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Helfer sind mit den Wärmebus vom Deutschen Roten Kreuz unterwegs.

© dpa/Christophe Gateau

Update

Bilanz der Berliner Kältehilfe: „Das System ist überfordert“

In den Wintermonaten trafen Helfer vermehrt auf Menschen mit psychischen Erkrankungen, die Einrichtungen waren oft überbelegt. Die Verbände fordern von der künftigen Regierung mehr Regelplätze.

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Kurz vor dem Ende der Kältehilfesaison 2022/2023 für Wohnungslose ziehen die Berliner Sozialverbände ein alarmierendes Fazit. „Der Winter hat gezeigt: Das Berliner Kältehilfesystem ist überfordert“, sagte Andrea Asch, Vorsitzende der Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und derzeit Vorsitzende der Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz. Die Hilfestruktur sei zwar gut organisiert, stoße aber regelmäßig an ihre Grenzen.

Von Oktober bis April wurden in der Kältehilfe durchschnittlich 1043 Plätze pro Monat für wohnungs- und obdachlose Menschen bereitgestellt. Im Durchschnitt betrug die Auslastung der Einrichtungen 90,7 Prozent und lag damit höher als im Vorjahr mit 85 Prozent. In einzelnen Einrichtungen lag die Auslastung aber auch oft deutlich darüber, immer wieder mussten Menschen sogar abgewiesen werden.

Es kann nicht sein, dass Ehrenamtliche schwer pflegebedürftige Wohnungslose versorgen müssen.

Andrea Asch, Vorständin Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz

Wie die Mitarbeitenden der beteiligten Verbände berichteten, traf die hauptsächlich von Ehrenamtlichen getragene Kältehilfe in diesem Winter vermehrt auf Menschen mit psychischen Erkrankungen, Suchterkrankungen sowie auf Pflegebedürftige und Personen im Rollstuhl.

Die Verbände verwiesen mit Nachdruck darauf, dass die als akute Nothilfe eingerichtete Kältehilfe nicht die spezifische Unterstützung für diese Menschen gewährleisten könne. „Es kann nicht sein, dass Ehrenamtliche schwer pflegebedürftige Wohnungslose versorgen müssen“, sagte Asch.

Forderung nach konkreten finanziellen Mitteln

Nach Angaben der Stadtmission riefen im Winter Kräfte von Feuerwehr, Polizei und Rettungswagen häufig den Kältebus an, weil sie sich Hilfe für psychisch erkrankte Menschen erhofften, die sie zuvor angetroffen hatten. Doch auch das Kältebus-Personal sei nicht psychologisch geschult, wie Sabrina Niemtietz von der Koordinierungsstelle sagte. Die Liga der Wohlfahrtsverbände fordert mehr reguläre Plätze sowie die Schaffung dauerhafter 24/7-Einrichtungen, in denen Wohnungslose für einen längeren Zeitraum Tag und Nacht unterkommen können.

An die künftige Berliner Regierung appellierten die Verbände, konkrete Zusagen zu machen und finanzielle Mittel bereitzustellen: „Die Nagelprobe für die Koalition ist die Gestaltung des Haushalts“, sagte Diakonie-Vorständin Asch. Sie mahnte zudem: „Wenn sich etwaige Staatssekretäre mit Äußerungen zu freiwilliger Obdachlosigkeit hervortun, ist bei uns Skepsis angebracht.“ Der Neuköllner Sozialstadtrat Falko Liecke (CDU), der Jugendstaatssekretär in Berlin werden soll, hatte in seinem Bezirk einen neuen Leitfaden zum Umgang zur Obdachlosigkeit veröffentlicht. Demnach gelten Personen, die aus unterschiedlichen Gründen ein Hilfeangebot ablehnen, als „freiwillig obdachlos“.

Sozialsenatorin Kipping zufrieden

Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) hatte sich zuvor positiv über die Kältehilfesaison geäußert. Der Bedarf an Notschlafplätzen für Obdachlose in diesem Winter ist nach Einschätzung von ihr gedeckt worden.

Katja Kipping (Die Linke), Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, steht vor Fahrzeugen der Kältehilfe.

© dpa / Carsten Koall

„In einem kollektiven Kraftakt aller Beteiligten ist es uns gelungen, auch in dieser Saison wieder ausreichend Plätze zur Verfügung zu stellen“, sagte die Linken-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur.

Die Kältehilfe diene vorrangig dem akuten Abfedern, betonte Kipping. „Aber jedes Gespräch, jede warme Tasse Tee, sei es im Wärmebus, im Nachtcafé oder in einer Notübernachtung, kann helfen, dass Vertrauen entsteht. Und das ist eine wichtige Voraussetzung für den Weg raus aus der Obdachlosigkeit.“ Ihr sei wichtig, dass parallel zur Kältehilfe Angebote wie Housing First ausgebaut worden seien. In dem Projekt bekommen Obdachlose eine Wohnung und werden pädagogisch und psychologisch begleitet. (mit dpa)

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