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Wohin mit den vielen Kindern? Diese Frage kann in etwa jedem zweiten Berliner Kiez nicht beantwortet werden.

© dpa

Betreuungslücken auf einen Blick: Hier fehlen die Kitaplätze für Berlins Kinder

Die Jugendverwaltung stellt in fast jedem zweiten Kiez Bedarf an zusätzlichen Kitaplätzen fest. Im Vorjahr waren es noch erheblich mehr. Fachleute wundert das.

Die Lage bei der Kitaversorgung hat sich verbessert, wenn man dem neuen Kita-Förderatlas der Senatsverwaltung für Jugend folgt. Demnach hat sich die Zahl der Kieze mit dem höchsten Bedarf an neuen Plätzen innerhalb eines Jahres von 48 auf 31 reduziert. Beim Paritätischen Wohlfahrtsverband und dem Trägerverbund „Kitastimme“ löste diese Nachricht Verwunderung aus.

Zunächst zu den konkreten Angaben, die die Senatsverwaltung für Jugend kürzlich veröffentlichte: Sie besagen, dass die Lage in neun von zwölf Bezirken besser eingeschätzt wird als noch vor einem Jahr. So hat sich in Treptow-Köpenick die Zahl der Kieze mit besonders großem Mangel sogar von acht auf vier reduziert. In Marzahn-Hellersdorf blieben vier von sechs in der Kategorie, in Tempelhof-Schöneberg zwei von fünf.

In Mitte kamen allerdings zwei Kieze neu hinzu, die als besonders bedürftig in Sachen Kitaausbau angesehen werden. Es handelt sich um die Gegend um die Osloer Straße und die nördliche Brunnenstraße. Steglitz-Zehlendorf und Friedrichshain-Kreuzberg sind die einzigen Bezirke, die gemäß der Kategorien der Jugendverwaltung kaum noch zusätzliche Plätze brauchen.

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Experten finden den Atlas „kommentierungsbedürftig“

Zu der Frage, wie diese Angaben zu interpretieren sind, gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Denn angesichts der Zuzüge aus der Ukraine sowie der Tatsache, dass der Anteil der nicht betreuten Kinder im Vorschulalter seit Jahren steigt statt zu sinken, ruft die positive Tendenz des neuen Kitaatlasses Skepsis hervor.

20.000
neue Betreuungsplätze braucht Berlin laut Kitabündnis bis 2026.

„Der Atlas ist kommentierungsbedürftig“, sagte am Mittwoch Dorothee Thielen. Die Kitareferentin des Paritätischen Wohlfahtsverbandes erinnerte daran, dass das Deutsche Jugendinstitut (DJI) für Berlin einen Bedarf an über 17.000 neuen Plätzen bis 2026 errechnet hatte. Damit Eltern das ihnen gesetzlich zustehende Wunsch- und Wahlrecht bei der Kitaplatzsuche nutzen könnten, müssten sogar 20.000 neue Plätze entstehen, zitiert Thielen eine Prognose des Berliner Kitabündnisses.

Die Senatsverwaltung für Jugend ging unter der bisherigen SPD-Führung davon aus, dass im selben Zeitraum nur 5600 neue Plätze gebraucht würden. Dabei legte sie stets zugrunde, dass nur 50 Prozent der Eltern einen Kitaplatz für ihre Kinder unter drei Jahren wollen und nur 95 Prozent für ihre vier- bis sechsjährigen Kinder. Das DJI geht von einer viel höheren Nachfrage aus – die nur deshalb nicht zum Tragen komme, weil die Hürden vor einem Kitaplatz zu hoch seien.

Kita-Eltern haben ein gesetzliches Wunsch- und Wahlrecht.

Dorothee Thielen, Kita-Referentin

Die vorvorletzte rot-rot-grüne Koalition hatte sich daher vorgenommen, dass alle Eltern einen Gutschein für einen Kitaplatz zugeschickt bekommen sollten, sobald ihr Kind ein Jahr alt ist und somit einen Betreuungsanspruch hat. Umgesetzt wurde dieser Vorsatz nicht. Stattdessen ist der Mangel weiterhin so groß, dass die Bezirksämter es nicht einmal schaffen, den Kindern Plätze zuzuweisen, die mangels Deutschkenntnissen vor der Einschulung zum Kitabesuch oder zur anderweitigen Förderung verpflichtet wären.

Zu denen, die diese Notlage aus eigenen Anschauung kennen, gehört der frühere Neuköllner Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU), der seit dieser Woche Jugendstaatssekretär bei Neusenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) ist. Er kann künftig auf den Koalitionsvertrag verweisen, wonach „mehr Betreuungsplätze für Kinder aller Altersstufen“ geschaffen werden sollen. Kita-Platzerweiterungen und Kita-Platzerhalt durch Sanierungen sollen laut Vertrag „durch eine Ausweitung und Stärkung des Kita-Ausbauprogrammes auf Basis des Kita-Förderatlas“ erfolgen.

56.000 Euro kostet ein neuer Kitaplatz

Wie belastbar aber ist diese Erhebung beim Einsatz für die Bedarfsplanung? Der Umstand, dass er trotz des immensen Defizits von 5600 bis 20.000 Plätzen die Bedarfe in zahllosen Kiezen nach unten korrigiert hat, mindert das Vertrauen mancher Kitaträger in dieses Instrument.

„Intransparent“ nennt den Kita-Förderatlas denn auch Stefan Spieker vom Trägerverbund Kitastimme. Zwar seien 2022 einige neue Kitas ans Netz gegangen – die aber seien schon vor Jahren geplant worden. In den nächsten Jahren komme nur wenig Neues nach, sagt Spieker, infolge der gekappten Zuschüsse. Die jetzt im Haushalt eingestellten Gelder reichten nur für wenige hundert Plätze, gleichzeitig gingen bestehende Kitas vom Netz – wegen Kündigung von Mietverträgen oder wegen Baufälligkeit.

Tatsächlich kann das bisher im Haushalt vorgesehene Geld nur für einen Bruchteil der benötigten Kapazitäten reichen – selbst dann, wenn man die geringen, noch vom alten Senat errechneten Bedarfe zugrundelegt. Grund sind die gestiegenen Baukosten. Der Senat will den Trägern 30.000 Euro pro Platz zahlen, das Berliner Kitabündnis beziffert die Kosten bei Neubauten aber auf 56.000 Euro. Die Möglichkeiten, durch schlichte Ausbauten neue Plätze zu schaffen, sind größenteils erschöpft.

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