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Esa-Pekka Salonen, der Organist Olivier Latry und die Berliner Philharmoniker.,

© Stephan Raboldt

Berliner Philharmoniker: Der Skandal bleibt diesmal aus

Esa-Pekka Salonen ist Komponist und Dirigent. Bei einem von ihm geleiteten Abend mit den Berliner Philharmonikern erklang jetzt sein Orgelkonzert.

Von Kilian Scholla

Der gespannte Zeitgeist am Beginn des letzten Jahrhunderts, als Uraufführungen epochemachender Werke wie Strawinskys „Le Sacre du printemps“, Bartóks „Der Wunderbare Mandarin“ oder Prokofjews „Skynthische Suite“ handfeste Skandale verursachten, scheint sich ganz in die wohlige Genügsamkeit unseres zeitgenössischen Konzertwesens aufgelöst zu haben.

Und doch gibt es sie noch: die neuen Werke. Esa-Pekka Salonen dirigiert die deutsche Erstaufführung seiner „Sinfonia concertante für Orgel und Orchester”, der französische Orgelvirtuose Olivier Latry musiziert auf der Schuke-Orgel von 1965 gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern.

Um es vorwegzunehmen: für den Skandal reicht’s diesmal nicht. Allerdings steht die expressive Klanglichkeit der oben genannten Werke Salonen keinesfalls fern, hier und da blitzen gar entfernte Anklänge auf. Mit Ravels „Ma Mère l’Oye“ und „Le Tombeau de Couperin“ sowie Bartóks „Mandarin“ ist das Orgelkonzert in ein farbenprächtiges Programm gebettet. Welch bezwingende Meisterschaft klingt doch aus der kühlen Serenität, der intim scharfen Transparenz der Ravel`schen Orchestrierung oder der wild-schrillen Clustertechnik eines Bartók.

Ein fantastischer Bartok

Es erübrigt sich an dieser Stelle, eine Lanze für letztere zu brechen. Auch die hohen Erwartungen an die Berliner Philharmoniker, die unter der Leitung Salonens einen referenzfähigen Bartók zustande bringen, werden vollends erfüllt.  Wie nun aber steht Salonens Kreation neben den alten Werken?   Schon seine Satzbezeichnungen: „Pavane and Drones“, „Variations and Dirge“, „Ghost Montage“ verraten die Nähe zur Gedankenwelt Ravels. Eine Pavane eröffnet gleichermaßen „Ma Mère l’Oye“, „Dirge“, die englische Bezeichnung für Klagegedicht, referiert auf „Tombeau“, den Grabstein. Der „Ghost“ verweist auf den „wunderbaren“, also geisterhaften Mandarin oder auf Ravels großen Klavierzyklus „Gaspard de la nuit“, den Zauberer der Nacht.

Süffiger Orgelpart

Ausgehend von den „Drones“, Orgelpunkten beziehungsweise minimalistischen, gehaltenen Streicher- und Orgelklängen, wächst der sinfonische Organismus in voller Besetzung mit süffigem Orgelpart zum eruptiven Klangkoloss des Finales heran. Leider lässt die fusionierte Klanggewalt von Orgel und dem von einfachen Linien durchzogenen, oft blockartig, etwas grob gepinselten Orchestersatz, Raffinesse vermissen.

Stilprägend sind übereinander geschichtete Ebenen in Polyrhythmen, eine von Strawinsky- und Messiaen-Einflüssen gespeiste Harmonik und beständig kreisende Zellen in Akkordbewegung, die in ihrer Statik zumeist in richtungslose Antiphrasen diffundieren.

Momente der Spannungssteigerung - sofern mit klischeegeladenen Schlagwerk- und Blechbläser-Gesten angegangen - driften schnell ins Epische, Filmmusikhafte. Die wenigen melodische Einfälle verlieren sich in abgespielten Skalen und Motiven, teils an der Grenze zum Primitiven.

Olivier Latry brilliert derweil mit Trillerketten, virtuosen Pedalkadenzen, gleißenden, clusterartigen Akkorden und einer durchweg flexibel-farbigen Registration. Zweifellos gelingen durchaus kunstvolle, Science-Fiction-Assoziationen evozierende Klangeffekte, gar gewinnende Momente Indessen zerfällt die große Form des Orgelkonzertes in Übersättigung und Langeweile.

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