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© Anna Schmidt/Tsp

Weihnachtstipps: Queere Geschenke fürs Fest

Immer noch nichts zu Weihnachten besorgt? Das Queerspiegel-Team gibt Tipps für Geschenke, die alle unterm Regenbogen erfreuen.

Streng genommen ist natürlich nicht Weihnachten, sondern der CSD der höchste Feiertag für alle Menschen unterm Regenbogen. Beschenkt werden macht trotzdem immer Spaß. Der Queerspiegel, der LGBTI-Blog des Tagesspiegels, stellt Geschenketipps für die queere Gemeinde zusammen.

Fluide Texte: Der Roman „Außer sich“ und der Essay „Die Argonauten“

Das Mäandern, das Suchen, das Schillern – dies sind Gemeinsamkeiten von zwei bemerkenswerten queeren Büchern, die nur auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: Sasha Marianna Salzmanns Debütroman „Außer sich“ und Maggie Nelsons Essayband „Die Argonauten“, beide in diesem Jahr erschienen und beide absolut fesselnd.

Salzmann, Hausautorin am Maxim Gorki Theater Berlin, erzählt zunächst von einer Brudersuche in Istanbul, die sich zur Identiätssuche wandelt. Irgendwann zwischen den Gezi-Protesten und vor dem Putschversuch von 2016 kommt Alissa genannt Ali von Berlin in die türkische Stadt, verliert sich in ihr, verliebt sich in sie, lernt den Transmann Katho kennen und beginnt schließlich die Geschichte ihrer/seiner russischen Familie zu erforschen. Diese weist einige Ähnlichkeiten mit Salzmanns eigener Familiengeschichte auf, womit sie äußerst virtuos und witzig zu spielen versteht.

Ihr für den Deutschen Buchpreis nominierter Roman springt durch die Zeiten, wechselt die Perspektiven und Sprachen. „Ich reihe meine Vielleichts aneinander, Kügelchen für Kügelchen, ungeschliffene Murmeln, die keine vorzeigbare Kette ergeben“, denkt Ali einmal. Und so wie die Hauptfigur sich nicht festlegen lassen möchte auf ein Geschlecht oder ein Land, so bleibt eben auch die Text-Form flexibel.

Einen noch fluideren Text hat die US-amerikanische Essayistin Maggie Nelson geschrieben, wobei die Form ebenfalls die Thematik ihres Buches spiegelt: „Die Argonauten“ beschäftigt sich auf vielerlei Ebenen mit Transformationen, wobei sich theoretische Erwägungen, Zitate und tagebuchartige Passagen aufs wunderbarste ergänzen. Ausgehend von ihrer eigenen Schwangerschaft und ihrer Beziehung zum Künstler Harry Dodge, der sich als „Butch auf Testosteron“ fühlt und vor seiner Brust-OP steht, denkt Nelson über Familie, Queerness und Heteronormativität nach. Das subversive Potenzial von Queerness sieht Nelson durch eine „Homonormativität“ bedroht, die durch Entkriminalisierung und zunehmende rechtliche Gleichstellung bedingt werde.

„Wenn wir mehr tun wollen, als uns in repressive Strukturen hineinzukämpfen, dann steht eine ganze Menge Arbeit an.“, mahnt sie. Für sie besteht die Arbeit besteht darin, Fragen zu stellen, in Frage zu stellen. „Vielleicht ist es das Wort radikal, das überdacht werden müsste. Doch worauf könnten wir uns stattdessen – oder ergänzend – zubewegen? Offenheit? Ist das gut genug, stark genug?“. Maggie Nelsons Buch ist absolut inspirierend, es lädt zum Denken und Streiten ein – die perfekte Lektüre für eine queeren Start ins neue Jahr. Nadine Lange

Sasha Marianna Salzmann: Außer sich. Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2017. 366 Seiten, 22 €.
Maggie Nelson: Die Argonauten. Aus dem Englischen von Jan Wilm. Hanser Berlin 2017. 189 S., 20 €.

Die Wucht des Erwachsenwerdens: Der Film "Mit Siebzehn"

Thomas (Corentin Fila) und Damian (Kacey Mottet Klein) in "Mit Siebzehn".
Thomas (Corentin Fila) und Damian (Kacey Mottet Klein) in "Mit Siebzehn".

© Koolfilm

So wuchtig und so emotional wie in André Techines Film „Mit Siebzehn“ ist selten von Coming Out und Coming of Age erzählt worden. Thomas und Damien sind Klassenkameraden, eigentlich völlig verschieden, und eigentlich gar nicht befreundet. Mal prügeln sie sich im Sportunterricht, mal auf dem Weg nach Hause: Mit einer Körperlichkeit, die gleichzeitig auf eine enorme gegenseitige Anziehungskraft der beiden verweist – so als ob sie gar nicht anders können als ständig aneinanderzugeraten. Erst als Thomas bei Damiens Familie einziehen muss, ändert sich die Lage….

Meisterhaft erzählt Techiné hier von den Stürmen der Pubertät, vom Entdecken des eigenen Begehrens und vom Außenseitertum. Das eigentlich auserzählte Genre des Coming-Out-Films erfindet er praktisch noch einmal neu - was auch daran liegt, dass "Mit Siebzehn" genauso ein Drama über gesellschaftliche Disparitäten ist, das bei den sozialen Unterschieden der beiden Hauptfiguren ganz genau und sensibel hinguckt. Dass der Film absolut glaubhaft ist, liegt nicht zuletzt an den tollen jungen Schauspielern Corentin Fila (Thomas) und Kacey Mottet Klein (Damien).

Ein großartiger Film, der seine Weltpremiere bereits bei der Berlinale 2016 hatte – und jetzt endlich auch auf DVD erhältlich ist. Tilmann Warnecke

„Mit Siebzehn“, Indigo, 116 Minuten.

Schicksalsmacht: Hanya Yanagiharas Roman "Ein wenig Leben"

Die US-amerikanische Schriftstellerin Hanya Yanagihara.
Die US-amerikanische Schriftstellerin Hanya Yanagihara.

© Jenny Westerhoff/Promo

Lassen Sie sich nicht beirren vom Titel: Das ist ganz schön viel Leben, das sich auf 960 Seiten in der deutschen Übersetzung ausbreitet. Erzählt über mehrere Jahrzehnte und doch seltsam zeitlos. Vier Freunde suchen ihren Platz im Leben, in New York, in der Gesellschaft. Um mehr geht es nicht, und doch um so viel mehr: Verrat, Hingabe, Gewalt, Zuneigung, Drogen, Sex, Verzweiflung und auch ein wenig Glück. Erst nebenbei, dann sehr zentral wird auch von schwuler Liebe erzählt, ganz universal, nie in der Schublade gefangen. Hanya Yanagiharas „Ein wenig Leben“ hat einen Hype in den USA und in Deutschland ausgelöst. Selten hat ein Roman derart viele Menschen berührt. Dostojewski für das 21. Jahrhundert, mindestens.

Hanya YanagiharaEin wenig Leben. Roman. Aus dem Englischen von Stephan Kleiner. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2017. 960 Seiten, 28 €. 

Pop mit Himmelfahrtsgarantie: Pet Shop Boys – Catalogue

Kann man von diesem Synthie-Pop-Duo je genug bekommen? Natürlich nicht. Daher haben die Briten fünf Alben aus ihrer Spätphase noch einmal remastered, hübsch verpackt und mit Bonustracks angereichert, beginnend mit „Nightlife“ (1999) und vorläufig endend mit „Elysium“ (2012). Was sich auf den Platten entfaltet, ist das ständige Elaborieren am großen Popsong, am Gefühlschaos in verdichteten Zeilen und am Elektrosound mit Himmelfahrtsgarantie. Höhepunkte der Anthologie: die Ballade „For All of Us“, der Elektro-Hit „Fugitive“ und das Duett mit Human-League-Frontmann Phil Oakey „This Used to be The Future“. Ganz ganz großes Kino. Ulf Lippitz

Pet Shop Boys: "Catalogue: 1985-2012", Parlophone

Und wir hätten da noch was....

Der Band "Heteros fragen, Homos antworten" ist im Querverlag erschienen.
Der Band "Heteros fragen, Homos antworten" ist im Querverlag erschienen.

© Agnieszka Budek/Tsp

... und zwar in eigener Sache: Das Queerspiegel-Kolumnenbuch "Heteros fragen, Homos antworten" eignet sich natürlich auch ganz hervorragend als Geschenk unterm queeren Weihnachtsbaum (so viel Eigenlob darf zum Fest schon mal sein).

In 50 Folgen haben wir Fragen von Leserinnen und Lesern rund ums Thema Homosexualität beantwortet, wie: Wer ist bei homosexuellen Paaren der Mann, wer die Frau? Gibt es eine Homo-Lobby? Vor kurzem sind die gesammelten Kolumnen im Querverlag erschienen, ergänzt um ein kleines Kompendium mit wichtigen Begriffen - quasi also alles, was Sie schon immer über Homosexualität wissen wollten.

Anja Kühne, Nadine Lange, Björn Seeling, Tilmann Warnecke: Heteros fragen, Homos antworten. Querverlag, Berlin 2017, 176 Seiten, 12 €.

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