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Vorhang auf! Heute eröffnet der Zoo-Palast wieder.

© promo

Heute öffnet der Zoo-Palast: Vorhang auf!

Gefälschte Ausweise, Laserdinos und Oscarpreisträger. Der Zoo-Palast ist legendär, fast jeder hat irgendeine Erinnerung an das Kino in der City West. Vor der heutigen Wiedereröffnung haben wir die schönsten für Sie gesammelt.

Zoo-Palast, hat nicht jeder eine Erinnerung an dieses legendäre Kino? Wende! Wunder! Berlinale! Einige haben wir für Sie aufgeschrieben.

DAUERHAFT FALSCH

Berlinale 1986. An der Saaltür des Zoo-Palastes legte sich eine Hand auf meine Schulter: „Moment mal!“ Ich sollte, bitteschön, noch mal meine Berlinale-Dauerkarte vorweisen. In diesem Augenblick sah ich mich bereits im Gefängnis Tegel nach der Seife bücken. Meine Dauerkarte stammte aus einer Kreuzberger Hinterhofwohnung, in der ein geschickter Grafik-Student einen ganzen Stapel solcher Dauerkarten herstellte und für 50 Mark an studentische Cineasten verhökerte. Fünf Filme pro Tag schaffte man locker, zehn Tage dauerte die Berlinale, also kostete mich jeder Film eine Mark. Ein Angebot, das ich nicht ausschlagen konnte. Sechs Tage lang war es ja gut gegangen. Wir Dauerkartenbesitzer waren hoch angesehen, mussten nicht anstehen, sondern schlüpften einfach vorbei in Zoo-Palast, Filmkunst66, Marmorhaus. Wir lebten von Zigaretten, Kaffee und Pizza. Vor allem von den Filmen, von denen wir nicht genug bekommen konnten. Es war unser Paradies. Doch am sechsten Tag war es vorbei damit, der Schwindel aufgeflogen. Jetzt wurden die Dauerkarten genau kontrolliert, und die gefälschten wurden mitsamt ihren Besitzern aus dem Berlinale-Verkehr gezogen. Ich wollte auch nur diesen einen Film noch sehen. Und nestelte nun bleich meine falsche Dauerkarte heraus und wies sie schuldbewusst vor. Der Mann warf einen Blick darauf und winkte mich weiter: „Alles klar, viel Vergnügen!“ Johannes Groschupf

KNACKENDE FINGERNÄGEL

Ich war gewarnt worden. Der Film würde, so die Leitung der Berlinale, heftige Folterszenen zeigen. Das Interesse war trotzdem groß. Februar 1980, General Franco hatte vor gut vier Jahren das Zeitliche gesegnet, demokratische Hoffnungen keimten in Spanien, der offizielle Festival-Beitrag „Das Verbrechen von Cuenca“ sollte das wüste Treiben von Guardia Civil und Militär während der Diktatur dokumentieren. In Spanien hatte die Zensur diesen Film gar nicht erst in die Kinos kommen lassen. Die Berlinale als Ort der Freiheit. Ich starrte auf die riesige Leinwand, Metallstäbe wurden unter Fingernägel getrieben, Knochen knackten, Gliedmaßen wurden verbogen, Zangen bohrten sich in Fleisch. Dazu tönte das Schmerzensgeschrei der Gefolterten aus wuchtigen Boxen. Ich hielt mir die Augen zu, ich hielt mir die Ohren zu. Das ging so fünf Minuten, zehn Minuten, fünfzehn Minuten... Ich hielt es nicht mehr aus. Zum ersten und einzigen Mal verließ ich einen Kinosaal. Norbert Thomma

DDR-GIFTSCHRANK

Berlinale 1990. Sonst keinerlei Erinnerungen ans Festival mehr, nur diese kostbare: „Spur der Steine“ wird im Wettbewerb außer Konkurrenz im Zoo-Palast gezeigt. Natürlich sind die Karten in Windeseile weg, nur irgendwas hinten, oben, am Rand ist noch zu kriegen. Egal. Eine angespannte Vorfreude liegt über dem rappelvollen Saal. Schließlich gilt es, das bei der Premiere 1966 im Kino International durch gezielte Störaktionen mattgesetzte und als parteifeindlich und unsozialistisch eingestufte Defa-Meisterwerk des Regisseurs Frank Beyer zu sehen. Der berühmteste Film aus dem Zensur-Giftschrank der DDR! Bis vor wenigen Monaten hatte die in prachtvollem, schwarz- weißem Cinemascope gedrehte Baustellenbrigaden- und Liebessaga seither dort auf Eis gelegen. Dann waren Manfred Krug als raubauziger Zimmermann und Eberhard Esche als skrupulöser Parteisekretär immerhin schon wieder in ein paar DDR-Kinos zu sehen. Und jetzt die späte Würdigung auf der Berlinale! Sozusagen vor den Augen der ganzen Filmwelt. Aufregend. Dies ist keine Vorführung, wo irgendjemand raus- oder reinrennt. Hinterher gibt es tosenden Applaus, der noch einmal anschwillt, als Frank Beyer auf die Bühne tritt. Sichtlich bewegt darüber, dass sein Film nach 23 Jahren endlich den Ruhm erntet, der ihm gebührt. Dem weißhaarigen Regisseur, der jetzt schon ein paar Jahre auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof ruht, stehen die Tränen in den Augen. Mir auch. Gunda Bartels

LASERDINOS

1993 ist meine Tante aus Westdeutschland zu Besuch in Berlin und will ihre Neffen ins Kino einladen. Jurassic Park ist gerade der Film, den man gesehen haben muss. Und da man riesige Viecher auch in einem riesigen Kino sehen muss, plädieren mein Bruder und ich für den Zoo-Palast, Saal 1. Große Vorfreude, zumal eine Lasershow vor Filmbeginn angekündigt ist, mit Aufpreis natürlich. Die Show fällt dann sehr enttäuschend aus: Ein grünes Tyrannosaurus-Strichmännchen ruckelt über die Leinwand, macht den Mund auf und wieder zu, das war’s. Spielbergs Dinosaurier hinterher sind wesentlich beeindruckender.Lars Spannagel

OSCARREIF

Was ist schon so ein Oscar gegen eine Uhr! Gegen diese Uhr! Die einst Harper Lees Vater gehörte und die sie während der Dreharbeiten zu „Wer die Nachtigall stört“, der Verfilmung ihres autobiografischen Romans, Gregory Peck geschenkt hatte. Weil der sie so sehr an ihren Vater, Vorbild für die Hauptfigur Figur Atticus Finch, erinnerte. So hat das Gregory Peck selbst erzählt, am 19. Februar 1993 auf der Bühne des Zoo-Palasts, als ihm der Goldene Bär fürs Lebenswerk verliehen wurde. Stars in allen möglichen Variationen habe ich dort oben gesehen, aber am meisten beeindruckt, nein, begeistert hat mich Gregory Peck. Und nicht nur mich: Solch einen Begeisterungssturm habe ich nie wieder erlebt. Selbst als er später als Name in den Credits auftauchte und dann bei seiner ersten Szene als Atticus Finch, brach das Klatschen wieder los. Es war wie der Besuch eines seit Jahrzehnten vertrauten Freundes. Unzählige Geschichten, unzählige Leben hatten wir gemeinsam durchschritten, er auf der Leinwand, wir im Parkett. Ein Gentleman, wie Berlinale-Chef Moritz de Hadeln ihn rühmte, ein anderer Ehrentitel kam für Peck gar nicht infrage. Ein Mann, dessen „Please, sit down“, als der Jubel gar kein Ende nehmen wollte, nicht die geringste Spur von Koketterie aufwies. Der dann nicht wie üblich nur überschwängliche Dankesworte deklamierte, sondern erzählte, wie seine Karriere begann, vor 70 Jahren in einem kalifornischen Kaff. Ein Stummfilmteam sei aufgetaucht. „Damals dachte ich, diese Leute da, mit den orangefarbenen Gesichtern, müssten von einer andere Galaxie stammen“. Hätte ihm einer gesagt, er selbst werde einmal zum „orange staff“ gehören und später in Berlin diesen Bären entgegennehmen – na, er hätte nur gedacht: „Totally mad.“ Andreas Conrad

WELTRAUM-BETÄUBUNG

Die 90er Jahre: Es war die Zeit, in der dank Hackerfilmen wie „23“ und des Wiederauflebens der Star-Wars-Serie auch jugendliche Nerds wie ich aus dem nahen Moabit ihren Weg in den Zoo-Palast fanden. Im größten Saal applaudierten damals viele nach der Aufführung der digital aufgemotzten Weltraumsaga – eine Geste, die ich in Abwesenheit der Filmschaffenden reichlich merkwürdig fand. Noch weniger konnte ich aber mit der Lasershow anfangen, die den ehrwürdigen Hauptsaal des Zoo-Palasts damals besonders auszeichnete. Kaum waren Werbung und Trailer gespielt, strömte aus Düsen neben der Leinwand dichter Rauch, und elektronische Musik setzte ein. Beim ersten Mal fragte ich mich noch, ob ich Zeuge einer kollektiven Betäubung werden würde. Doch dann kamen die Laser und formten minutenlang allerlei geometrische Figuren und Flächen in den Rauch hinein. Ab dem dritten, vierten und fünften Mal verschloss ich bereits die Augen vor der immergleichen Show, um nicht geblendet zu werden. Dass meine Zeit im Zoopalast dann auch bald vorbei war, lag jedoch weder an den nervigen Lasern – da sparte manch Zuschauer übrigens auch nicht mit Applaus – sondern vielmehr daran, dass ich wegzog. Höchste Zeit für ein Revival – wie man hört, zum Glück ohne Lasershow! Alexander Riedel

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