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Machen mobil. Die Familie Gülbol mit zweien der drei Kinder (im Bild v.l.: Ali, Amir, Akim und Necmiye). Foto: B. Kietzmann

© Björn Kietzmann

Nachbarn verteidigen Familie bei Zwangsräumung: Hauptsache kräftig trommeln

Widerstand gegen Zwangsräumung angekündigt: Nachbarn und Kiezinitiativen wollen am Donnerstag mit einer Sitzblockade eine türkische Familie an der Lausitzer Straße in Kreuzberg vor dem Gerichtsvollzieher schützen

Es ist ein Termin, wie er in einer Millionenstadt wie Berlin regelmäßig ansteht. Eine Zwangsräumung, eine Familie muss ihre Wohnung verlassen. Dieses Mal aber könnte etwas anders sein. Das Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“ nämlich will mit einer Sitzblockade verhindern, dass die Familie Gülbol ihre Wohnung verlassen muss – und so ein Exempel statuieren in der Debatte um Gentrifizierung und Mietensteigerungen.

Ali Gülbol, seine Frau Necmiye und die drei Kinder Akim, Amir und Alyn leben seit vielen Jahren in der Lausitzer Straße in Kreuzberg. Für Donnerstagmorgen hat ihr Vermieter, die Franell Consulting GmbH, die Zwangsräumung ansetzen lassen. Bekannt ist nur die Version der Geschichte, die die Mieter erzählen: Mehrere Jahre dauerten die juristischen Auseinandersetzungen demnach. Er habe immer die zunächst vereinbarte Miete bezahlt, betont Gülbol. Streit aber gab es um eine Mieterhöhung. Gülbol sagt, er habe die Wohnung 1999 für 20 000 Euro selbst saniert. Dafür sei mit dem Vorbesitzer des Hauses vereinbart worden, dass sich die Miete nicht ändere. Nach einem Besitzerwechsel 2006 aber kam die Mieterhöhung, und zwar um 93 Euro pro Monat. Gülbol zahlte nicht, der Fall landete vor Gericht. Mehrere Prozesse verlor der Mieter – zahlte aber, als er den Rechtsweg ausgeschöpft hatte, zunächst immer noch nicht. Nur mit Verspätung überwies er die Summe, er behauptet heute, er wisse nicht mehr genau, wie lange es gedauert habe, bis der Vermieter sein Geld schließlich bekam.

Mittlerweile sind die Schulden Gülbols Angaben zufolge zwar beglichen, die Zwangsräumung aber ist angesetzt. Und das macht die Aktivisten des Bündnisses und auch viele Nachbarn der Familie wütend. Sie wollen sich im Namen der Familie zur Wehr setzen. „Sogar Unterstützer aus Wien und Hamburg wollen kommen“, sagt Julia Schmidtbauer, Sprecherin des Bündnisses. Die Sitzblockade sei die einzige Möglichkeit, sich zu wehren. Warme Getränke, Sitzkissen und sogar eine Trommel- und Theatergruppe habe der Verein für „den großen Tag“ organisiert. Ob es nicht ein komisches Gefühl ist, auf diese Weise zur öffentlichen Figur zu werden? Gülbol schüttelt mit dem Kopf: „Ich finde das gut. Wir fühlen uns ohnmächtig und werden sonst obdachlos“, sagt der gelernte Malermeister.

Auch der Sozialstadtrat, der Bezirksbürgermeister und Abgeordnete haben schon versucht, den Hauseigentümer zu kontaktieren. Eine Sprecherin der Franell Consulting GmbH wollte sich am Dienstag aber auch auf Tagesspiegel-Anfrage nicht äußern.Kerstin Hense

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