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© Kitty Kleist-Heinrich/Tagesspiegel

Update

Prozess in Berlin: 15-Jährige eingesperrt und zur Prostitution gezwungen – drei Angeklagte vor Gericht

Ein 20-Jähriger soll eine Jugendliche gezwungen haben, sich zu prostituieren. Nun steht er vor Gericht – ebenso wie seine Freundin und seine Mutter.

| Update:

Sie war erst 15 Jahre alt und hatte Probleme zu Hause. Jasina (Name geändert) aus Syrien lebte in einer Kriseneinrichtung, als sie durch eine Freundin einen 20-Jährigen und seine großen Versprechen kennenlernte. Eine Wohnung, einen Job, Geld – „ich dachte, dann wäre alles geregelt“, sagte Jasina später in einer Vernehmung. Sie habe an eine „Arbeit in einer Bäckerei oder so“ gedacht. Doch als sie in seiner Wohnung war, habe Srebrin I. verlangt: „Du gehst zu Freiern.“

Sechs Monate später hat am Montag vor dem Berliner Landgericht der Prozess gegen den 20-jährigen I., seine 34-jährige Freundin und seine Mutter (38) begonnen. Es geht um Zwangsprostitution, Zuhälterei, Freiheitsberaubung. Seit dem 2. September befindet sich der junge Bulgare in Untersuchungshaft, die Frauen blieben frei.

Am Montag lernten sie sich kennen, am Mittwoch zog sie bei ihm ein

Immer wieder blickte die 34-Jährige im Gerichtssaal zu Srebrin I., der hinter einer Glaswand saß. Sie sollen die Hauptakteure gewesen sein in dem Geschehen um Jasina im letzten August. In den Tatplan sei auch die Mutter von I. eingebunden gewesen.

Ich finde dich überall, stecke dich in den Keller, schlage dich.

Die 15-jährige Jasina gab in Vernehmungen die angeblichen Drohungen der Angeklagten gegen sie wieder.

Srebrin I. soll Jasina bei einem abendlichen Treffen ein verlockendes Angebot gemacht haben: „Würdest du gern arbeiten, Geld haben?“ Er könne ihr zu einem Job verhelfen. Und sie könne bei ihm in seiner Wohnung in Schöneberg unterkommen. Jasina sagte später aus: „Es störte mich, dass ich in der Einrichtung so wenig Taschengeld bekam.“ Sie habe sich auf das Angebot eingelassen. Als Mitbewohnerin und nicht mehr sei sie zu dem Mann gefahren.

Am 22. August hatten sie sich erstmals getroffen. Es waren ihre Freundin und weitere Freunde dabei. Das war Montag. Am Mittwoch packte sie und fuhr zu ihm. Am nächsten Morgen habe er angekündigt: „Wir müssen jetzt shoppen, du brauchst schöne Unterwäsche für die Arbeit. Du fährst zu Leuten und schläfst mit ihnen.“

Aus Angst vor Repressalien habe sie sich gefügt, heißt es in der Anklage. Srebrin I. habe Fotos von Jasina gemacht. Als 20-Jährige soll er sie auf einer Internetplattform angeboten haben: „Luzy, jung und willig“. Der 20-Jährige habe die eingehenden Anfragen kontrolliert, er und die 34-Jährige hätten die Jugendliche dann zu Terminen mit Freiern gefahren. Arbeitszeit und Preis für sexuelle Dienstleistungen – 100 Euro pro Stunde – hätten sie vorgegeben und das gesamte Geld kassiert. Innerhalb von rund einer Woche seien es 35 Termine gewesen. Insgesamt 3600 Euro hätten die Angeklagten erlangt.

„Sie brachten mich zu einem Freier, sie warteten unten, ich war zwei Stunden dort und musste ihnen das Geld geben“, schilderte die inzwischen 16-Jährige später in einer aufgezeichneten Vernehmung. „Es ging immer so weiter, ich war ziemlich am Ende.“ Sie habe es nicht gewollt: „Ich bat sie: Lasst mich gehen.“ Da seien ihr die Haare abgeschnitten worden – mit einem Messer, von Brust- auf Schulterlänge.

Massive Drohungen habe es gegeben, schilderte Jasina. „Ich finde dich überall, stecke dich in den Keller, schlage dich“, habe die 34-Jährige angekündigt. Die Frau habe ihr auch ein Handybild von einem Mädchen mit einem zerschnittenen Gesicht gezeigt. Einmal habe sie bei der Mutter von I. in der Küche gesessen – „ich weinte und wusste nicht, was sie davon alles weiß.“ Eine Flucht sei nicht möglich gewesen. I. habe sie in der Wohnung eingesperrt und ihr das Handy weggenommen, heißt es in der Anklage.

Nach einer Woche nahm die Jugendliche allen Mut zusammen. „Ich brauchte eine Lösung, wegkommen, ohne zu sterben“, sagte Jasina weiter in der Vernehmung. Ihre Eltern dachten, sie sei auf einer Klassenfahrt in Hamburg. So habe sie es ihnen auf Anweisung per Telefon vorgegaukelt. Sie offenbarte sich schließlich einem Freier: „Ich bin 15 Jahre alt.“ Er sei schockiert gewesen, habe helfen wollen. „Er hat mich zu meinen Eltern gefahren.“

Der Prozess geht Donnerstag weiter – möglicherweise mit Aussagen der Angeklagten.

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