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Update

Leerstehender Plattenbau: Tod in der Kälte: Obdachlose starben in Abbruchhaus

Das Thermometer bei 0 Grad, vor ihnen die Schnapsflaschen – ein tödlicher Mix. In der Kälte des Samstagabends sind zwei obdachlose Männer in einem leerstehenden Plattenbau in Hohenschönhausen tot aufgefunden worden.

War es die Kälte? War es der Alkohol? Oder war es die Kombination aus Kälte und Alkohol? Zwei aus Rumänien stammende Obdachlose sind am Samstagabend in einem leer stehenden Plattenbau in Hohenschönhausen tot aufgefunden worden. Ein dritter Rumäne hatte gegen 20 Uhr die Polizei informiert. Die Todesursache soll in dieser Woche durch eine Obduktion geklärt werden, teilte das Polizeipräsidium am Sonntag mit.

Ausgeschlossen wird bislang lediglich ein Fremdverschulden. Neben den Toten, die 36 und 42 Jahre alt sind, fand die Polizei im fünften Obergeschoss zahlreiche Flaschen mit alkoholischen Getränken. Als wahrscheinlichste Todesursache gilt deshalb eine Kombination aus Kälte und zu viel Alkohol. Da beide zeitgleich starben, könnten sie auch gepanschten Alkohol getrunken haben. Die Plattenbauten dort haben kaum noch Scheiben, am Samstagabend waren in Berlin etwa 0 Grad Celsius. Weitere Menschen wurden in dem Gebäude zwischen Wartenberger Straße und Rhinstraße nicht angetroffen. Es ist den Behörden aber bekannt, dass dort regelmäßig Menschen übernachten. Zu DDR-Zeiten war es ein Heim für vietnamesische Vertragsarbeiter. Im vergangenen Jahr hatten der Bezirk Lichtenberg und der Senat in einem „Bündnis für Wohnen“ angekündigt, dass dort 400 Wohnungen entstehen sollen.

Laut Dieter Puhl, Leiter der Bahnhofsmission Zoo, ist die Zahl der Notunterkünfte auf 420 gesunken, im Vorjahr waren es 485. Nach seiner Schätzung leben 2000 der 10 000 Obdachlosen wirklich auf der Straße, andere Schätzungen gehen von 600 bis 4000 aus. Die Grünen haben im Dezember den Senat aufgefordert, eine Wohnungslosenstatistik für Berlin zu schaffen, um Klarheit über den Umfang des Problems zu bekommen. Beraten hat das Parlament darüber noch nicht.

„Wir platzen aus allen Nähten“, sagt der Chef der Bahnhofsmission. Pro Abend würden 10 bis 20 Schlafsäcke ausgegeben, „die retten Leben“. Dringend sucht die Berliner Stadtmission, die zwei der drei Kältebusse betreibt, Spenden: Geld, warme Kleidung, Schlafsäcke. Seit dem jüngsten Kälteeinbruch vor zehn Tagen sei die Zahl der zufluchtsuchenden Menschen noch einmal um 20 Prozent gestiegen. Der lange Winter macht alle mürbe, sagt Puhl, Wohnungslosen gehe er an die Substanz. Viele seien krank, sterben an Lungenentzündung. Vor der Bahnhofsmission steht seit April 2012 ein Baum, in den für jeden gestorbenen Obdachlosen eine Schleife gehängt wird. Bislang sind es acht – sie alle waren der Bahnhofsmission bekannt. Der letzte war ein Pole namens Jannek im Januar, der stark alkoholabhängige 58-Jährige hatte seit Jahren vor dem Bahnhof gelebt. „Gestorben wird zwölf Monate im Jahr“, sagt Puhl.

Bei Ausländern gebe es aber noch das zusätzliche Problem der Sprachbarriere. Selbst wenn ein Kältebus die Plattenbauten an der Rhinstraße mal angesteuert hätte, hätten die Männer das Hilfsangebot nicht verstanden. Nach Puhls Schätzung sind 60 Prozent der Obdachlosen psychisch krank, 70 Prozent süchtig. Dennoch sei das Hilfenetz für Obdachlose das „beste in Europa“. In Berlin sei im Winter 2011/12 kein Wohnungsloser erfroren, in Warschau dagegen 50, sagt Puhl. Deshalb kommen auch so viele Hilfsbedürftige aus Polen oder Rumänien nach Deutschland, weil die Überlebenschancen laut Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe hier besser seien. Neben kirchlichen Organisationen gibt es viele Vereine, die Spenden sammeln. Mehrere hat auch der Tagesspiegel in der Spendenserie „Menschen helfen“ bereits unterstützt. Am kommenden Donnerstag beginnt der Frühling. Doch mindestens eine Woche lang soll es nachts noch Minusgrade geben. Am Montag und Dienstag kann es schneien.

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