zum Hauptinhalt
Wenn der andere Elternteil nicht zahlt, übernimmt erstmal das Amt den Unterhalt. Nur wann?

© Christian Charisius/dpa

Unterhaltsvorschuss in Berlin: Alleinerziehende warten weiter monatelang auf Unterhalt

Die Bezirke kommen mit der Bearbeitung der Anträge nicht hinterher. Dabei war der Anstieg aufgrund des neuen Gesetzes längst absehbar.

Von Sabine Beikler

In Berlin müssen Alleinerziehende nach der Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes ab 1. Juli weiterhin monatelang auf Unterhaltsvorschuss warten, weil die Bezirke nicht hinterherkommen. Das Problem ist der Senatsjugendverwaltung aber schon länger bekannt.

Schon vor der Gesetzesänderung betrug die Bearbeitungszeit in Berlin „im Regelfall durchschnittlich acht bis zwölf Wochen“, schreibt die Staatssekretärin für Jugend und Familie, Sigrid Klebba (SPD), in ihrer Antwort auf eine Anfrage der FDP-Abgeordneten Maren Jasper-Winter.

Unterhaltsvorschuss jetzt bis zum 18. Lebensjahr

2015 mussten die Bezirke 27 328 Anträge bearbeiten, 2016 waren es 26 631, und im ersten Halbjahr dieses Jahres lagen bereits 24 448 Anträge auf den Tischen der Sachbearbeiter in den Bezirken. Die Senatsverwaltung geht von zusätzlich 17 200 Fällen in diesem Jahr aus. Das entspricht bei rund 44 200 anspruchsberechtigten Kindern eine Steigerung um 64 Prozent.

Im vergangenen Jahr gab es 27 000 Kinder in Berlin, die jährlich Vorschussleistungen bezogen. Das galt für Kinder bis zum Alter von zwölf Jahren und höchstens für sechs Jahre. Seit Juli dieses Jahres können Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr einen Unterhaltsvorschuss erhalten. Der Vorschuss kann gewährt werden, wenn ein unterhaltspflichtiger, getrennt lebender Elternteil nicht oder nicht ausreichend zahlt.

Im Jahr 2016 wurde Unterhaltsvorschuss in 4215 Fällen in Marzahn-Hellersdorf gewährleistet, gefolgt von Lichtenberg (3044), Spandau (2601), Reinickendorf (2230), Tempelhof-Schöneberg (2158), Neukölln (2097), Pankow (2076), Mitte (2013), Treptow-Köpenick (1647), Charlottenburg-Wilmersdorf (1610), Friedrichshain-Kreuzberg (1587) und Steglitz-Zehlendorf (1353). Die genannten Zahlen bis 30. Juni 2017 lassen eine ähnliche Reihenfolge bis Ende des Jahres vermuten.

„Bezirke und Senat haben viel zu spät reagiert“

Weil die Gesetzesänderung zum 1. Juli nicht ad hoc kam, hatte der Senat jedem Bezirk ab Februar drei zusätzliche, unbefristete Stellen für die Bearbeitung von Anträgen auf Unterhaltsvorschuss gewährt. Danach wurden weitere drei Stellen pro Bezirk freigegeben.

„Eigeninitiativ“ hätten die Bezirke auch zusätzliche Stellen ausschreiben und besetzen dürfen, so der Senat. Das haben eben bisher nicht alle Bezirke umgesetzt: In Marzahn-Hellersdorf befinden sich gerade einmal drei weitere Stellen im Besetzungsverfahren, in Lichtenberg fünf, je sechs in Tempelhof-Schöneberg und Mitte, vier in Spandau, je drei in Steglitz-Zehlendorf, Reinickendorf und Treptow-Köpenick, zwei in Pankow, keine einzige Stelle in Neukölln, und Friedrichshain-Kreuzberg machte gar keine Angaben. Nur in Charlottenburg-Wilmersdorf sind sieben neue Stellen im Besetzungsverfahren.

„Bezirke und Senat haben viel zu spät reagiert“, kritisiert die FDP-Abgeordnete Jasper-Winter. „Die Situation ist keine Überraschung. Aber für Familien und Alleinerziehende ist Unterhalt existenzsichernd“, sagt Jasper-Winter. „Das Versagen von Rot–Rot-Grün habe dieses Mal ausgerechnet den sozialen Bereich getroffen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false