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Warteschlange auf dem Pariser Platz anlässlich der Parlamentswahl in Polen.

© Marius Gerads

Update

„Ich will die Faschisten abwählen“: Berliner Polen stehen Schlange für die Stimmabgabe

Deutschlands östlicher Nachbar wählt. Auch die in Berlin lebenden Polen wollen dabei sein: Vor dem Wahllokal auf dem Pariser Platz bildete sich eine lange Schlange.

| Update:

Trotz kühler neun Grad und wenig Sonnenschein finden sich am Sonntagvormittag mehr als 200 Menschen am Pariser Platz ein. Am Rand der Masse findet ein Straßenmusiker seinen Platz und lässt sich nieder. Viele irritierte Touristen ziehen an der Menschenschlange vorbei und fragen sich, warum sich die Bürgerinnen und Bürger vor dem Brandenburger Tor einfinden.

Die Antwort ist schnell gefunden: Das Parlament in Polen wird am Sonntag neu gewählt und das Pilecki-Insitut am Pariser Platz ist eines von sieben Berliner Wahllokalen, in dem die Bevölkerung des deutschen Nachbarn an die Urne treten darf. Obwohl sie eine halbe Stunde vor dem Lokal anstehen müssen, sei es ihre, „demokratische Pflicht“, so der 51-jährige Tomek. Er wolle „die Faschisten aus der Regierung abwählen“.

Viele sehnen sich nach einem Regierungswechsel: Wichtig sind ihnen ein Verbleib ihres Heimatlandes in der EU, eine Stärkung der Rechte von Frauen und eine Trennung von Politik und Kirche in Polen.

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Der 34-jährige Maciej und die 35-jährige Milena wollen ebenfalls eine neue polnische Regierung. Seit neun Jahren leben sie in Berlin, haben hier ihre kleine Familie gegründet. Doch seit einigen Jahren spüren sie in ihrer Heimat eine vergiftete Debattenkultur. Die Politik der regierenden nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) produziere „nur Feinde“ in Polen, so Milena, die einst mit einem EU-Stipendium als Erasmus-Studentin nach Berlin kam. Eine Befürworterin eines strengeren Rechtskurses scheint sie nicht zu sein, denn „wir wollen nicht wie in Ungarn leben“, setzt sie fort.

Der 34-jährige Maciej und die 35-jährige Milena am Pariser Platz am Tag der Polnischen Parlamentswahlen.
Der 34-jährige Maciej und die 35-jährige Milena am Pariser Platz am Tag der Polnischen Parlamentswahlen.

© Marius Gerards

Kaczynskis Erzählung über die EU sei nach Ansicht von Maciej gefährlich, da vor allem Polen starke Partner an der Seite brauche und ein europäisches Bündnis dafür wichtig sei.

Für die 23-jährige Karolina stehen vor allem die Frauenrechte im Zentrum. Sie lebt erst seit zwei Wochen in Berlin und hat die zunehmende Entrechtung bis vor kurzem selbst erlebt. Auch der Diskurs habe sich dahingehend im Land verschoben. Die EU sei gerade für junge Menschen ein Garant für Freiheit.

Maciej J. steht am 15.10.2023 auf dem Pariser Platz an, um seine Stimme für die Parlamentswahl in Polen abzugeben.
Maciej J. steht am 15.10.2023 auf dem Pariser Platz an, um seine Stimme für die Parlamentswahl in Polen abzugeben.

© Marius Gerards

Auch der 56-jährige Maciej J. steht an dem kühlen Sonntagvormittag vor dem historischen Gemäuer, um sein Votum einzureichen. Er gehe heute für die kommenden Generationen wählen. Maciej hofft, dass auch seine „Kinder noch in der EU leben“ dürfen. Als Kind der 60er Jahre hat er auch eine andere Zeit beim deutschen Nachbarn erleben müssen. Außerdem wünscht er sich, dass die Kirche ihren Einfluss auf die Politik verliert.

Für viele Menschen ist an diesem Tag auch eine Abschaffung des im Jahr 2016 in Kraft getretenen Mediengesetzes wichtig. Es stellt die öffentlich-rechtlichen Sender de facto unter Regierungskontrolle. Das stört auch die 21-jährige Zuzanna K.. Sie fordert ein „Ende der Propaganda“ und möchte auch deshalb mit ihrer Stimme einen Regierungswechsel herbeiführen.

Der Ausgang der Wahlen ist sehr offen: Bei den letzten Umfragen trennten die PiS und die oppositionelle Bürgerkoalition (KO) unter der Führung von Donald Tusk gerade einmal drei Prozent.

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