zum Hauptinhalt
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Kardiologen vor, zwei Patienten mit überdosierten Sedierungsmitteln getötet zu haben.

© dpa/David Young

„Leben von Patienten nicht verkürzt“: Angeklagter Charité-Arzt sagt vor Berliner Landgericht aus

Im Prozess wegen Verdachts auf Totschlag hat der angeklagte Kardiologe der Berliner Charité sein Schweigen gebrochen. Die Vorwürfe weist der Mediziner zurück.

Am achten Prozesstag brach der Arzt sein Schweigen. Zehn Seiten hatten die Verteidiger des Charité-Kardiologen vorbereitet, die Aussage darin klar: „Zu den Vorwürfen lasse ich mich bestreitend ein.“ Er sei sich sicher, das Leben der Patienten nicht verkürzt zu haben. Beide Patienten, um die es in dem Prozess vor dem Berliner Landgericht geht, hätten sich im „akuten Sterbevorgang“ befunden, hieß es in der am Dienstag verlesenen Erklärung.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 56-jährigen Gunther S. vor, im November 2021 im Charité-Campus Virchow-Klinikum einen 73-jährigen Patienten und im Juli 2022 eine 73-jährige Patientin mit überdosierten Sedierungsmitteln getötet zu haben. Die 39-jährige Krankenschwester Katja W. ist mitangeklagt wegen Beihilfe in einem Fall.

Wenige Tage nach dem Tod der 73-Jährigen hatte sich eine junge Krankenschwester zunächst an eine Ärztin gewandt und den Vorwurf erhoben, S. habe eine aus ihrer Sicht viel zu hohe Dosis Propofol verabreicht. Die Ärztin riet der Pflegekraft, sich an Vertrauensanwälte der Charité zu wenden.

Im Ergebnis muss das Sterben zugelassen werden.

Gunther S., angeklagter Herzmediziner

Die Krankenschwester wurde zur Whistleblowerin. Im August 2022 wurde der Facharzt für Innere Medizin, der auf einer kardiologischen Intensivstation tätig war, suspendiert. Seit Mai dieses Jahres befindet er sich in Haft.

Nur eine Sache wirft sich der Arzt vor

Die Staatsanwaltschaft ging bei ihrer Anklage von Mord aus. Der Arzt habe gehandelt, „um seine Vorstellungen zum Sterben und Zeitpunkt des Lebensendes der Patienten zu verwirklichen“, heißt es in der Anklage. Das Landgericht bewertete den Fall jedoch bei der Eröffnung des Hauptverfahrens anders: Nach Aktenlage bestehe lediglich ein hinreichender Tatverdacht für den Straftatbestand des Totschlags.

Vorzuwerfen habe er sich nur, im Behandlungsverlauf die Gabe von Propofol nicht dokumentiert zu haben, verlas eine Anwältin für den Oberarzt. „Das hätte meiner Familie und mir viel erspart.“ Die injizierten Mengen an Propofol seien geeignet gewesen und zur Leidensminderung erfolgt – „in der Endphase des Lebens“.

Der Herzmediziner ging auf die medizinischen Umstände ein, die bei den beiden Patienten vorgelegen hätten. Der 73-Jährige sei eine Woche vor seinem Tod eingeliefert worden. Dann eine Reanimation durch Schwestern. Eine Echokardiografie habe deutlich belegt: „Ein Herzversagen, schwerste Funktionsstörungen.“ Er habe den Sterbenden „abschirmen, sedieren“ wollen und Propofol gegeben.

Es sei um Vermeidung von Schmerz und Stress für die Patienten gegangen. Auch bei der 73-jährigen Frau, die bewusstlos in ihrer Wohnung aufgefunden und eingeliefert wurde, sei nach mehreren Reanimationen keine weitere Therapie zur Verlängerung des Lebens möglich gewesen. „Im Ergebnis muss das Sterben zugelassen werden“, ließ der Arzt verlauten.

Mit der Befragung von zwei medizinischen Gutachtern soll der Prozess am Mittwoch fortgesetzt werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false