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Erinnerungsfoto. Freunde halten ein Bild des Getöten in die Kamera.

© dpa

Update

Verwirrende Aussagen zu Mordfall Bektaş: Nur Sachbearbeiter beim Berliner LKA oder Chef einer Mordkommission?

Beim Staatsschutz des LKA in Berlin wurden 387 Fälle rechtsextremer Taten seit 2020 nicht bearbeitet. Ein Beamter war auch im Mordfall Bektaş tätig. Aber wie? Es gibt Widersprüche.

| Update:

Nachdem der Tagesspiegel personelle Verbindungen zwischen 387 liegengebliebenen Fällen zu Rechtsextremismus beim Landeskriminalamt (LKA) Berlin und Ermittlungen im Mordfall Burak Bektaş aufgedeckt hatte, versuchte Polizeipräsidentin Barbara Slowik nun Zweifel und Befürchtungen zu zerstreuen. Doch damit hat sie wieder ganz neue Fragen aufgeworfen.

Bei einem routinemäßigen Führungswechsel beim LKA-Staatsschutz im Kommissariat 533, das für die Ermittlungsverfahren bei rechtsextrem motivierten Straftaten zuständig ist, entdeckten die neuen Chefs des Kommissariats den Aktenberg. 387 Fälle aus den Jahren von 2020 bis 2022 waren nicht bearbeitet worden.

Innenpolitiker von Linken und Grünen befürchteten eine politische Motivation und Verbindungen zu ungeklärten rechtsextremistischen Straftaten. Am Montag äußerte sich deshalb Polizeipräsidentin Slowik im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses erneut zu dem Fall.

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Wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt wird gegen den früheren Kommissariatsleiter Alexander H. und einen Sachbearbeiter ermittelt. Er war einst auch mit dem Fall Bektaş befasst.

Der 22-jährige Burak Bektaş war im April 2012 in Neukölln auf der Straße von einem Unbekannten erschossen worden. Der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt. Angehörige vermuten ein rassistisches Motiv. Sie werfen den Behörden unzureichende Ermittlungen vor.

Hatte H. eine leitende Funktion im Fall Bektaş?

Der nun für die unbearbeiteten Vorgänge verantwortliche Beamte H. sei von 2012 bis 2019 in dem für Tötungsdelikte zuständigen Dezernat LKA 11 tätig gewesen – also bei einer der acht Mordkommissionen. Dabei sei er aber nicht in leitender Funktion mit dem Mordfall Bektaş befasst gewesen, sagte Slowik. Er „war zum Zeitpunkt, als er in der Mordkommission war, nicht Kommissionsleiter. Er war Sachbearbeiter.“

Diese Aussagen zur Rolle des Beamten verwundern. Nach Tagesspiegel-Informationen war H. tatsächlich erster Sachbearbeiter in der 6. Mordkommission. In Abwesenheit des Kommissionsleiters fungierte er allerdings als dessen Vertreter. Dadurch hatte er eine leitende Funktion inne – und trat in dieser auch immer wieder medial auf. Zudem hatte H. nach Tagesspiegel-Informationen die Ermittlungsakten zum Fall Bektaş abgezeichnet.

In diversen Medienberichten zum Mordfall Bektaş ist H. in den vergangenen Jahren entweder als stellvertretender Chef oder sogar Leiter der Mordkommission bezeichnet worden.

  • Beispiel 1: Bei der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ ist H. 2013 als stellvertretender Leiter der 6. Mordkommission angekündigt worden.
  • Beispiel 2: In der „Süddeutschen Zeitung“ äußerte sich H. 2015 als Leiter der 6. Mordkommission zum Fall Bektaş.
  • Beispiel 3: In einer ZDFinfo-Dokumentation von 2019 sagte H., er sei „von Anfang an mit den Ermittlungen betraut“ gewesen.
  • Beispiel 4: In einer Folge des Podcasts „Wer hat Burak erschossen?“ des RBB-Radiosenders Radioeins von 2015 wurde der Hauptkommissar als stellvertretender Leiter der Mordkommission vorgestellt, der sich „von Anfang an um die Ermittlungen gekümmert“ hat. H sagte darin, dass er selbst am Tatort war und mit als erster alarmiert wurde.
  • Ergebnis: In Medienberichten zum Mordfall Bektaş ist Hauptkommissar H. immer als der zentrale Ermittler dargestellt worden. Andere Ermittler traten medial nicht auf. Die Auftritte in den Medien dürften nicht ohne Genehmigung der Polizei stattgefunden haben.

Allerdings verwies Polizeipräsidentin Slowik darauf, dass der Mordfall mehrfach überprüft worden sei – „ohne die Beteiligung der in Rede stehenden Führungskraft“. So habe die Staatsschutzabteilung Fall und Akten im Jahr 2014 untersucht, 2019 sei der Vorgang dann erneut von einer Mordkommission unter die Lupe genommen worden.

Zum Jahresanfang 2022 habe es zu dem Mordfall weit über 30 Aktenordner und etwa 4500 Dateien unterschiedlicher Art gegeben. Laut Slowik hat die „detaillierte Aufarbeitung“ keine Anzeichen für eine politische Motivation der Tat oder Hinweise auf den oder die Täter ergeben.

Interne Abläufe werden untersucht

Was genau beim LKA seit 2020 los war, dass so viele Fälle aus dem rechten Spektrum liegengeblieben sind, ist weiter unklar. Laut Slowik steht den Beamten für die „Bearbeitung von Ermittlungsvorgängen eine Bearbeitungszeit regelmäßig von vier Monaten zur Verfügung“. Könne diese Frist nicht eingehalten werden, „erfolgt eine Mitteilung an die vorgesetzte Kraft erst einmal im gehobenen Dienst unter Zugrundelegung der Gründe“. Im Anschluss könne dann die „Kommissariatsleitung die Bearbeitungsfrist verlängern“.

Sei ein Fall auch nach sechs Monaten noch nicht abgeschlossen, sei die Dezernats- und Inspektionsebene zu informieren. Nach neun Monaten müsse die Abteilungsleitung informiert werden. Ob all das erfolgt ist, sei aber noch Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Dabei geht es auch um die Frage, ob H. und sein Kollege mit einer sogenannten Überlastungsanzeige der Chefebene mitgeteilt haben, dass sie die anfallende Arbeit nicht schaffen.

Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) wiederholte im Innenausschuss die „klare Erwartungshaltung“ der Senatsinnenverwaltung, dass der Fall der liegengebliebenen Verfahren zügig aufgeklärt wird.

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