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Nicole Schneiders und Björn Clemens im Lübcke-Prozess.

© imago images/Jan Huebner

„Veröffentlichung war ein Fehler“: „Berliner Anwaltsblatt“ löscht Interview mit Anwalt der rechten Szene

In der April-Ausgabe des Fachmagazins für Juristen erschien ein verharmlosendes Interview mit einem Anwalt der rechten Szene. Die Chefredaktion bedauert den Beitrag.

Das Fachmagazin „Berliner Anwaltsblatt“ reagiert auf Kritik von Leserinnen und Lesern und hat sich dazu entschlossen, ein in der April-Ausgabe veröffentlichtes Interview online zu löschen. Darüber hinaus werde man die kommende Ausgabe im Mai dazu nutzen, die Leserschaft transparent über den Rahmen des Beitrags zu informieren, teilte die Chefredakteurin, Astrid Auer-Reinsdorff, dem Tagesspiegel mit.

In der betreffenden Ausgabe, die unter dem Titel „Paralleljustiz“ erschien, findet sich ein zweiseitiges Interview mit dem Anwalt Björn Clemens. Clemens war in der Vergangenheit langjähriger Berater der rechtsextremen „Republikaner“ im Landtag Baden-Württembergs. Von 1993 bis 2007 war er Mitglied der Partei.

Als Anwalt vertrat er immer wieder Akteure der rechten und rechtsextremen Szene wie den NPD-Mann Udo Pastörs. Sowohl im NSU-Prozess als auch im Mordfall Walter Lübcke verteidigte Clemens einzelne Angeklagte. Der 56-Jährige war auch Vorstandsmitglied der „Gesellschaft für freie Publizistik“, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird.

Keine journalistische Einordnung des Interviewpartners

All das kommt bei der Vorstellung Clemens’ als Interviewpartner im „Anwaltsblatt“ nicht zur Sprache. Der Jurist wird lediglich als Strafverteidiger eingeordnet, der auch Mandanten vertritt, die die „deutsche Rechtsordnung und das Strafsystem“ ablehnen. Im abgedruckten Gespräch nutzt Clemens dann sogar Begriffe, die eindeutig der rechten Szene zuzuordnen sind.

So spricht der Jurist von „Mainstreampresse“ und einer „rechtsextremen Konspiration“ im Zusammenhang des Lübcke-Prozesses. An anderer Stelle im Interview wird Clemens mit dem Satz zitiert: „Leider kommt es häufig vor, dass der Prozess für den Staat ein Instrument ist, um den politischen Gegner zu bekämpfen.“ Bei keiner der Aussagen wird von den verantwortlichen Redakteuren kritisch nachgefragt.

Nicole Schneiders und Björn Clemens bei der Verteidigung von Markus H., Mitangeklagter im Lübcke-Prozess.
Nicole Schneiders und Björn Clemens bei der Verteidigung von Markus H., Mitangeklagter im Lübcke-Prozess.

© imago images/Jan Huebner

Zusätzlich ist im „Anwaltsblatt“ kontextlos ein großes Foto von Clemens mit seiner lächelnden Kollegin Nicole Schneiders abgebildet. Wie Clemens ist Schneiders bekannt dafür, Rechtsextremisten zu vertreten. Vom baden-württembergischen Verfassungsschutz wird Schneiders gar selbst der neonazistischen Szene zugeordnet.

Im NSU-Prozess verteidigte Schneiders Ralf Wohlleben, Unterstützer des rechten Terror-Trios. Bereits vor der Selbstenttarnung von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hatte Schneiders Kontakt zu Wohlleben. Sie soll Mitglied der NPD gewesen sein und nahm nach Angaben eines „Stern“-Berichts an zahlreichen rechtsextremen Konzerten, Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen teil.

Die Veröffentlichung in der vorliegenden Form war ein Fehler.

Astrid Auer-Reinsdorff, Chefredakteurin vom „Berliner Anwaltsblatt“

Diese wichtigen einordnenden Informationen waren der Redaktion des „Anwaltsblatt“ nach Aussage von Chefredakteurin Auer-Reinsdorff bei der Veröffentlichung des Interviews nicht bekannt. „Die Veröffentlichung in der vorliegenden Form war ein Fehler“, sagte die Juristin dem Tagesspiegel.

Außerdem sei dem Berliner Anwaltsverein und der überwiegend ehrenamtlich tätigen Redaktion des „Berliner Anwaltsblatt“ das Engagement gegen Rechtsextremismus „ein zentrales Anliegen.“ Man nehme die Angelegenheit zum Anlass, sensibler mit künftigen Themenbeiträgen umzugehen. Rechtsextremem Gedankengut wolle man keine Plattform bieten, heißt es weiter aus der Redaktion.

Herausgeber des „Berliner Anwaltsblatts“ ist der Berliner Anwaltsverein, der mit über 4000 Mitgliedern das größte lokale Netzwerk von Anwälten und Anwältinnen deutschlandweit repräsentiert. Das Fachmagazin erscheint monatlich.

Richtigstellung: In einer früheren Fassung des Artikels haben wir berichtet, dass Björn Clemens Vorstandsmitglied der „Gesellschaft für freie Publizistik“ ist, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird und Nicole Schneiders Mitglied der NPD ist. Richtig ist, dass Clemens aktuell kein Mitglied dieser Gesellschaft mehr ist und Nicole Schneiders in der Vergangenheit NPD-Mitglied war. Wir haben den Text entsprechend geändert.

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