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Justiz: Bewährungshelfer fordern Hilfe

Die Berliner Bewährungshelfer warnen vor einem Notstand: Die Zahl der betreuten Ex-Häftlinge steigt, aber in der Justiz fallen befristete Stellen trotzdem weg.

Es gibt immer mehr frühere Häftlinge, die unter personalintensiver Führungsaufsicht stehen, weil sie zwei oder mehr Jahre in Haft saßen. Zum Jahresende fallen nun nicht nur 15 befristete Bewährungshilfestellen weg, bald geht auch eine Handvoll erfahrener Beamte in Rente. Die 15 Stellen waren von Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) 2009 für zwei Jahre genehmigt worden. Trotz weniger Personals müssen künftig zudem Sicherungsverwahrte betreut werden, die Jahrzehnte inhaftiert waren und sich außerhalb der Justizvollzugsanstalt Tegel nur schwer zurechtfinden dürften.

Insgesamt sind für Bewährungs- und Gerichtshilfe in Berlin 113 Männer und Frauen unterwegs. Pro Jahr müssen sie sich darum kümmern, dass 9000 Verurteilte ihre Arbeitsstunden ableisten, etwa im Grünflächenamt. Über weitere 3000 Angeklagte müssen Sozialberichte für anstehende Gerichtsurteile verfasst werden. Hinzu kommen 7000 Menschen mit oder ohne Hafterfahrung auf Bewährung. Als besonders arbeitsintensiv gelten davon die meist männlichen 2200 Ex-Häftlinge, die unter Führungsaufsicht stehen. Vor 15 Jahren gab es bei gerade rund 1000 Führungsaufsichtsfällen noch fast 20 Justizmitarbeiter mehr. Der Personalratschef der Bewährungshelfer, Tobias Brauer, fordert nun, dass wenigstens die befristeten 15 Stellen behalten werden: „Eigentlich bräuchten wir für verantwortungsvolle Arbeit noch mehr.“

Justizsenatorin von der Aue erklärte auf Nachfrage, dass die Berliner Justiz gerade „knapp ausreichend“ Mitarbeiter beschäftige. „Natürlich haben wir Verständnis für den Wunsch nach mehr Personal“, sagte sie dem Tagesspiegel. Anzeichen für Defizite gebe es jedoch nicht. Wegen der anfallenden Mehrbelastung durch Ex-Sicherungsverwahrte hat die Senatorin für den Haushalt 2012/13 elf Zusatzstellen beantragt. Sechs der Beamten sollen im Bedarfsfall mit Fußfesseln ausgestattete Ex-Langzeitverwahrte überwachen, die anderen fünf als Bewährungshelfer eingesetzt werden. Ungewiss ist, ob das neu zusammengesetzte Abgeordnetenhaus den Antrag nach den Wahlen im September genehmigt – vorausgesetzt, im künftigen Haushaltsentwurf des neuen Senats sind die elf Stellen wieder enthalten. Und selbst wenn das Parlament dem Haushaltsantrag zustimmt, wird es insgesamt immer noch weniger Bewährungshelfer als heute geben.

Bewährungshelfer empfangen oft mehrere Klienten am Tag, nicht alle sind freundlich, einige nicht mal friedlich. Die meisten Verurteilten kommen einmal im Monat in eines von vier Büros in der Stadt, um über Probleme, Therapien und richterliche Weisungen zu sprechen. Für Delinquenten unter Führungsaufsicht sind zwei Treffen im Monat vorgesehen. Familie und Führerschein weg, Schulden und Suchtproblem – die Lebensverhältnisse vieler Ex-Häftlinge erleichtern ein gesetzestreues Leben oft nicht gerade. Hausbesuche bei den Verurteilten wären sinnvoll. „Dafür fehlt leider zunehmend die Zeit“, sagte Brauer. Angeboten werden jedoch etwa Schuldner- und Verkehrsstraftäter-Beratung. „Wir brauchen so was, um Rückfälle zu vermeiden“, sagte Brauer. Bisher gelang das in Berlin sogar etwas besser als im Bundesdurchschnitt: 74 Prozent der Bewährungsfälle in der Hauptstadt verlaufen positiv, das heißt, die Verurteilten werden nicht rückfällig, die angedrohte (restliche) Strafe wird erlassen – womit Berlin jedes Jahr Millionen Euro an Unterbringungskosten spart.

Die Betreuung eines ehemaligen Sicherungsverwahrten wird als sehr aufwändig eingestuft, ein Entlassener soll wie fünf normale Bewährungsfälle gezählt werden. Ob das ausreicht, ist ungewiss. Seit den Urteilen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes in Straßburg 2009 und 2011, wonach Deutschland viele Häftlinge zu lange hinter Gittern lässt, sind erst drei Berliner Sicherungsverwahrte freigelassen worden.

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