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Schleife drum. Wer gibt, gibt einen Teil von sich.

© Kai-Uwe Heinrich

Schenken oder spenden?: „Wünscht euch was!“

Wasser für Malawi, Hundefutter für Rumänien: Immer öfter sind Spenden statt Geschenken gefragt. Schluss mit der Unsitte der karitativen Selbstdarstellung!

Der Trend geht zur Spende. Leider nicht zur monatlichen Abbuchung Richtung Unicef, Amnesty oder Greenpeace. Nein, zur Spende anstelle eines Geschenks. Als wäre die Welt plötzlich wunschlos glücklich und der Sinn der Geburtstags-, Tauf- oder Hochzeitsfeier die karitative Selbstdarstellung.

Da wird jemand 40 und in der opulenten Einladung sticht vor allem die Fußnote ins Auge: „Bitte keine Geschenke! Auch keine Blumen ...“ (Smiley, aber mit Ausrufezeichen). „Ich freue mich stattdessen über eine Spende für ...“ Inklusive Kontoverbindung wird das Ziel des Geldes detailliert beschrieben. Wasser für ausgetrocknete Dörfer Malawis, ein ökologisch-feministisch ausgerichtetes Berliner Start-up, hungrige Hunde in Rumänien und elternlose Kinder in Ruanda. Gebt Geld, überweist – aber kommt mir nicht mit Geschenken!

Gelte ich als egoistisch, wenn ich mir etwas wünsche?

Ich! Will! Aber! Schenken! Ich liebe Schenken! Ich habe kleine Listen, auf denen ich notiere, wenn mir plötzlich für jemanden etwas einfällt. Das schenke ich dann zu gegebenem Anlass. Nicht mehr schenken zu dürfen, beschränkt mich in meinem Wunsch, zu geben. Und: Wenn ich zu meinem eigenen Geburtstag weiterhin Geschenke möchte und nicht stattdessen Spenden einsammele – gelte ich dann als egoistisch, unempfänglich für die Nöte dieser Welt, nicht bereit, zu geben?

Der französische Soziologe und Ethnologe Marcel Mauss hat den Austausch von Geschenken als eine umfassende gesellschaftliche Tätigkeit bezeichnet. In seinem 1924 erschienenen „Essai sur le don“ („Die Gabe“) erläutert er wunderschön, warum Geschenke erwidert werden müssen: In der Gabe mischen sich Person und Sache, wer gibt, gibt einen Teil von sich, wer nimmt, macht eine „Fremderfahrung mit dem Anderen“.

Wer spenden will, soll spenden. In materiell befriedeten Gesellschaftsschichten halte ich die monatliche Spende für karitative Zwecke für eine Selbstverständlichkeit der engagierten Zivilgesellschaft. Natürlich geben wir ab. Und zwar denen, die wir besonders unterstützen möchten. Das kann bei jedem jemand anderes sein – das ist ja so fein an der Individualität –, so profitieren auch verschiedene Personen und Organisatoren davon.

Die Vorgabe des Spendenzwecks bei Festen, Partys, Geburtstagen und Taufen aber ist eine Nötigung im privaten Bereich. Habt ihr schon alles? Seid ihr so satt, dass ihr euch nicht mehr darüber freut, wenn ihr ein auf euch zugeschnittenes Geschenk erhaltet? Möglicherweise sogar selbst gemacht? Das Schenken, die Übergabe des Geschenks, ist ein fast intimer Vorgang. Wie wird ein Geschenk geöffnet? Und vor allem wann? Vor den Augen der Schenkenden? Oder später, allein, mit größter Aufmerksamkeit und späterer Danksagung?

Nichts geschenkt haben zu wollen, ist auch eine Absage an die Kreativität der Schenkenden. Der Subtext: Von euch will ich nichts, versucht erst gar nicht, etwas zu finden, das mir Freude macht. Wie schade. Was man sich dabei alles vergibt.

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