zum Hauptinhalt

© Christoph Soeder/dpa

Update

Prozess um Angriff auf ZDF-Team in Berlin: Angeklagte gestehen und sprechen von Verwechslung – Bewährungsstrafen

Am Montag hat der Prozess um den Angriff auf ein ZDF-Team begonnen. Eine Gruppe hatte die Reporter am Rande einer Corona-Demonstration getreten und geschlagen.

| Update:

Plötzlich stürmten Vermummte los. „Jetzt seid ihr dran“, brüllten sie. Einige waren mit Metallstangen bewaffnet. Die Gewalt gegen ein ZDF-Team der „Heute-Show“ am Rande einer Querdenker-Demonstration in Berlin führte am Montag zu einem Prozess gegen drei Männer und eine Frau. Sie sprachen vor dem Amtsgericht Tiergarten von einer „Verwechslung“ und baten um Entschuldigung. Alle erhielten zwei Jahre Haft auf Bewährung. Zudem sollen sie jeweils 5000 Euro Buße zahlen.

Die Angeklagten hatten über ihre Verteidiger erklären lassen, sie hätten keinesfalls Pressevertreter angreifen wollen. Sie seien davon ausgegangen, dass es sich um Personen aus dem rechten Spektrum handelte, hieß es in den fast wortgleichen Geständnissen. Von Gewalt distanzierten sich die 28- bis 34-Jährigen – drei von ihnen sind Studenten, einer ist Sozialarbeiter – allerdings in den kurzen Erklärungen nicht generell. Das Gericht ging schließlich davon aus, dass es sich um eine „konzertierte Aktion“ und nicht um eine Spontantat gehandelt habe.

Auf diese Art und Weise kann man keinen politischen Diskurs führen, der ist gewaltfrei zu führen.

Staatsanwalt

Sechs Menschen wurden bei dem Angriff am 1. Mai 2020 verletzt, drei Mitarbeitende der Fernsehproduktion und drei Security-Mitarbeiter waren betroffen. Sie hatten nach Dreharbeiten eine Pause in einer Seitenstraße am Alexanderplatz in Mitte eingelegt. Gegen 16.22 Uhr kamen die Angreifer wie aus dem Nichts. Bis zu 20 Personen seien es gewesen, schätzten Zeugen. „Es gab keine Provokation zuvor, keinen Grund.“

Das Fernsehteam hatte Angaben zufolge mit dem Comedian Abdelkarim (42) bei einer Demonstration gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen gefilmt. Dann der feige Überfall: Drei bis vier Vermummte gingen jeweils gegen einen aus dem Team vor. Mit Fäusten und mindestens drei Stangen wurde zugeschlagen, am Boden liegende Opfer wurden getreten – „mit großer Wucht gegen die Köpfe“, hieß es in der Anklage. Zwei der Verletzten verloren zeitweilig das Bewusstsein. Einige der verursachten Wunden mussten später im Krankenhaus chirurgisch behandelt werden.

Eines der Opfer berichtet seither nicht mehr von derartigen Veranstaltungen

Erheblich waren auch die psychischen Folgen. Einer der Verletzten berichtet seitdem nicht mehr von derartigen Veranstaltungen. Der Angriff sei das „Zünglein an der Waage“ für diese Entscheidung gewesen, schilderte der 63-Jährige im Prozess. Er habe einen Schlag auf den Hinterkopf erhalten. Als er am Boden lag, wurde er getreten. Ein 52-Jähriger sagte zu seinen Verletzungen: „Nase kaputt, Ohr verletzt, Prellungen.“ 20 Minuten lang war er bewusstlos.

Auf die Spur der Angeklagten – keiner ist vorbestraft – kam die Polizei nach akribischen Ermittlungen. Zwei der Angeklagten sind aus Berlin, zudem musste sich ein Geschwisterpaar aus Baden-Württemberg wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Mit bislang unbekannt gebliebenen Mittätern hätten sie agiert, hieß es in der Anklage.

Rund zwei Minuten lang droschen die Täter und Täterinnen auf das ZDF-Team ein. Bis eine der Frauen das Flucht-Signal gab. Für Johannes F. sagte seine Verteidigerin, er hoffe, dass die Betroffenen „ihre Pressearbeit ohne Einschränkungen fortsetzen können“. Er habe leider gedacht, dass es sich bei den Personen um Rechtsradikale handelte. Wie Kevin G., Simon S. und Miriam S., die ebenfalls von einer angeblichen Verwechslung sprachen, bat er um Entschuldigung.

Wie ein „Schwarzer Block“ wirkten die Angeklagten und die weiteren Angreifer. Ihre Tat sorgte als ein schwerwiegender Angriff auf Journalistinnen und Journalisten für Aufsehen und wurde als brutaler Angriff auf das Grundrecht der Pressefreiheit gewertet.

Mit der Version einer Verwechslung wollten die Angeklagten die Tat erklären. Doch das Team hatte eine Kamera dabei. Und wären es Personen aus der rechten Szene gewesen – „es wäre nicht weniger verwerflich“, sagte der Staatsanwalt. „Auf diese Art und Weise kann man keinen politischen Diskurs führen, der ist gewaltfrei zu führen.“

Die Vorsitzende Richterin sagte, sie habe in ihrer langjährigen Arbeit selten eine so geplante Geschichte erlebt – „und wenn, dann aus dem rechten Spektrum“. Wie bei solchen Taten von Rechtsextremisten sei der Angriff auf das Team abgelaufen – „ausgespäht und draufgehauen“. Dem Urteil war eine Verständigung vorausgegangen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false