das, was die M GmbH für BMW oder AMG für Mercedes ist. Die schnelle Eingreiftruppe der jeweiligen Firma, um ein schnelles Auto noch schneller zu machen. Oder auch spaßiger. Nismo ist eine Kombination aus den Worten Nissan und Motorsport. Nicht besonders originell, aber dafür erfolgreich. Seit 1984 gibt es diese werksgetunten Modelle. In den vergangenen 31 Jahren ist die japanische Rennschmiede gegen viele der größten Automobilmarken angetreten und oft als Erster über die Ziellinie gefahren. Der „alte“ Juke Nismo hatte zwar 200 PS unter der schwulstigen Haube, war aber im Vergleich zur Konkurrenz  dennoch ein eher zahnloser Tiger. Deshalb legten die Japaner im vergangenen Jahr nach und zeigten auf dem Genfer Autosalon den Nismo RS. Nicht nur 18 PS stärker, sondern von der Nismo-Truppe rundum geschärft.

RS steht für Racing Sport. Ein optischer Kracher, der noch mehr polarisiert als bereits der normale Juke. Nur was für die Galerie oder tatsächlich ein Spaßmacher der besonderen Art, der raus sticht aus dem glatt gebügelten Mainstream der GTI ohne den so wichtigen Bauchkribbeleffekt? Wir haben dem schrillen Juke auf den heißen Reifen gefühlt, ob er sich auch so scharf fährt wie er aussieht. Immerhin verlangt Nissan als Einstieg in die bunte Spaß-Arena selbstbewusste 28.200 Euro, und mit ein paar wichtigen Extras sind es dann schon über 30.000 Euro. Zu viel Geld für einen Japan-GTI?

Außen und Innen

Der Juke Nismo RS wurde optisch aufgemotzt. Um den aerodynamischen Anpressdruck letztlich um 37 Prozent zu erhöhen, änderten die Japaner die Frontpartie, der Grill ist nun noch dominanter. Hinzu kommen neu geformte Seitenschweller und ein nicht übersehbarer Dachspoiler. Für den Auffall-Faktor gibt es beim RS rote Außenspiegelkappen und eine ebenfalls rote Akzentlinie,  welche sich vom vorderen Stoßfänger fast um das ganze Auto zieht. Dazu gesellen sich noch LED-Tagfahrleuchten sowie ein armdickes Auspuffendrohr und schwarze 18-Zoll-Leichtmetallfelgen.

Sportliches Design mit Abstrichen: Der Juke Nismo RS wurde im Cockpit nicht aufgewertet. Hier dominiert nach wie vor billiges Hartplastik.

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Auch im Innenraum wurde Hand angelegt. Das Sportlenkrad besitzt auf zwölf Uhr eine rote Markierung. Sie zeigt dem Piloten bei sportlicher Fahrweise an, wie die Räder gerade stehen. Der Rallye-Fahrer Rauno Aaltonen war der Erste, der sein Sportgerät mit diesem Hilfsmittel schmückte. Im Juke Nismo RS zieht mit dieser Markierung also etwas Rallye-Feeling in den Berufsverkehr ein. Ein netter Gag.

Das verloursbezogene Sportlenkrad ist sehr griffig, doch es fehlt etwas, was in dieser Sport- und Preis-Klasse eigentlich Standard sein sollte: Die Lenksäule lässt sich nur in der Höhe, nicht aber längs verstellen, so dass Fahrer überdurchschnittlicher Körpergröße damit rechnen müssen, ihre optimale Sitzposition nicht zu finden. Die Höhenverstellbarkeit der Sicherheitsgurte ist an sich ja gut, doch die Schiene reicht nicht so weit an der B-Säule hoch, wie die Recaro-Schalensitze es verlangen würden. Da sollte jeder Interessent vor dem Kauf besser genau ausprobieren, ob das alles für ihn so passt.

Spezielle Pedale sowie ein veränderter Schaltknauf sollen weitere sportliche Akzente setzen. Allerdings hat sich beim Cockpit nichts getan. Das bedeutet, dass auch die RS-Armaturentafel den „Klopftest“ nicht besteht. Sie ist hart und klingt hohl, weil sie nämlich aus billig wirkendem Hartplastik zusammengebaut ist. In dieser Preisklasse unüblich. Nur eine mit Wildleder bezogene Hutze über den Uhren bringt etwas Flair ins sportliche Auto.

Sitzen und Laden

Das Einfädeln in die exzellenten Rennschalensitze vom Spezialisten Recaro, die den Körper ebenso ausgezeichnet stützen wie sie ihn komfortabel umschließen, erweist sich jedes Mal als Schnelltest, wie gut der Bewegungsapparat noch funktioniert. Doch sitzt man erst einmal drin, will man gar nicht mehr raus. Diese auch optisch starken Schalen sind ihren hohen Preis von 1500 Euro allemal wert! Auch in der zweiten Reihe sitzt man überraschend gut. Trotz der coupéartig abfallenden Dachlinie reicht die Kopffreiheit für 1,75-Meter-Typen völlig aus. Und man hat sogar genügend Raum unter der Vordersitzen,  um die Füße anständig unterzubringen. Besser als in manch größerem Auto. Leider erweist sich der verdeckte Türgriff für die Fondportale als Fingernagelkiller.

Seine sportlichen Gene sieht man dem Juke Nismo RS auf den ersten Blick an, dafür sorgen viele prägnante Details.

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Ein Lademeister ist der Juke Nismo RS klarerweise nicht. Das Gepäck muss zunächst über eine mit 80 Zentimetern sehr hohe Ladekante gehievt werden. Nur 67 Zentimeter ist das Fach tief, bei umgeklappter Lehne sind es immerhin 1,43 Meter. Unter dem verstellbaren Ladeboden wartet noch ein 25 Zentimeter tiefes Abteil auf Krimskrams zum Verstauen. Aber 326 Liter sind mehr, als ein Mini Cooper zu bieten hat.

Fahren und Tanken

Laut Nissan soll der vorderradgetriebene Juke RS den Sprint von null auf Tempo 100 in sieben Sekunden erledigen. Nach ein paar Beschleunigungsversuchen auf einem still gelegten Flugplatz erscheint dieser Wert real. Der Turbo nimmt extrem willig Gas an. Aus einer Drehzahl von 2500 Touren lässt er sich problemlos bis in den roten Bereich hochdrehen. Wobei der rote Bereich hier im RS schwarz ist. Verkehrte Welt bei Nissan. Die Kupplung gefällt mit ihrem kurzem Weg und festen Trittwiderstand. Da erlebt man noch, was gute Mechanik in der Praxis bedeutet. Das trifft ebenso auf die bissige Bremse und das knackige Schaltgefühl der Sechsgangbox zu. Da kommt echtes GTI-Gefühl auf, so wie bei den flotten Autos vergangener Jahre. Das hat nichts mit diesem weichgespülten Sportsgeist zu tun, wie man ihn bei vielen modernen GTI vorfindet.

Das Fahrwerk ist der Nismo-Truppe richtig gut gelungen. Vor allem die Traktion des Fronttrieblers beeindruckt. Das Geheimnis liegt im serienmäßigen mechanischen Sperrdifferential. Vor allem beim Herausbeschleunigen aus Kurven wird das kurveninnere Rad ent- und das kurvenäußere Rad belastet. Dadurch tritt am inneren Rad ein stärkerer Schlupf auf,  bis es ebenso schnell oder schneller dreht als das kurvenäußere Rad. Doch nun kommt das Sperrdifferential ins Spiel. Es verhindert, dass das kurveninnere Rad durchdrehen kann und damit den Leistungsfluss auf die Straße unterbricht. Neben der möglichen höheren Kurvengrenzgeschwindigkeit untersteuert das Auto weniger, weil das äußere Rad nun mehr Kraft überträgt, was ein Eindrehen in die Kurve und sauberes Rausdrehen bei starkem Leistungseinsatz begünstigt. Der Nismo RS fährt sich so überaus stabil. Dazu trägt auch die stark überarbeitete elektromechanische Lenkung bei, welche eine gute Rückmeldung von der Straße gibt. Bei vollem Leistungseinsatz zerrt es allerdings schon im Lenkrad. Wer richtig sportlich fahren will, muss mit diesem Auto hart arbeiten. Doch das weckt alte GTI-Gefühle.

Sportlich und verspielt ist der Juke Nismo auch von hinten anzusehen. Dass er auffallen will, bezeugt er auch durch seinen bassigen Sound.

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Die Federung passt zum ehrlich-rustikalen Charakter dieses auffälligen Sportlers: sehr straff, aber nicht ungnädig hart. Denn sowohl Federn als auch Dämpfer – zehn Prozent straffer als beim normalen Juke - reagieren recht sensibel. Eine ausgewogene Sport-Abstimmung. Eher Spielerei ist die G-Force-Anzeige in der Driver-Info. Sie zeigt die Höhe der Querbeschleunigung an. Witzig ist die Schaltanzeige in diesem Sportler: Sie mahnt zum Hochschalten bereits bei dieseltypisch-niedrigen Drehzahlen. Na ja...

Und geradezu nervend ist der übereifrige Spurwechselwarner, der mit piep, piep, piep auf sich aufmerksam macht, wenn eine Linie überfahren wird. Also schaltet man ihn ab. Nur beim nächsten Start ist er automatisch wieder aktiv. Also erneut abschalten. Besser ist da schon die Möglichkeit, aus drei Fahrmodi auszuwählen: Normal, Sport und Eco. Der Spar-Modus bremst die Fuhre zwar spürbar, doch auf längeren Autobahntouren ist noch genügend Saft vorhanden und dafür der Durst gebremst. Auf der gut 1500-Kilometer-Testfahrt sind es schließlich im Schnitt 8,1 Liter Superplus, nur 0,9 Liter mehr als der Hersteller angibt. Wer allerdings öfter in die Nähe der möglichen Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h vordringt, fährt locker im zweistelligen Verbrauchsbereich. Und dann ist der 46-Liter-Tank zu klein.

Hören und Sehen

Der 1,6-Liter-Benziner klingt nach viel mehr als nur nach vier schmächtigen Zylindern. Er verblüfft mit einem geradezu rebellisch-rauem Sound. Bassig dröhnt es aus dem armdicken Auspuffrohr. Der Kleine kann ganz groß grollen. Also eine Eins für den Klang, der zwar stets auch Innenraum präsent ist, einem jedoch nie auf die Nerven geht. Selbst bei langen Touren nicht.

Ein Sportler muss keine so unübersichtliche Höhle sein wie die neue Mercedes A-Klasse. Trotz seiner gewöhnungsbedürftigen Form ist der Juke Nismo RS viel übersichtlicher als befürchtet. Nach vorn peilt man über die Leuchten, die Fenster erlauben einen ordentlichen Rundumblick, und die ungewöhnlich großen Außenspiegel erweisen sich beim Einparken als sehr hilfreich. Und für jene, welche auf Nummer sicher gehen wollen, gibt es ja noch den 360-Grad-Blick aus der Vogelperspektive per Kameras. Eine feine Sache.

Wählen und Zahlen

Viel zu wählen gibt beim Juke Nismo RS nicht. Nur ein – guter – Motor. Und nur eine Ausstattungslinie. Serienmäßig ist schon fast alles an Bord, vom Digitalradio bis hin zum übrigens guten Navigationssystem mit Google-Service und Rückfahrkamera sowie Metallic-Lackierung. Gegen faire 1150 Euro Aufpreis gibt es als einziges Extra das Technologie-Paket mit Around View Monitor für 360 Grad Rundumsicht, Safety Shield für 360 Grad Sicherheit inklusive Totwinkel-Assistent, Spurhalte-Assistent und Bewegungserkennung sowie dazu Xenon-Hauptscheinwerfer. Halt, es gibt eine – merkwürdige – Wahl. Wer den sonst vorderradgetriebenen Juke Nismo RS mit Allradantrieb haben möchte, muss ihn mit der stufenlosen Automatik X-Tronic nehmen, welche zu einem Sportler passt wie der Teufel zum Weihwassser. Obendrein zahlt er 1800 Euro mehr und hat vier PS Leistung sowie 20 km/h Höchstgeschwindigkeit weniger.

Gutes und Schlechtes

Dieser Juke Nismo RS gehört zu einer ganz speziellen Spezies – den GTIs, wie es sie vor zehn, 15 Jahren  gab: ehrlich, burschikos, lebensecht. Autos, welche nicht perfekt sind, die aber das Herz erwärmen können mit ihrer etwas ungehobelten Art. Zum Glück ist der Ur-GTI also nicht tot. Er lebt im Juke Nismo RS weiter, weil dieser nicht so perfektioniert wurde wie beispielsweise ein VW GTI, so dass auch das letzte Quäntchen an Frechheit herausentwickelt worden ist. Perfektion kann auch langweilen. Und das tut der Juke Nismo RS nicht. Dafür muss man aber bereit sein, Verzicht zu üben. Bei der Materialqualität, bei modernen Assistenzsystemen, beim Fahrkomfort. Wer das kann und will, für den ist dieser Juke Nismo RS nicht zu teuer. Er wird diesen ebenso rustikalen wie auffälligen Typen lieben lernen, auch wegen seiner Schwächen.

Stärken

Sehr individueller Auftritt

Sehr gutes Fahrwerk

Großer Spaßfaktor

Schwächen

Kleiner Tank

Großer Durst bei hohem Tempo

Nicht ganz billiger Spaß

Konkurrenz

VW Polo GTI

Peugeot 208 GTI

Mini John Cooper Works

Technische Daten Nissan Juke NISMO RS
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,14/1,77/1,57 Meter
Leergewicht 1342 Kilogramm
Kofferraumvolumen 326 Liter
Maximale Zuladung 418 Kilogramm
Sitzplätze 5
Tankvolumen 46 Liter
Motor Reihen-Vierzylinder-Otto-Motor mit Direkteinspritzung und Abgasturbolader, zwei oben liegende Nockenwellen 
Hubraum 1618 Kubikzentimeter
Getriebe 6-Gang-Handschaltgetriebe
Leistung (kW/PS) 160/218
Drehmoment 280 Nm bei 3600 Umdrehungen/Minute
Beschleunigung 0 - 100 km/h 7,0 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 220 km/h
Verbrauch laut Hersteller (innerorts/außerorts/kombiniert) 9,6/5,7/7,2 Liter
Verbrauch im Test 8,1 Liter
CO2-Emissionen / Effizienzklasse 165g/km / E
Typklassen (KH/VK/TK) 16/20/21
Preis als Basisfahrzeug 28.200 Euro
Preis des Testwagens 30.850 Euro

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