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Das Unternehmen Signa hat viel vor, der Karstadt-Umbau am Hermannplatz ist umstritten.

© Gestaltung: Tagesspiegel/Schuber; Fotos: imago/Michael Gstettenbauer, Signa/Chipperfield, freepik

Exklusiv

Lobbyismus am Hermannplatz: Wie der Signa-Konzern Druck auf den Berliner Senat macht

Das Unternehmen Signa hat viel vor, der Karstadt-Umbau am Hermannplatz ist umstritten. Interner Schriftverkehr zeigt, wie der Galeria-Konzern Einfluss auf den Senat nahm. Eine Rekonstruktion.

Von Tania Röttger

Am 1. Dezember 2021 schreibt Signas Projektmanager eine E-Mail an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bau und Wohnen. Das achte Arbeitsgespräch über das Bauprojekt Karstadt am Hermannplatz steht bevor und Signa schickt eine Tagesordnung. Das Unternehmen hat Gesprächsbedarf.

Die Unternehmensgruppe Signa ist umstritten. Gegen den österreichischen Gründer und Multimiliardär René Benko liefen Korruptionsermittlungen, inzwischen wurde er freigesprochen. Während der Konzern Profit macht und in den vergangenen Jahren weitere Gebäude in Berlin und München aufgekauft hat, steht die Schließung von 52 der 129 Galeria-Filialen unmittelbar bevor.

Signa hat mehrere kontroverse Bauprojekte in Berlin: Hochhäuser am Alexanderplatz und Ku’damm und die historische Rekonstruktion des Karstadt-Hauses am Hermannplatz. Erstaunlich dabei ist, wie schnell das Unternehmen bekommt, was es will. Besonders am Hermannplatz, wo Anwohnerinitiativen und Bezirkspolitik die Pläne teils harsch kritisieren.

Illustration zum Umbau des Karstadt-Kaufhauses am Hermannplatz aus dem Jahr 2020.
Illustration zum Umbau des Karstadt-Kaufhauses am Hermannplatz aus dem Jahr 2020.

© Signa

Nun hat die Senatsbauverwaltung den internen Schriftverkehr zu Signa auf Antrag von abgeordnetenwatch.de nach dem Informationsfreiheitsgesetz herausgegeben. Die Dokumente liegen dem Tagesspiegel vor. Der Schriftverkehr zeigt, wie Signa die Berliner Verwaltung wahlweise unter Druck setzt oder ihr schmeichelt, um ihre Ziele zu erreichen.

Dabei hat die Berliner Politik Signa das Druckmittel selbst in die Hand gegeben: in Form einer Absichtserklärung (Letter of Intent, kurz: LOI) von August 2020. Diese sicherte dem Unternehmen Baugenehmigungen zu, im Gegenzug sollte Signa den Weiterbetrieb von Karstadt-Filialen und damit den Schutz von Arbeitsplätzen für drei bis zehn Jahre garantieren. 

Empörung am Hermannplatz

Es war eine Bürgerveranstaltung zum Hermannplatz, die Signa verärgert hatte. Am 5. November 2021 wollte der Senat Stimmen von Bürgern zu dem Projekt hören. Signa plant, das Gebäude nach altem Vorbild wieder auszubauen, und neben Gewerbe auch Wohnungen und Büros unterzubringen. Es wurde zu einer Veranstaltung, in der Bürger den Senat und das Vorhaben größtenteils verurteilten. Davon gibt es ein Video. Eine Frau kritisiert die Veranstaltung, da schon verbindliche Vereinbarungen mit Signa getroffen wurden. Ein anderer Bürger äußert die Sorge, dass durch „so einen Luxusbau“ die Mieten drumherum steigen könnten. 

Signa-Gründer René Benko.
Signa-Gründer René Benko.

© dpa/SIGNA HOLDING GMBH

Signa wird auch anderswo immer wieder vorgeworfen, dass es dem Unternehmen nur um die Immobilien gehe: Sie würden Karstadt durch hohe Mieten ausbluten lassen, die Gebäude eigentlich für etwas Anderes nutzen wollen, was noch mehr einbringt. Daher müssen sie größer und höher werden, denn Fläche ist Geld. Und solche Filetgrundstücke sind in Berlin kaum noch zu bekommen.

Signas Nachricht im Original

Nach der hitzigen Veranstaltung meldete Signa an die Senatsverwaltung, dass Gesprächsbedarf bestand. Kritisch sah das Unternehmen in der Nachricht vom 1. Dezember 2021, dass die „Einladungen doch für alle öffentlich“ waren. Außerdem sei die kritische Bürgerinitiative übergewichtet, bemängelte Signa. Das Unternehmen fragte auch nach den „Next steps“, es schien ihm nicht zu reichen, was zu dem Projekt im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken stand.

Timo Herzberg ist Mitgeschäftsführer der Signa-Gruppe und verantwortet alle Immobilienaktivitäten des österreichischen Konzerns in Deutschland.
Timo Herzberg ist Mitgeschäftsführer der Signa-Gruppe und verantwortet alle Immobilienaktivitäten des österreichischen Konzerns in Deutschland.

© Promo

Niloufar Tajeri, Mitbegründerin der Initiative Hermannplatz sagt, sie habe durch Zufall von der öffentlichen Auftaktveranstaltung erfahren. Aus ihrem Netzwerk kamen Leute, aber auch aus der Nachbarschaft. Es habe also nicht an der Initiative gelegen, dass von allen Beiträgen nur eine positiv, die anderen kritisch dem Projekt gegenüber war.

Das Gefühl ist, allen wird von Signa alles versprochen

Jochen Biedermann (Grüne), Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Neukölln

Signas spätere E-Mail kam allerdings nicht gut an in der Senatsverwaltung. Die Arbeitsgespräche mit Signa gingen in die falsche Richtung, vermerkte ein Mitarbeiter. „Ich werde der Signa mitteilen, dass wir diese Arbeitsgespräche aussetzen, bis der Kurs mit der neuen Hausleitung abgestimmt ist.“

Der Zeitpunkt war heikel, die Wahl 2021 vorbei, aber es gab noch keinen neuen Senator. Ein Mitarbeiter der Abteilung II, Städtebau und Projekte, stimmte zu. Signas E-Mail stelle den Versuch dar, „uns unter starken Erklärungs- und Handlungsdruck zu setzen“.

Jochen Biedermann (Grüne), Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Neukölln, sagt dennoch: „Das Gefühl ist, allen wird von Signa alles versprochen.“ Schon der Zeitplan, der für das Projekt in der Absichtserklärung genannt wurde, sei „haarsträubend” gewesen. Das habe mit dem Versprechen von Partizipation der Zivilgesellschaft nichts zu tun.

Dabei geht es Biedermann nicht darum, dass er den Hermannplatz so behalten will, wie er ist. Seine Verwaltung habe sich intensiv mit den stadtplanerischen Fragen auseinandergesetzt. Er könne allerdings nicht erkennen, dass sie berücksichtigt wurden. Dabei würde das Projekt „Auswirkungen auf die ganze Umgebung haben”, sagt er.

Ein Brief zu Geisels Vereidigung

Neuer Bausenator wurde Andreas Geisel (SPD). Am 21. Dezember 2021, dem Tag seiner Amtseinführung, schrieb der Signa-Repräsentant ihm einen Brief: „Zur Vereidigung als neuer Senator für Stadtentwicklung und Wohnen gratuliere ich Ihnen sehr herzlich!“ Er bitte um ein Gespräch über die Vereinbarungen aus dem Letter of Intent. Und der Signa-Mann gab noch einen Hinweis: Der Erfolg der Vorhaben sei „eng mit der Zukunft der Arbeitsplätze in den Galeria-Häusern verknüpft“. 

Von dem Schreiben bekam auch die Fachabteilung mit. „Signa hat sich offensichtlich aktuell in einem Schreiben an Herrn Geisel gewandt und um Initiative für ihre Projekte geworben“, heißt es in einer internen E-Mail am 29. Dezember 2021. Aber der Senator konnte die Zögerlichkeit seiner Fachleute im eigenen Haus nicht nachvollziehen: „Er hinterfragte, was es auf Basis des LOI [Letter of Intent] noch groß an inhaltlicher Klärung bedürfe“, schrieb der Referent an seine Kollegen.

Der noch amtierende Bausenator Andreas Geisel (SPD) kam mit Signa schnell über das Vorgehen am Hermannplatz überein.
Der noch amtierende Bausenator Andreas Geisel (SPD) kam mit Signa schnell über das Vorgehen am Hermannplatz überein.

© imago/Emmanuele Contini / IMAGO/Emmanuele Contini

Geisel hatte sich seine Meinung offenbar schon gebildet. Am 8. Januar sagt er in einem Interview, es sei „sinnvoll (am Hermannplatz) schnell einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufzustellen“. Dazu vereinbart er ein Treffen mit Signa für den 20. Januar 2022. Er lädt laut eines Kalendereintrags in sein Büro ein und nimmt sich eineinhalb Stunden Zeit.

Interne Notizen gibt es dazu angeblich nicht. Fest steht: Acht Wochen später stand der Bebauungsplan. Auf Anfrage schreibt ein Sprecher der Bauverwaltung, der Senat habe sich „an die im Koalitionsvertrag 2021-2026 formulierten Ziele gebunden“ gefühlt. Der Bebauungsplan „war Teil des 100-Tageprogramms des Senats“.

Bei Scheel machte Signa Druck

Auch Geisels Vorgänger hatte mit Signa zu tun. Eigentlich wollte der vorherige Bausenator, Sebastian Scheel (Linke), die Bebauungspläne erst nach der Abgeordnetenhauswahl 2021 aufstellen. Genauer: in den Tagen nach der Wahl, bevor sein Nachfolger zuständig geworden wäre. Das gefiel Signa nicht. Im Mai 2021 schrieb das Unternehmen, man bitte um die Beschlüsse „noch vor den Wahlen“. 

Auf Anfrage schreibt Scheel, sein Vorschlag war vom Letter of Intent gedeckt: „Im LOI wurde weiterhin die Absicht festgehalten, sogenannte ,Aufstellungsbeschlüsse’ vor Ende der Legislaturperiode zu fassen oder aber anzustreben. Die 18. Wahlperiode endete mit der Neukonstituierung des Abgeordnetenhauses am 4. November 2021. Der Senat war bis 21. Dezember 2021 geschäftsführend im Amt.“

Neue Pracht. Karstadt am Hermannplatz soll wieder im Art-déco-Stil erstrahlen.
Neue Pracht. Karstadt am Hermannplatz soll wieder im Art-déco-Stil erstrahlen.

© Signa/Chipperfield

Signa setzte sich durch. Zumindest für das Karstadt-Areal am Ku’damm. Nach einer Beschwerde an den damaligen Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) über Scheel erließ dieser im Juli 2021 den geforderten Aufstellungsbeschluss. Signa konnte sich freuen. Schwieriger gestaltete sich die Sache am Hermannplatz. Denn dafür war Scheel gar nicht zuständig, sondern das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg – noch.

Luftaufnahme von Karstadt am Hermannplatz im Jahr 1929
Luftaufnahme von Karstadt am Hermannplatz im Jahr 1929

© Signa Real Estate

Der Senator schrieb dem dortigen Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) mehrere Briefe und forderte, dass auch dort ein Bebauungsplan beschlossen werde. Erst nach dem zweiten Brief reagierte der Bezirk und bat um Fristverlängerung. Da war es September, die Wahl stand kurz bevor. Ende September hatte Scheel offenbar genug.

In einem weiteren Brief wertete er die Bitte des Bezirks als Fristverletzung. Zur „Wahrung dringender Gesamtinteressen Berlins“ werde er das Projekt an sich ziehen – zur Senatsverwaltung Stadtentwicklung, Abteilung II. Er forderte die Überreichung aller Unterlagen. Das Vorgehen überraschte selbst Baustadtrat Schmidt. In der Senatsverwaltung war es denn später Geisel, der den Bebauungsplan aufstellte. So wie von Signa gewünscht.

Ex-Bausenator Sebastian Scheel (Linke) machte Druck auf das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg.
Ex-Bausenator Sebastian Scheel (Linke) machte Druck auf das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg.

© picture alliance/dpa/Wolfgang Kumm

Der Schriftverkehr zeigt, wie schwierig die Beziehung zwischen Unternehmen und Verwaltung ist. Mal beschreiben Abteilungen der Senatsverwaltung den Ärger darüber, dass Signa Prozesse nicht abwartet und „Fakten schafft“ wie am Hermannplatz. Mal bringt Signa den Senat wie am Alexanderplatz gegen sich auf, weil das Unternehmen die Hochhausfassade dunkler machen will, als eigentlich vereinbart.

Mal lädt Signa die Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt in seine Jury ein, bei der es um die Wiederverwendung der Materialien vom Karstadt-Umbau am Hermannplatz für angrenzende Neubauten geht, und verärgert sie dennoch, weil Kritiker aus der Jury ausgeladen werden. Kritik übt dann auch die Baudirektorin, die es nicht gut findet, „derart mit Kollegen umzugehen“.  Signa ließ eine Anfrage zu dem Schriftverkehr mit der Senatsverwaltung unbeantwortet.

Bei einem Treffen von Signa und Senat im Oktober 2022 geht es auch um die Chaoswahl. Das Urteil des Verfassungsgerichts, dass die Wahl wiederholt werden muss, steht kurz bevor. Ein Verwaltungsmitarbeiter sagt: Wenn die Gremien neu besetzt sind, würde es auch eine neue Bewertung der Projekte geben. Man bitte um sachliche und offene Kommunikation.

Bisher wartet die Senatsverwaltung noch auf eine neue Hausleitung. Andreas Geisel wird es wohl nicht wieder, das Ressort dürfte aber in SPD-Hand bleiben.

Hier können Sie alle Korrespondenzen im Original lesen, die nach Anfrage über das Projekt am Hermannplatz herausgegeben wurden (PDF)

Mitarbeit: Hendrik Lehmann

Die Dokumente wurden auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de herausgegeben. Die Recherche wird als Kooperation im Tagesspiegel veröffentlicht. Eine weitere Version der Rechercheergebnisse finden Sie bei Abgeordnetenwatch.

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