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Der Historiker Ulrich Herbert - ein Freund streitbarer Thesen.

© Thomas Kunz

Historiker Ulrich Herbert im Interview: "Russlands aggressive Politik macht gemeinsames Gedenken schwierig"

Die meisten westlichen Staats- und Regierungschefs machen zum 70. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Hitlerdeutschland einen Bogen um Russland. Grund ist die Ukraine-Krise. Auch der Historiker Ulrich Herbert sieht in der Expansions-Politik Wladimir Putins ein Problem.

Von Hans Monath

Zum 50. Jahrestag des 8. Mai im Jahr 1995 gab es einen Staatsakt in Berlin – mit Präsidenten, Vizepräsidenten und Premierministern aus Washington, Paris, London und Moskau. Solch gemeinsames Gedenken ist vor allem durch die Politik Russlands im vergangenen Jahr schwieriger geworden, sagt der Historiker Ulrich Herbert im Interview mit dem Tagesspiegel. Die gemeinsame Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und die Verurteilung der Verbrechen des Nationalsozialismus habe 1995 noch einigend gewirkt - "zwanzig Jahre später gibt es ein solches Bedürfnis nach einer symbolischen Gemeinsamkeit in Bezug auf den 8. Mai 1945 in geringerem Maße, und die Abscheu gegenüber den NS-Verbrechen reicht als gemeinsame Klammer nicht aus", sagt Herbert. Da bedürfe es eher positiver Wertbezüge. "Zudem machen neue Konflikte ein solches gemeinsames Gedenken viel schwieriger." Herbert erinnert dabei an Russlands Vorgehen in der Ukraine und die Krim-Annexion: "Angesichts des eklatanten Völkerrechtsbruchs durch Moskau kann man im Westen nicht so tun, als sei nichts passiert. Das gemeinsame Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs wird dadurch schwieriger, weil eine solche Aggression den Verpflichtungen, den Lehren, die man 1945 aus dem Krieg ziehen wollte, widerspricht."

Dabei gehe es nicht nur um politische Instrumentalisierung. "Die gab es ja auch im Westen", sagt Herbert. "Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist in Russland bis heute in allen Schichten sehr lebendig. Die Wunden sind so tief, dass sie auch nach mehreren Generationen nicht vernarbt sind. Russland hatte als Opfer des deutschen Vernichtungskrieges von allen Weltkriegs-Ländern bei weitem die meisten Toten zu beklagen. Das prägt die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland und wird es auch in Zukunft tun."

Zur Frage, ob es richtig sei, dass Kanzlerin Angela Merkel nicht an der Siegesparade in Moskau am 9. Mai teilnehme, sagte Herbert, er sei froh, das nicht entscheiden zu müssen: "Es ist ein Abwägungsprozess, nämlich einerseits gemeinsam mit anderen westlichen Staaten diese Völkerrechtsverletzung klar zu verurteilen, auf der anderen die politischen Kontakte nach Moskau weiter zu pflegen."

Lesen Sie ganze Interview heute Abend ab 19.30 Uhr im Tagesspiegel E-Paper oder am morgigen Sonntag in der Tagesspiegel-Printausgabe.

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