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Ein Demonstrationszug zieht in Gedenken an die Opfer vom rechtsextremen Anschlag in Hanau vom Hermannplatz zum Rathaus Neukölln.

© imago images/Future Image / Friedrich Bungert via www.imago-images.de

Update

Rechtsextreme Anschläge in Neukölln: Berliner Gericht spricht Tilo P. vom Vorwurf der Brandstiftung frei

Das Amtsgericht Tiergarten hat am Donnerstag ein Urteil zur Neuköllner Anschlagsserie gesprochen. Lediglich für rechtsextreme Schmierereien gab es eine Geldstrafe.

| Update:

Tilo P. stützt das Gesicht in die Hände, reibt sich die Augen. Es bleibt unklar, ob er betroffen oder gelangweilt ist – zumindest kann er offenbar nicht glauben, was er da gerade gehört hat. Im Urteil wurde der frühere AfD-Politiker am Donnerstag beim Anklagepunkt des Brandanschlags aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Für rechte Schmierereien wurde er zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu 30 Euro verurteilt. Konkret wegen Sachbeschädigung in acht Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Volksverhetzung. Zuvor hatten die Vertreterinnen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer gefordert, dass P. zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt werden sollte.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat Tilo P. dem Mitangeklagten Sebastian T. Beihilfe geleistet, als dieser in zwei Fällen die Autos vermeintlicher politischer Gegner angezündet hat. Das Verfahren gegen Sebastian T. war zuvor abgetrennt worden, gegen ihn wird auch weiter unter anderem wegen Coronasubventionsbetrug verhandelt.

Er sei nicht bewährungsfähig, habe keine günstige Sozialprognose, sagte die Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft. Tilo P. war angeklagt im Verfahren zu einer ganzen Reihe rechtsextremer Straftaten, die ab 2013 in Berlin-Neukölln begangen worden sein sollen.

Eine weitere Strafe wurde in das geforderte Urteil mit einbezogen

Die beiden Brandstiftungen an den Autos des Linken-Politikers Ferat Koçak und des Buchhändlers Heinz Ostermann Anfang 2018 gelten als trauriger Höhepunkt und waren als einzige angeklagt.

Tilo P. soll zudem, gemeinsam mit Sebastian T., in mehreren Fällen Sachbeschädigungen begangen haben: Die beiden sollen im August 2017 Schmierereien und Sticker mit Sprüchen wie „Rudolf Hess das war Mord“ verbreitet haben. In mindestens drei Fällen sei im Namen des NS-Kriegsverbrechers die verbotene Sigrune verwendet worden.

In das geforderte Urteil mit einbezogen worden war auch eine weitere Strafe: Anfang Dezember hatte das Kammergericht ein Urteil bestätigt, mit dem Tilo P. zu eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. P. hatte vor Gericht unter anderem eingeräumt, einen Taxifahrer attackiert und schwer verletzt zu haben. Laut Gericht handelte er aus einer rassistischen Motivation heraus. Die Richterin verband die beiden Urteile allerdings nicht, da sie „inhaltlich zu fern“ seien.

Nebenkläger Koçak: „Ich bin wenig erstaunt über dieses Urteil“

Bei den nun angeklagten Brandanschlägen soll Tilo P. nach Überzeugung der Generalstaatsanwaltschaft „Schmiere“ gestanden und die Betroffenen zuvor intensiv ausspioniert haben. P. soll unter anderem einem mitgefangenen Neonazi sowie seiner Freundin und seinem Bruder gegenüber eben das geäußert haben: Dass er „nur Schmiere“ gestanden und die Brände, für die er demnach seinen Mitangeklagten Sebastian T. verantwortlich macht, nicht selbst gelegt habe.

Tilo P.s Anwalt Mirko Röder hingegen hatte einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert. Er verwies auf die Unschuldsvermutung und sagte, dass aus Sicht vieler Prozessbeteiligter offenbar „die Unschuldsvermutung für Herrn P. nicht gilt, weil er aus der rechten Szene stammt.“

Verteidiger Röder sagte nach dem Urteil dem Tagesspiegel: „Der Rechtsstaat hat sich bewährt. Wir haben auch unter einer Volksfrontregierung keine Gesinnungsjustiz.“  Nebenkläger Ferat Koçak überrascht der Freispruch nicht: „Es ist traurig, aber ich bin leider wenig erstaunt über dieses Urteil.” Das Verfahren sei eine Farce gewesen – und: „Unsere Angst bleibt weiter bestehen.”

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