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Kolumnenseite – Besser wissen

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„Besser wissen“:: Indiana Jones und die Qualitätskontrolle

Der Paläoanthropologe Lee Berger berichtet in seiner Netflix-Doku gerne über spektakuläre Entdeckungen. Nach medialem Hype hagelt es nun Kritik.

Lee Berger wird gerne als der Indiana Jones der Paläoanthropologie bezeichnet, und tatsächlich hört sich alles immer ein bisschen nach persönlichem Abenteuer an, was er unternimmt, um unsere Vorfahren besser kennen zu lernen. So musste er abnehmen, um sich in die Rising Star-Höhle im südafrikanischen Johannesburg hineinzuzwängen, und einmal hat sogar sein Sohn ganz zufällig ein wichtiges Knochenstück des Australopitecus sediba gefunden.

Berger ist ein begabter Wissenschaftskommunikator, der in einer eigenen Dokufilmserie bei Netflix auftritt. Gerne hat er einen Schädel in der Hand, etwa eines Homo naledi, aus der sogenannten Tribus der Hominini, der wir Homo sapiens auch angehören. In seiner neuesten Publikation in der Zeitschrift eLife will er nun mit seinem Team gezeigt haben, dass diese Hominini, obgleich mit deutlich kleinerem Hirn als wir ausgestattet, über ein anspruchsvolles Sozialleben verfügten: Das Autorenteam ist überzeugt, dass Homo naledi ihre Verstorbenen bestatteten.

Lee Berger mit einem Schädel von Homo naledi
Lee Berger mit einem Schädel von Homo naledi

© imago images/Cover-Images/via www.imago-images.de

Viele Medien haben das aufgegriffen, weltweit: Waren wir Menschen schon viel früher schlau und sozial als gedacht? Muss die Menschheitsgeschichte neu erzählt werden? Wie toll!

Doch nun ist eine Kontroverse um diese Publikation entbrannt. eLife selbst hat nicht nur den zunächst eingereichten Artikel von Berger und seinen Kolleg:innen online gestellt, sondern auch die Kommentare der Gutachter. Diese lesen sich überwiegend vernichtend: „nicht den Standards unseres Forschungsfelds entsprechend“, „schwer nachvollziehbar“, „fehlende Quellen“. Auch die Zeitschrift Nature widmet dem Fall einen Artikel und kommt zu dem Schluss, dass für die These eines sozial differenziert handelnden Homo naledi noch die Nachweise fehlen.

Die Paläoanthropologie braucht, wie jede Forschung, Geld. Dafür generiert sie mediale Aufmerksamkeit, erzählt spannende Geschichten – und natürlich sollte Indiana Jones  idealerweise der erste sein, der den Stein der Weisen findet. Das führt dazu, dass Ergebnisse sehr schnell veröffentlicht werden.

Berger und seine Kollegen publizieren nach eigener Aussage lieber bei eLife, weil das hier schneller gelingt als bei anderen Zeitschriften. Damit ist die Idee in der Welt und wird von Medien aufgegriffen. Die wissenschaftliche Debatte wird erst danach öffentlich geführt. Dadurch dreht sich der Weg der Qualitätskontrolle um: Erst medialer Hype, dann Debatte und Kritik – statt umgekehrt.

Dabei braucht gute Wissenschaftskommunikation in erster Linie gute Wissenschaft. Sonst ist allen geschadet: Der Forschung, dem Vertrauen in die Wissenschaft, und den Medien. Vielleicht ist Indiana Jones doch besser im Kino aufgehoben.

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