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Hübsches Ding: der Weißhandgibbon.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (68): Der Weißhand-gibbon

Diese Affen singen beinahe wie Vögel. Und das wird den Gibbons manchmal zum Verhängnis. 

Bruno singt. Jeden Morgen gegen 10 Uhr. Zehn Minuten, eine Viertelstunde lang schallt die Stimme des Gibbonmännchens durch den Tierpark, gar nicht unähnlich einem tropischen Vogel wie dem Beo. Ein Auf und Ab von hohen Tönen, die erst einmal sagen: Jungs, das ist mein Revier.

Egal, ob irgendein anderer Gibbon in der Nähe ist oder nicht. Oft fällt Weibchen Frieda in den Gesang ein, sie geben ein Urwaldduett zum Besten, ein Bekenntnis der Partnerschaft vielleicht. Stimmbänder strapazieren, der eine glockenhell, der andere fügt ein dunkles Grollen dazu, fertig ist die musikalische Morgenroutine.

Anschließend schwingen sich die Gibbons mit ihren langen, muskulösen Armen von Bambusstange zu Bambusstange, balancieren wie Akrobaten über die Balken und lassen sich sprichwörtlich hängen: an einem Arm das ganze Gewicht. Soll angeblich entspannen.

Bruno gähnt nun, er fläzt sich auf dem Bambus und schaut von seiner Affeninsel über das flache Wasser zu den Besuchern hinüber. Theoretisch könnte er hindurchwaten, doch Gibbons haben vor dem kühlen Nass so eine Angst, dass sie zwar meterhoch darüber hinwegschwingen, aber auf gar keinen Fall ihre Füße hineintauchen. Das muss so eine tief verwurzelte Furcht sein wie die Merkels vor einer Koalition mit den Linken.

Vier Weißhandgibbons leben derzeit auf der Anlage. Das Ehepaar Bruno und Frieda, der vierjährige Luke und die elf Monate junge Lara. Das kleine sandfarbene Weibchen hängt noch an der Mutter, die ein schwarzes Fell hat. Um die Aufzucht kümmert sie sich, auch wenn ansonsten die Beziehung zwischen den Eltern „gleichberechtigt“ ist, sagt Säugetierkurator Florian Sicks.

Er betont, wie einzigartig die Gibbons unter den Primaten sind. Nicht nur, dass sie singen, sondern beinahe lebenslänglich monogam sind. Das ist bei anderen Menschenaffen ganz anders. Da sind Vergewaltigung, Gruppensex oder Haremstrukturen an der Tagesordnung.

Aber der Gibbon ist ein sexuell genügsamer und emotional ausgeglichener Affe. Er wechselt seine Partnerin höchstens nach ein paar Jahren, um mit einer anderen zusammenzuleben, eine freundliche Scheidung in den Baumwipfeln. Man hat sich auseinandergelebt – „wie bei den Menschen“, sagt Sicks.

Eine Eigenheit gebe es doch. Manchmal finden Dreiergruppen von zwei Männchen und einem Weibchen im Dschungel von Thailand, Myanmar oder Sumatra zusammen, aber fast nie teilen sich zwei Weibchen ein Männchen. Woran das liegt, haben Forscher bisher nicht klären können. Dafür haben Wissenschaftler herausgefunden, dass jede der 15 Gibbonarten einen eigenen Dialekt hat. Wie ein Weißhandgibbon singt, verrät also etwas über seine Herkunft.

Diese einzigartige Fähigkeit, morgens laut und eindringlich die Stimme zu erheben, hat den Gibbons in ihrer Heimat allerdings geschadet. Für viele Einheimische sind die Sänger beliebte Haustiere. Und werden zu vermeintlichen Scherzen abgerichtet: Ein Gibbon, der raucht, zum Totlachen! Leider nicht für die Tiere. Sie sind durch Jagd und Wilderei stark bedroht. Gar nicht lustig.

WEISSHANDGIBBON IM TIERPARK

Lebenserwartung: etwa 40 Jahre

Fütterungszeiten:  keine festen Termine, demnächst gibt es aber kommentierte Fütterungen

Interessante Nachbarn: Riesentrappe, Kea, Katta

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