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Rumänische Arbeiter demonstrierten wiederholt für einen Boykott der „Mall of Shame“. Vor Gericht versuchen sie ihre Löhne einzuklagen.

© Archivfoto: DAVIDS

Prozess vorm Arbeitsgericht: Mall of Berlin: Arbeiter warten weiter auf Lohn

Die beim Bau der Mall of Berlin um ihren Lohn geprellten rumänischen Wanderarbeiter zählen jetzt die Tage. Beim Prozess vor dem Amtsgericht erwirkte ihr Anwalt am Freitag ein Urteil, gegen das die säumige Firma eine Woche lang Einspruch einlegen kann.

Ob der rumänische Bauarbeiter Nicolae Hurmuz jemals seinen Lohn erhält? Die 1200 Euro, die er fünf Wochen im September und Oktober auf der Baustelle des Einkaufszentrums Mall of Berlin erarbeitet hat und um die er schließlich geprellt worden ist? Das weiß der 45-Jährige auch nach der Verhandlung am Freitagmittag im Berliner Arbeitsgericht nicht. Er zuckt mit den Schultern. "Aber wir haben schon mal ein bisschen Gerechtigkeit bekommen", sagt der kleine schmale Mann mit den gekrümmten Schultern und lächelt. Deshalb sei er schließlich vor allem hier.

Dabei bräuchte Hurmuz dringend Geld. Seit ein paar Tagen schläft er in einem Berliner Park. In der Wohngemeinschaft, in der er wochenlang untergekommen ist, ist kein Platz mehr für ihn. Neben ihm im Flur des Arbeitsgerichts stehen zwei große blaue Plastiktüten, in die er seine Kleider und seinen Schlafsack verstaut hat.

Hurmuz und sein Kollege Niculae Malcoasa fordern von der Firma Openmallmaster GmbH aus Frankfurt am Main fast 6000 Euro. Es ist die erste von drei Verhandlungen wegen nicht bezahlter Löhne auf der Baustelle Mall of Berlin, insgesamt geht es um ausstehende Lohnzahlungen in Höhe von etwa 33.000 Euro. Seit vergangenem Oktober haben Hurmuz und sechs seiner Kollegen von den Firmen ihr Geld gefordert, immer wieder vor dem Einkaufszentrum demonstriert. Fast alle sind in den vergangenen Wochen zurück nach Rumänien gegangen. Hurmuz ist einer der wenigen, die noch da sind.

Sebastian Kunz, der Anwalt der Rumänen, hoffte am Freitag zunächst auf eine Güteverhandlung, eine einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits, "auf ein Einlenken der Firma". Die Openmallmaster selbst schickte jedoch keinen Repräsentanten zum Berliner Arbeitsgericht. Daraufhin beantragte Kunz ein Versäumnisurteil. Wird es rechtskräftig, würden allen Forderungen seiner Mandanten stattgegeben. Der Fall tritt ein, wenn die Firma innerhalb einer Woche nach Erhalt des Urteils keinen Einspruch einlegt.

Anwalt will notfalls gegen Bauherr Harald Huth vorgehen

"Möglicherweise ist bei der Firma aber gar nichts mehr zu holen", sagt Anwalt Sebastian Kunz. "Dann werden wir in der Verantwortlichkeitskette nach oben klettern". Kunz will dann gegen die verantwortliche Baufirma, die insolvente Fettchenhauer Controlling & Logistic GmbH, und gegen den Bauherrn Harald Huth vorgehen, um die Ansprüche der Arbeiter einzuklagen.

Auch dem Anwalt geht es nicht nur um das Geld. "Wir könnten einen Präzedenzfall schaffen", sagt er. "Eine Ausnahme ist die Situation meiner Mandanten nämlich nicht." Die allermeisten ausländischen Arbeiter kehrten nach einer schlechten Erfahrung jedoch sofort zurück nach Hause, ohne ihren Fall bei einer deutschen Stelle zu melden, oder sie ziehen weiter zur nächsten Baustelle, in der Hoffnung, dort mehr Glück zu haben.

Dass die geprellten rumänischen Arbeiter keine Ausnahme sind, erklärt auch der Berliner Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Im Berliner Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte des DGB haben sich 30 rumänische Arbeiter gemeldet, die angaben, während der Arbeiten an der Mall of Berlin um ihren Lohn betrogen worden zu sein. Im ganzen Jahr haben die drei Berater fast 2000 Wanderarbeiter aus Osteuropa betreut, die geprellt worden sind, fast alle in der Baubranche und im Reinigungsgewerbe. In den drei Jahren, die die Beratungsstelle existiert, wurden 500.000 Euro Lohnrückstände eingetrieben. "Und das ist nur die Spitze des Eisbergs", sagt DGB-Sprecher Dieter Pienkny. Von den meisten Fälle erfahre niemand.

Die sieben Rumänen, die jetzt klagen, arbeiteten während unterschiedlicher Zeiträume auf der Baustelle der Mall of Berlin, manche einen Monat lang, andere drei Monate. Alle hatten mit den Chefs der beiden Firmen mündlich den Lohn vereinbart, fünf beziehungsweise sechs Euro die Stunde. Ausgemacht war auch, dass sie einen Vertrag erhalten. Die Löhne wurden jedoch nur zum Teil ausbezahlt, versprochene Verträge nie ausgestellt. Die Unterbringung mussten die Arbeiter entgegen ursprünglicher Abmachungen selbst bezahlen, zu völlig überhöhten Preisen.

Mit 500 Euro wollten sie sich nicht abspeisen lassen

Als die Baustelle Ende September schloss, wurden die Rumänen dann aus ihrem Apartment geworfen. Wochenlang campierten sie daraufhin vor dem Einkaufszentrum Mall of Berlin und protestierten. Die beiden Subunternehmer erklärten sich im November schließlich bereit, jedem Arbeiter 500 Euro Abschlagszahlung zu zahlen. Die Rumänen ließen sich jedoch nicht auf den Deal ein, ihnen stand schließlich viel mehr Geld zu. Durch einen Bekannten gerieten sie an die Gewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU), die sich seitdem für sie einsetzt und auch den Anwalt organisiert hat.

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