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Muss den Judenstern tragen: Martha Liebermann

© dpa / Foto: Stanislav Honzík

ARD-Film „Martha Liebermann“: Meinen Stolz bekommt Ihr nicht!

Von den Nazis in den Tod getrieben: Thekla Carola Wied spielt die Maler-Witwe „Martha Liebermann“.

Die Finsternis ist nur einen dramaturgischen Katzensprung und ein paar Filmschnitte entfernt. Martha Liebermann, die eben noch die Berliner Gesellschaft beim 80. Geburtstag ihres Mannes Max im Jahr 1927 empfing, schreitet über den Flur der herrschaftlichen Villa am Wannsee und wie durch einen Zeittunnel direkt ins Jahr 1943. Nun sieht man sie im schwachen Licht einer Wohnung, in die sie aufgrund ihrer Entrechtung durch die Nationalsozialisten umziehen musste. Der 1935 verstorbene impressionistische Maler Max Liebermann ist nur noch in den Gemälden präsent, die schemenhaft in den abgedunkelten Räumen zu erkennen sind.

Konzentration auf die letzten Lebenswochen

Der Fernsehfilm „Martha Liebermann – Ein gestohlenes Leben“ von Marco Rossi (Drehbuch) und Stefan Bühling (Regie) konzentriert sich auf die letzten Lebenswochen der jüdischen Witwe von Max Liebermann. Martha entzog sich der Deportation nach Theresienstadt im März 1943 durch Suizid. Hauptdarstellerin Thekla Carola Wied gab nach eigenen Aussagen selbst den Anstoß zu dem Film. Nach der Lektüre des Romans „Dem Paradies so fern“ von Sophia Mott konnte Wied die erfahrene Produzentin Regina Ziegler für den Stoff begeistern.

In der keineswegs nur glanzvollen Titelrolle liefert die populäre, während der Dreharbeiten 77 Jahre alte Schauspielerin eine eindrucksvolle Partie ab. „Ihre“ Martha Liebermann ist eine starke Frau, die sich ihren Stolz bewahrt, die bisweilen auch eigensinnig und schroff wirkt, aber auch auf Standesgrenzen pfeift und über Empathie und Menschlichkeit verfügt.

Allerdings erscheint die idealisierende Überhöhung manchmal auch etwas fragwürdig. Wie Martha Liebermann ihre Haushälterin Luise (Lana Cooper) vor dem Zugriff der Nazis zu schützen versucht, wird zu einem spannenden – und emotionalen – Höhepunkt des Films. Dass es sich dabei um pure Fiktion handelt, wird im Abspann erläutert. Aber wird das Martha Liebermann wirklich gerecht? Bedarf das Schicksal einer von den Nazis in den Tod getriebenen Jüdin weiterer Ausschmückung und tragischer Zuspitzung? Auch bei der musikalisch-melodramatischen Begleitung wäre etwas mehr Zurückhaltung wünschenswert gewesen.

Neben der Grand Dame Thekla Carola Wied überzeugt vor allem Franz Hartwig als Gestapo-Offizier Rudolf Teubner, der seinen Opfern mit einer höflich getarnten Eiseskälte nachstellt. Wer Hartwig in der ersten Staffel von „Der Pass“ gesehen hat, wird sich über die Besetzung nicht wundern. Überraschender ist schon, dass Lana Cooper hier als berlinernde Haushälterin zu sehen ist. Wenn Cooper als Luise im Dienstmädchen-Outfit zu Beginn verkündet, von Kunst verstehe sie „jenau so viel wie een Frosch von Jeometrie“, ist das gewöhnungsbedürftig. Aber es wird besser, gerade weil sie das Klischee der Berliner Schnoddrigkeit vermeidet.

In Deutschland ist es 1943 nicht nur wegen der angeordneten Verdunklung während des Krieges finster geworden. Martha Liebermann ist in ihrer Wohnung den Schikanen des Nazi-Regimes ausgeliefert. Auf die Straße zu gehen, vermeidet sie, wenn sie kann, weil sie dort den Stern tragen muss und somit Freiwild ist.

Für diese erzwungene Isolation hat Kameramann Jan Prahl eindrucksvolle, in trübem Dämmerlicht gehaltene Bilder gefunden. Die Inszenierung bleibt vergleichsweise reduziert, vor allem auf Martha Liebermanns Wohnung, zwei Straßenzüge, Teubners Gestapo-Büro, dazu später die Wohnungen von Luise und des Kunsthändlers Carl Solbach (Wanja Mues). Die Bombardements auf Berlin, die Anfang 1943 zunahmen, bleiben außen vor. Auch mit Nazi-Symbolen geht Regisseur Bühling dankenswerter Weise sparsam um.

Gleichzeitig erinnert der Film an den wenig bekannten Widerstandskreis um Hanna Solf (Fritzi Haberlandt), die Witwe eines ehemaligen deutschen Botschafters, die Verfolgten zur Flucht ins Ausland verhalf. Auch Martha Liebermann hat nach langem Zögern Anträge zur Ausreise gestellt. Sie wird nun von Hanna Solf, deren Tochter Gräfin Lagi von Ballestrem (Johanna Polley) und Baron Edgar von Uexküll (Arnd Klawitter) bedrängt, Gemälde zu verkaufen, um das von den Nazis geforderte „Lösegeld“ von 50 000 Reichsmark aufzubringen.

Damit der verbotene Verkauf der staatlich registrierten Bilder nicht auffällt, sollen Kopien von den Originalen angefertigt werden. Für Martha Liebermann wäre der Verlust ihrer Bilder besonders schmerzlich, denn: „Das ist mein Leben.“ Vor der Vernichtung stand bekanntlich die Entrechtung der jüdischen Bevölkerung – und ihre Ausplünderung. Diesen beispiellosen Raubzug zu thematisieren, macht den Film ebenfalls wertvoll.

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