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Die neuen U-Bahn-Wagen der Baureihe "JK" sollen auf den Linien U1 bis U4 zum Einsatz kommen.

© dpa/Monika Skolimowska

Update

Dahinter steckt ein Milliarden-Deal: Wo die BVG 1500 neue Wagen für die Berliner U-Bahn bauen lässt

Bei Stadler in Pankow entsteht die neue U-Bahn für die Hauptstadt. Die ersten Wagen sind fertig, 2023 soll der Probebetrieb beginnen. Ein Werksbesuch.

Sie wird viele Jahrzehnte das Stadtbild prägen: die neue Berliner U-Bahn. Jetzt sind die ersten Wagen fertig, schon gelb lackiert, aber noch ohne Sitze, Räder und sonstige Innereien. Am Montagnachmittag zeigte Stadler-Chef Jure Mikolcic Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) und BVG-Vorstand Rolf Erfurt im Pankower Werk des Unternehmens, was in den letzten Monaten entstanden ist. Eingeladen hatte Stadler zum „Probestehen“, nicht Probesitzen.

Nach den Schwierigkeiten, die mit diesem Auftrag verbunden waren, ist es verständlich, dass auch ein Wagenkasten im Rohbau groß gefeiert wird. Die Berliner U-Bahn wird in Berlin gebaut, das hatte die Ausschreibung des Milliardenauftrags im Jahr 2019 ergeben. Dies hatte dem unterlegenen Konkurrenten Alstom nicht gepasst, der französische Konzern klagte gegen die Vergabe durch alle möglichen Instanzen.

Erst im März 2020 hatte das Kammergericht endgültig entschieden: Die BVG darf die maximal 1500 Wagen bei Stadler kaufen. Eigentlich sollten die ersten Wagen 2021 geliefert werden, so sah es der Plan vor, bevor Alstom seine Juristen losschickte. Die Verzögerung von einem Jahr kann nicht wieder aufgeholt werden.

Sicher ist, dass 1018 Wagen für zwei Milliarden Euro kommen, 756 für das Großprofil (Linien 5 bis 9), 262 für das Kleinprofil (Linien 1 bis 4). Das sieht der Verkehrsvertrag vor. So will die BVG ihre Flotte der U-Bahn komplett erneuern. Wenn dann später Geld da ist, könnten weitere 500 bestellt werden, sagte Senatorin Jarasch. Das wären dann drei Milliarden Euro.

Ende 2022 wird der erste Zug an die BVG übergeben

Der existierende Fuhrpark ist in die Jahre gekommen. Es gibt 1300 Wagen aus 17 verschiedene Baureihen, die meisten sind Jahrzehnte alt. Eine Serie, die „F79“ musste vollständig verschrottet werden, da irreparable Risse im Wagenkasten auftraten. Die Not ist so groß, dass im Fahrplan Takte ausgedünnt werden mussten. 2018 dachte die BVG sogar laut darüber nach, eine Linie ganz einzustellen – eine Drohung an die Politik, endlich neue Züge zu bestellen. Das ist die Vergangenheit.

Die Zukunft sieht so aus: Ende 2022 werde der erste Zug der BVG übergeben, versprach Mikolcic. 2023 werden die Prototypen getestet, am Ende auch mit Fahrgästen. „2024 merkt der Fahrgast, dass wir neue Züge haben“, sagte U-Bahn-Chefin Nicole Grummini. Bis Ende 2024 werden 192 Wagen im Einsatz sein, so Grummini, jeweils zur Hälfte im Groß- und Kleinprofil.

Rolf Erfurt, Vorstand Betrieb der BVG, und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) bei der Vorstellung von Berlins neuer U-Bahn-Baureihe in der Montagehalle im Stadler-Werk.
Rolf Erfurt, Vorstand Betrieb der BVG, und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) bei der Vorstellung von Berlins neuer U-Bahn-Baureihe in der Montagehalle im Stadler-Werk.

© Monika Skolimowska/dpa

Voraussetzung ist, dass sich die Vorserie bewährt – woran am Montag BVG-Vorstand Erfurt nicht zweifelte. Stadler habe sich deutlich verbessert, Erfurt sprach offen von einem „deutlichen Qualitätssprung in den letzten Jahren“. Was umgekehrt bedeutet: Die bislang von Stadler gelieferten Fahrzeuge sind schlechter.

Erst waren Gummidichtungen durchlässig, sodass Wasser eindrang ins Innere, zuletzt mussten Wagen unvorhergesehen in die Werkstatt, weil die Federungen kaputt gingen. Diese müssen nun nach und nach komplett ausgetauscht werden, sagte Erfurt. Die Wagen sind von der Serie IK17 – also von 2017.

Fließbandarbeit ohne Fließband

„Aus Berlin für Berlin“, wirbt Stadler, was nicht ganz stimmt: Die rohen Wagenkästen werden per Lastwagen aus dem ungarischen Stadler-Werk zugeliefert. Der Ausbau erfolgt aber in Pankow, für den BVG-Auftrag hat das Schweizer Unternehmen 100 Millionen Euro investiert in eine neue Werkshalle direkt am alten Mauerstreifen. „An einer Seite der Halle kommt der Wagenkasten rein, auf der anderen Seite die komplette U-Bahn raus“, hatte Jure Mikolcic vor wenigen Wochen im Tagesspiegel-Interview gesagt. Eine Art Fließbandarbeit, nur ohne Fließband – eben Taktarbeit.

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Stadler und Berlin sind für mindestens 45 Jahre auf Gedeih und Verderb aneinander gebunden, wie die frühere Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) vor zwei Jahren sinngemäß formuliert hatte. Denn der Auftrag umfasst nicht nur eine 13-jährige Bauzeit, sondern auch eine Ersatzteilgarantie für 32 Jahre. Wenn die Serienfertigung läuft, sollen alle fünf Werktage vier Wagen fertig werden. Ein enormes Tempo.

In den nächsten Jahren kommen bis zu 1500 neue U-Bahn-Wagen in Berlin zum Einsatz. 12 Wagenkästen befinden sich bereits in der Produktion am Stadler-Standort in Berlin-Pankow.
In den nächsten Jahren kommen bis zu 1500 neue U-Bahn-Wagen in Berlin zum Einsatz. 12 Wagenkästen befinden sich bereits in der Produktion am Stadler-Standort in Berlin-Pankow.

© Jörn Hasselmann

Die neuen Züge heißen „J“ für das Großprofil und „JK“ für das Kleinprofil, die BVG hat nach der vorangegangenen Baureihe „I“ einfach den nächsten Buchstaben im Alphabet genommen. Einen Spitznamen wie „Icke“ für die Baureihe I gibt es für die neuen Wagen noch nicht, vermutlich wird die BVG wieder die Berliner Schnauze um Rat fragen.

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Eine Vereinheitlichung auf nur noch zwei verschiedene Modelle soll die Instandhaltung und Wartung deutlich vereinfachen, zumal viele Teile identisch sein sollen bei den Waggons des Groß- und des Kleinprofils.

Verkehrssenatorin Jarasch sagte, dass mit den neuen Zügen der Kunde profitiere: Künftig sollen nicht zwei Züge in zehn Minuten kommen, sondern drei. „Das ist die gute Nachricht.“

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