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Das Rathaus Lichtenberg, Sitz des Bezirkamtes.

© Kitty Kleist-Heinrich

Landgericht Berlin untersagt Berichte: Lichtenberger Bezirksangestellter geht gegen Belästigungsverdacht vor

Die „Berliner Zeitung“ darf keine Belästigungsvorwürfe mehr gegen einen Lichtenberger Bediensteten verbreiten. Der Fall kann Folgen für die Stadträte Schuler und Hönicke haben.

Es ist eine neue Folge aus der Reihe „House of Cards“ im Rathaus Lichtenberg. Doch diesmal geht es nicht nur um den mit einem Amtsausübungsverbot belegten Stadtrat Kevin Hönicke (SPD), sondern auch um Stadträtin Camilla Schuler (Linke) und die „Berliner Zeitung“. Die von dem Blatt erhobenen, von Hönicke und Schuler befeuerten Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen einen Mitarbeiter des Bezirksamtes sind in dieser Woche vom Landgericht Berlin untersagt worden.

Groß prangte Mitte Januar ein Foto des Mitarbeiters in der Zeitung, dazu der volle Name. Es sollte darum gehen, wie Hönicke angeblich aus dem Amt gejagt wurde, „ein Verwaltungs-Krimi“. Bekanntlich hatte Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) den SPD-Politiker im Oktober als Stadtrat suspendiert, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts des Verrats von Dienstgeheimnissen gegen Hönicke.

Schließlich stellte das Blatt dann aber einen einfachen Mitarbeiter des Amtes ins Rampenlicht. Der Erzählstrang schlug Parallelen zwischen dem Verfahren gegen Hönicke und den angeblichen Belästigungsvorwürfen. Die Schlagwörter lauteten „MeToo“, „Machtmissbrauch“ und „sexuelle Belästigung in Berlin-Lichtenberg“.

Mindestmaß an Beweisen für die schweren Vorwürfe fehlt

Der Mitarbeiter beantragte eine einstweilige Verfügung gegen das Blatt und dessen Berichterstattung. Und erhielt nun Rückendeckung vom Landgericht. Dieses untersagte in zwei Urteilen in weiten Teilen Berichte über den Mitarbeiter. Dass die Autorin mit Kevin Hönicke und Camila Schuler, aber auch mit einigen anderen „im Hintergrund“ gesprochen habe, wie sie sagte, reichte dem Gericht nicht. Die Verdachtsberichterstattung sei in Bezug auf den betroffenen Mitarbeiter weitgehend unzulässig, die Zeitung könne nicht einmal ein Mindestmaß an Tatsachenbeweisen für die schweren Vorwürfe vorlegen, erklärte der Vorsitzende Richter in der Verhandlung.

Am Ende hatte der Anwalt des betroffenen Mitarbeiters, Simon Bergmann aus der Kanzlei „Schertz Bergmann“, sogar einen Joker parat, der auch für die politische Debatte im Rathaus Lichtenberg Gewicht hat. Denn die „Berliner Zeitung“ hatte sich vor allem auf Stadträtin Schuler gestützt, nicht aber mit den angeblich betroffenen Frauen gesprochen. Diese legten dem Landgericht nun eidesstattliche Versicherungen vor. Darin erklärten sie, sie hätten den angeblichen Vorwurf der sexuellen Belästigung gegenüber Stadträtin Schuler nie erhoben.

Der ganze Fall belastete das Bezirksamt über Wochen schwer. Hönicke und Schuler wärmten schwere Vorwürfe auf, die zwei Jahre alt waren und für die es keinerlei Nachweise gab. Denen sogar betroffenen Frauen widersprechen. Ob und welche – auch strafrechtlichen – Folgen das alles für die Stadträte haben könnte, ist noch nicht absehbar.

Der Fall reicht zurück in Jahr 2022

Rückblick: Stadträtin Schuler hatte nach Vernehmungen der Frauen im Februar 2022 in Vermerken notiert, zwei der Frauen hätten dem Mitarbeiter sexuelle Belästigung vorgeworfen, es später aber zurückgezogen – und eine dritte hätte den Vorwürfen widersprochen. Schuler selbst notierte damals, an den Vorwürfe sei nichts dran. Die internen Ermittlungen wurden im Frühjahr 2022 eingestellt.

Camilla Schuler (Linke), Stadträtin in Lichtenberg.
Camilla Schuler (Linke), Stadträtin in Lichtenberg.

© Bezirksamt Lichtenberg

Im Herbst 2023 dann verbot Bezirksamtschef Schaefer seinem Stadtrat Hönicke die Ausübung der Dienstgeschäfte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, weil der SPD-Politiker Journalisten im Januar 2023, kurz vor der Wiederholungswahl, interne Akten zu dem vermeintlichen Belästigungsfall per Post geschickt haben soll.

Anlass für die Ermittlungen war ein Fehler eines Tagesspiegel-Redakteurs. Er postete beim Twitter-Nachfolger X ein Foto vom Briefumschlag. Anhand der abgebildeten Frankierung kam heraus: Die Briefmarke wurde über das private Online-Konto von Hönicke beim Postdienstleiter DHL bestellt und bezahlt.

Kevin Hönicke und die verräterische Briefmarke.
Kevin Hönicke und die verräterische Briefmarke.

© Montage: Tagesspiegel/Schneider | imago images, TSP

Nachdem der SPD-Mann Hönicke im Oktober seine Diensttechnik und die Büroschlüssel abgeben musste, wärmte er die bereits erledigten und von ihm wenige Wochen zuvor noch dementierten Vorwürfe wieder auf: Der damals verdächtigte Mitarbeiter habe in seinem Fall von Geheimnisverrat für den Bezirksbürgermeister ermittelt und ihn, den Stadtrat, gezielt belastet – um möglicherweise Belästigungsvorwürfe zu vertuschen?

Hönicke bekam Aufmerksamkeit und verkündete eine Kandidatur

Hönickes steile These ging in etwa so: Wenn 2022 schon angeblich etwas schief lief bei den internen Untersuchungen, es Druck auf die Frauen gegeben haben könnte, der betroffene Mitarbeiter zeitweise intern gegen ihn wegen des Geheimnisverrats ermittelt habe – dann müsse es doch einen Zusammenhang zwischen dem Fall von damals und dem Verratsvorwurf gegen ihn geben.

Hönicke mutmaßte, dass im Bezirksamt „seit zwei Jahren vieles vertuscht wird“. Die mediale Aufmerksamkeit nutzte er dann, gerierte sich als Aufklärer und Kämpfer gegen Gewalt gegen Frauen. Und er verkündete, als Landesparteivize der Berliner SPD zu kandidieren.

Die drei Frauen machten reinen Tisch

Das belastete auch die drei Mitarbeiterinnen, denen die Belästigungsvorwürfe zugeschrieben wurden. Ende Januar sprachen sie mit Bezirksbürgermeister Schaefer. Der teilte den 2000 Mitarbeitern des Bezirksamts danach das Ergebnis per E-Mail mit: Stadträtin Schuler hat damals zwar mit den Frauen gesprochen, doch die hätten sich nie über sexuelle Belästigung durch den Kollegen beschwert, werfen es ihm auch jetzt nicht vor. Und sie seien nicht unter Druck gesetzt worden, damit sie Vorwürfe zurückziehen.

Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU), Lichtenberg
Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU), Lichtenberg

© Bezirksamt Lichtenberg

Das reichte offenbar nicht – nicht Schuler, nicht Hönicke, einigen in der Bezirkspolitik nicht, auch nicht der Berliner Zeitung. Der betroffene Mitarbeiter musste vor Gericht ziehen, die Frauen eine eidesstattliche Erklärung abgeben. Ob das Blatt Beschwerde gegen die Entscheidungen einlegt, ist noch unklar.

Auch andere Gerichte sind mit dem Intrigenfall beschäftigt. Stadträtin Schuler hat einen Eilantrag auf Unterlassung gestellt am Verwaltungsgericht. Sie geht damit gegen die interne E-Mail des Bezirksbürgermeisters vor, der darin über das Gespräche mit den drei Frauen berichtet hat. Das Schreiben „entspricht nicht den Tatsachen“, sagte sie vor zwei Wochen vor den Bezirksverordneten.

Im Fall Hönicke hat das Verwaltungsgericht bereits entschieden. Es hatte seinen Eilantrag gegen die Freistellung abgewiesen. Es lägen ausreichende Indizien für den Verdacht vor, dass Hönicke seine beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht verletzt hat, hieß es im Beschluss. Das Oberverwaltungsgericht muss jetzt noch über Hönickes Beschwerde dagegen entscheiden.

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