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zitadelle spandau

© Promo

Spandauer Festung: Stars zieht’s in die Zitadelle

30 Konzerte, zehntausende Besucher, verstopfte Straßen: Die Spandauer Festung hat sich als Bühne etabliert - mit Stars wie Motörhead und Rage against The Machine.

Beim Gang über die Zitadellenbrücke bekamen selbst die harten Rocker von Motörhead und Rage Against The Machine verträumte Augen. Frösche quakten zwischen Seerosen, die Abendsonne spiegelte sich im Wassergraben.

„Wir haben hier ein unschlagbares Flair“, sagt Tom Spindler, 46, der Macher des Berliner Konzertveranstalters Trinity. Weil es nur einen Eingang gibt, werden die Bands bei ausgebuchtem Haus von Eiswerder aus mit einem Boot durch ein Tor in den dicken Festungsmauern in den urigen Zitadellenhafen gebracht. Die Jungs von B 52s, erzählt Spindler, baten nach dem Konzert um eine Sonderführung durch die Gemäuer und wollten am liebsten gleich einziehen.

Spindler kann das gut verstehen. Als er die Spandauer Zitadelle zum ersten Mal betrat, stand für ihn fest: Das ist die neue Location der Stadt. Drei Jahre ist das jetzt her und in dieser Zeit hat Spindlers Familie keinen gemeinsamen Sommerurlaub mehr gemacht. Denn in diesen sonnigen Monaten, zwischen Juni und August, stehen rund 30 Konzerte auf dem Programm.

Dabei war der Anfang nicht leicht. Anfangs kostete es Spindler noch viel Überredungskunst – und nicht selten einen kräftigen Zuschlag auf das Honorar –, Künstler von Weltrang für die Zitadelle zu begeistern. Inzwischen gilt die Festung selbst in britischen und amerikanischen Fachkreisen als Geheimtipp. Heute fragen internationale Künstler bei Trinity Concerts – die Agentur organisiert jährlich 600 Konzerte – nach freien Terminen. Meat Loaf, Juanes, Roger Cicero oder Chicago waren in diesem Jahr da, auch Ich & Ich sorgten für ein ausverkauftes Haus. Und Ian Anderson von Jethro Tull versprach laut Spindler beim Abschied: Wir kommen wieder. Auf jeden Fall.

Spindler setzt nicht nur auf Konzerte. Als er 2006, dem Jahr der Fußball-WM, das erste Citadel Music Festival startete, gab es für die Fans eine Riesenleinwand als kostenlose Zugabe dazu. Auch zur Europameisterschaft gehörte Public Viewing zum Programm. Weil so überraschend viele Anhänger kamen – oft mehr als 5000 – , musste die Polizei gar nachts die Straßen sperren, damit alle zum U-Bahnhof gelangten.

Um aus der historischen Zitadelle eine Freiluft-Konzertarena zu machen, musste Spindlers Agentur erst einmal kräftig investieren. Mehrere 100 000 Euro kostete allein der Bau der speziell für die Festung konstruierten Bühne, die nur während der kurzen Sommerphase genutzt werden kann und dann wieder demontiert und eingelagert wird. Denn von September bis Mai gehört die Zitadelle den hier überwinternden Fledermäusen und die haben behördlich festgelegten Anspruch auf den Schutz ihres Ruhebedürfnisses.

Spindler setzt auf das Erlebnis Zitadelle. Deshalb berechtigt das Konzertticket gleichzeitig zum Besuch der diversen Museen sowie Ausstellungen auf der Festung und meist noch zur After-Show-Diskothek. Auch die anderen Berliner Konzerveranstalter haben die Zitadelle entdeckt und buchen hier als „Untermieter“ ihre Künstler ein. Mit maximal 10 000 Besuchern ist die Festung eher selten eine Konkurrenz für die Wuhlheide (17 000 Plätze) oder Waldbühne (22 000 Plätze), auch wenn deren Betreiber über den Erfolg der neuen, alten Location mächtig staunen. In Spandau mag man es jedoch intimer. „Die Zitadelle fühlt sich wohl mit 5 000, 6 000 Leuten“, sagt Spindler.

Inzwischen kommen auch die Fans aus ganz Deutschland und dem Ausland, speziell aus England und Skandinavien. Zusammen mit den Spandauer Hotels werden Reisepakete angeboten und die kommunale Marketinggesellschaft hat Flyer drucken lassen, die Konzertbesuchern Lust auf die Kneipen und Restaurants im Kiez machen sollen. Die Altstadt liegt nur einen kurzen Fußmarsch entfernt.

Mit dem Bezirk hat Trinity einen Fünfjahresvertrag geschlossen – Verlängerung möglich. Bis der erste Vertrag abläuft, will Spindler das Festival nicht nur aus den roten Zahlen holen, sondern es auch zu „einem der großen Sommerfestivals in Europa machen“. Vor leeren Rängen fürchtet sich der Konzertmacher dieses Jahr nicht mehr, nicht bei diesem Programm: Gregorians (2. August), Nena (8. August), Neil Young (19. August), Robin Gibb (22. August), Abba Mania (23. August) und zum Saisonende Schiller (1. September). Außerdem gibt es am 29. August das Zita Pop Festival 2008 mit And One, Camouflage und Mesh sowie als Premiere am 9. August für alle Techno-Fans das Primary Colours Festival.

Doch im Kopf ist Spindler schon weiter, er plant bereits die nächste Saison. Dann soll die Zitadelle einen kleinen Bruder bekommen: Spindler will die winzige Freilichtbühne am Juliusturm ins Veranstaltungsgeschehen einbeziehen. Die ersten Künstler für 2009 sind schon unter Vertrag, ihre Namen aber noch geheim. Dafür verrät der Macher, wen er gerne mal auf die Zitadelle locken würde: David Bowie. Der, sagt Spindler, würde sich sicher gut vor der Kulisse machen.

Eines dürfte sicher sein: Spindlers drei, vier und acht Jahre alte Kinder werden wohl auch die nächsten Sommerferien auf der Zitadelle verbringen. Die Konzerte interessieren die Kinder wenig. Sie besuchen dann lieber die Ateliers der auf der Zitadelle ansässigen Künstler. Da dürfen sie auch mitmachen.

Rainer W. During

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