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Melancholische Musik: Fado-Sänger Pires: Schöner Schimmer der Schwermut

Telmo Pires ist Deutschlands einziger Fado-Sänger. Jetzt tritt der in Berlin lebende Portugiese hier auf.

Fado? Das ist doch dieser portugiesische Jammerfolk, den düstere Diven zur Gitarre deklamieren, während die Touristen in Lissabon in ihre Vinho-Verde-Gläser weinen. So lautet zumindest das Klischee über die im 19. Jahrhundert im armen Lissaboner Hafenviertel entstandene melancholische Musik, die auch weltweit gerühmte moderne Fado-Sängerinnen wie Mísia bis heute nicht ganz aus den Köpfen vertreiben konnten.

Höchste Zeit also, Deutschlands einzigen Fado-Solisten Telmo Pires, der jetzt sein neues Album „Sinal“ im Admiralspalast vorstellt, zu fragen, was so faszinierend daran ist, traurige Lieder zu singen.

Die sind doch gar nicht nur traurig, sagt er, und Folklore sei es schon gar nicht. „Mit seinem städtischen Hintergrund ist der Fado das portugiesische Chanson.“ Und das besingt ja auch in der französischen oder deutschen Variante die menschlichen Dramen. Fado heißt auf Deutsch Schicksal. Die Texte handeln von Liebesweh, Weltschmerz, Verlust, Schönheit und vor allem von der „Saudade“, der Sehnsucht nach einem Menschen, einer Stadt oder einfach einem anderen Leben.

„Mit diesem Musikstil, dieser Melancholie bin ich aufgewachsen“, sagt Telmo Pires, und zieht fröstelnd die Schultern hoch. Der gebürtige Portugiese ist so hübsch wie höflich und hat sich das Haus der Kulturen der Welt als Treffpunkt ausgesucht. „Das war als Konzertort einer meiner ersten Anker in der Stadt“, sagt Pires, der seit sieben Jahren in Berlin lebt. Von seinen fast 37 Lebensjahren hat er nur die ersten zweieinhalb ganz in Portugal verbracht. 1974, nach der Nelkenrevolution, zog Familie Pires zum Arbeiten nach Bottrop, wo der „Ausländerjunge“ Telmo daheim „mit den Stimmen großer Fado-Sänger“ aufwuchs, die für die Portugiesen in der Fremde ein Stück Heimat und Identität bedeuteten. So ist Telmo Pires’ Fado, den er nach seinem Gesangsdebüt als Chansonnier 1995 erst nach und nach für sich entdeckte und weiterentwickelte, auch die typische Migrantengeschichte eines zweisprachigen Wanderers zwischen den Welten. Inzwischen verbringt er viele Monate im Jahr in Lissabon. „Da bin ich Deutscher und hier in Berlin Portugiese“, sagt der Sänger lächelnd.

Nur drei der eleganten, charismatischen Songs auf dem in weichem Portugiesisch gesungenen Album „Sinal“ („Zeichen“) sind klassische Fados, die anderen hat Telmo Pires selbst getextet und mit der Berliner Jazzpianistin Maria Baptist komponiert. Klavier- statt Gitarrenbegleitung geht im Fado eigentlich gar nicht. Und schon gar kein Jazzpiano. Ob Pires sich als Erneuerer des Musikstils mit den arabischen Melodiebögen und Molltönen versteht? „Ich verstehe mich als gar nichts“, verneint er fast schroff, „dazu bin ich viel zu schüchtern“. Musik müsse nicht zerredet werden, befindet er und es klingt nicht wie eine Plattitüde, „die fühlt und versteht man beim Hören“.

Seine Wahlheimat Berlin hat Telmo Pires zuerst auch durchs Zuhören verstanden. Den ersten Sommer in der Stadt, die ihn schon als Bottroper Gymnasiast wegen ihres Völkergemischs faszinierte, hat er abends in den Jazzclubs B-Flat, Quasimodo, Schlot oder A-Trane verbracht, erzählt er. „Ich kannte ja niemanden.“

Sein Fado gehöre genauso nach Berlin wie nach Lissabon, sagt Pires, und sucht nach Worten, um den Zauber Berlins zu beschreiben. Die Dreckecken, die historischen Narben gehören für ihn zwingend dazu und „wie die ganze Stadt guckt“. Guckt? „Ja, wie sie sich herausputzt, um mit anderen Metropolen zu konkurrieren.“ Einen ersten Fado über Berlin hat Telmo Pires schon geschrieben. Liegt allerdings noch in der Schublade. Sicher ein schön sehnsüchtig schimmerndes Lied.

Admiralspalast, Dienstag 26.5., 20 Uhr, 20 Euro

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