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Sicher unterwegs in Berlin? Ein ständiger Streitpunkt.

© obs/ACE Auto Club Europa/Markus Bachmann/ACE

Radverkehr in Berlin: Was Leser vom Mobilitätsgesetz halten

Die Verkehrsdebatte beschäftigt Berlin. Sollen Radfahrer für Fehlverhalten härter bestraft werden? Was tun gegen "Dooring"-Unfälle? Drei Leserbriefe.

"Einseitig höhere Strafen für RadfahrerInnen sind falsches Signal"

Das Fehlverhalten aller Verkehrsteilnehmer führt zu größerer Gefährdung vor allem der Schwächeren. Die größte Gefahr geht sicherlich von rasenden und Rotlicht missachtenden AutofahrerInnen aus, aber auch Radfahrer verhalten sich immer häufiger rücksichtslos und missachten Regeln. Gegenseitige Rücksichtnahme hat schon lange keine Priorität mehr beim täglichen Drängeln im Hauptstadtverkehr.

Mit dem Mobilitätsgesetz will R2G (Rot-Rot-Grün) auch den Fahrradverkehr fördern und damit den Autoverkehr in Berlin weiter reduzieren. Gut so. Erste Bauvorhaben sind in Vorbereitung, realisiert ist bislang noch nichts, weder Radweginstandsetzung, noch Neubauten oder Schnellwege.

Bereits vor den baulichen Verbesserungen einseitig höhere Strafen nur für die Gruppe der RadfahrerInnen zu fordern, ist doppelt das falsche Signal: es verfälscht die Ungleichbewertung der Delikte zusätzlich -Schwarzfahrer gehen in den Knast, während Raser nach illegalen Autorennen mit Bewährungsstrafen davonkommen- und es würgt die Bemühungen zur Förderung des Alltagsfahrradverkehrs ab.

Bitte erst bauen und dann den Radlern die neuen Wege ggf. durch höhere Bußgelder „empfehlen“, aber nicht umgekehrt. Und bitte nicht die Radfahrer einseitig für die allgemein wachsende Rücksichtslosigkeit belangen. Leider das falsche Signal und der falsche Weg. Korrektur erforderlich!

Jochen Liedtke, Vorsitzender des BVV-Ausschusses für Bauen, Verkehr und Grünanlagen in Spandau

"Das 'Dooring-Problem' wird durch Radwege nicht gelöst"

Mit großer Verwunderung habe ich als Verkehrsplaner die Ausführungen von Herrn Strößenreuther zu den Radverkehrsanlagen gelesen. Dazu kann ich nur eines sagen: Radfahren wird definitiv nicht sicherer, wenn man fahrradfahrende Menschen hinter parkenden Fahrzeugen versteckt!

Im Gegenteil: Gerade die fehlenden Sichtbeziehungen zwischen den auf Radwegen rechts von den parkenden Pkw fahrenden Menschen einerseits und abbiegenden Lkw und Pkw andererseits führen zu den häufigsten und schwersten Radverkehrsunfällen. Dazu kommen diverse weitere Probleme an Einfahrten und an Bushaltestellen. Gerade der Konflikt zwischen ein- und aussteigenden Fahrgästen und Radfahrenden hat in letzter Zeit zu einer Reihe von schwerwiegenden, zum Teil tödlich verlaufenden Unfällen geführt.

Und auch das „Dooring“-Problem, also wenn ein Radfahrer durch eine sich öffnende Tür zu Fall gebracht wird, wird durch Radwege nicht gelöst. Beifahrer achten in der Regel noch weniger auf Radfahrende als die Fahrer selbst! Besonders prekär kann die Situation werden, wenn der Radweg rechts von den parkenden Pkw auf der Fahrbahnoberfläche, also nicht, wie herkömmliche Radwege, auf der höheren Bordsteinkante verläuft. Dann sind sie noch schlechter wahrnehmbar. Hinzu kommen die deutlich höheren Geschwindigkeiten, welche auf den breiteren Fahrradflächen gefahren werden – weil sich die Radfahrenden subjektiv sicherer fühlen.

Ausschlaggebend für die Reduzierung der Unfälle ist vor allem die objektive, tatsächliche Sicherheit. Und die ist gegeben, wenn Fahrradfahrende vor allem gut gesehen werden können!

Natürlich brauchen Radfahrende einen eigenen Fahrweg. Dieser sollte aber aus all diesen Gründen möglichst links von den parkenden Pkw verlaufen. Selbstverständlich sollte es einen 0,75 m breiten Schutzstreifen gegen das „Dooring“ und eine ausreichende Fahrbreite von 1,50 m geben. Zudem sollten diese Streifen grün markiert und ggf. durch weitere bauliche Maßnahmen, zur Not auch Poller, vor Falschparkern geschützt werden!

Durch Radfahrstreifen links von parkenden Fahrzeugen sparen fahrradfahrende Menschen viel Zeit: Vor dem Linksabbiegen kann man sich einordnen und muss nur an einer Ampel halten – bei Radwegen rechts von parkenden Fahrzeugen sind es zwei.

Aber was deutlich mehr wiegt ist, dass Fahrradfahrende, wenn sie nicht mehr versteckt werden, im Straßenbild präsent sind. Und gerade diese hohe Präsenz von Radfahrenden machen Fahrradstädte wie Utrecht, Kopenhagen oder Amsterdam so sicher!

Dipl.-Ing. Christoph Steinig, Berlin-Lichterfelde

"Eine meiner 'Horrorampeln' ist an der Seestraße"

Papier ist geduldig, aber schöne Konzepte nützen den Radfahrern, die sich täglich in den Berliner Verkehr wagen, nichts. Eine meiner „Horrorampeln“ ist an der Seestraße, wenn man vom Nordufer aus die Straße überqueren möchte. Ist es nicht möglich, die Ampelschaltung so zu gestalten, dass Fußgänger und Fahrradfahrer ohne auf dem abgasbelasteten Mittelstreifen anzuhalten, in einem Zug durchgehen können?

Bei Change-Management-Prozessen – und ein Regierungswechsel ist ja ein solcher – werden immer zuerst die leicht umsetzbaren Dinge verwirklicht. Ich frage mich, warum Sie das nicht tun, sondern auf endlose Prozesse setzen, die dann die nächste Regierung wieder kippt.

Jürgen Hammelehle, Hennigsdorf

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