zum Hauptinhalt
Berliner Polizisten tragen einen Klimaaktivisten von der Straße.

© snapshot-photography/snapshot-photography/T.Seeliger

„Es gibt keinen Schmerzgriff“: Berliner Polizeipräsidentin wehrt sich gegen Vorwürfe

Nach Einsätzen gegen Klimaaktivisten und Blockaden der „Letzten Generation“ wird der Polizei Gewalt vorgeworfen. Es geht um Schmerzgriffe. Jetzt äußert sich Berlins Polizeichefin.

Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik hat Vorwürfen widersprochen, dass Polizisten Schmerzgriffe anwendeten: „Zur Klarstellung: In der Polizei Berlin werden keine Schmerzgriffe ausgebildet. Diesen Begriff gibt es als Fachbegriff in keiner Weise“, sagte Slowik am Montag im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Es gebe keine Techniken bei der Polizei, deren Ziel es sei, Schmerzen zu erzeugen. Vielmehr gehe es darum, die Verletzungsgefahr für Betroffene und Beamte zu senken.

Wenn ich mich aber fallen lasse, hängen lasse, dann führt dieses anhaltende Durchführen von Widerstandshandlungen zu Schmerzen.

Polizeipräsidentin Barbara Slowik

Es gebe Zug-, Druck- und Transporttechniken sowie Griffe, die je nach Einzelfall zum Einsatz kämen, sagte sie. Es gehe um das „ungefährliche Überwinden eines Widerstands gegen polizeiliche Maßnahmen“. Diese Techniken seien aber grundsätzlich schmerzfrei. „Wenn ich mich aber fallen lasse, hängen lasse, dann führt dieses anhaltende Durchführen von Widerstandshandlungen zu Schmerzen“, sagte Slowik.

Anlass für Slowiks Replik waren vom Portal „Frag den Staat“ veröffentlichte Teile von Lehrmaterialien zum Einsatztraining, die in den Jahren 2005 bis 2020 genutzt wurden. Darauf zu sehen sind Beispiele für Einsatz von Gewalt, darunter der Griff auf Schmerzpunkte, Schläge oder Stöße in den Genitalbereich. In den vertraulichen Dokumenten geht es um einen „Katalog erweiterter Techniken“. Grünen-Innenexperte Vasili Franco hatte Slowik in der “Debatte über die Polizeitaktik im Umgang mit Blockaden der Klimagruppe „Letzte Generation danach befragt.

Schmerzpunkte – Auszug aus Lehrmaterial zum Einsatztraining bei der Polizei Berlin, veröffentlicht vom Portal „Frag den Staat“.
Schmerzpunkte – Auszug aus Lehrmaterial zum Einsatztraining bei der Polizei Berlin, veröffentlicht vom Portal „Frag den Staat“.

© Screenshot Tagesspiegel / „Frag den Staat“

Slowik sprach von einer „wilden Gemengelage“ bei der Darstellung der Lehrmaterialien durch die Medien. Dabei sei nicht zwischen Selbstverteidigung und Einsatztraining unterschieden worden. Es seien in den wenigen dargestellten Auszügen die üblichen Techniken der Selbstverteidigung mit anderen Mitteln des unmittelbaren Zwangs vermengt worden.

Stoß in den Genitalbereich – Auszug aus dem „Katalog erweiterter Techniken“.
Stoß in den Genitalbereich – Auszug aus dem „Katalog erweiterter Techniken“.

© Screenshot Tagesspiegel / „Frag den Staat“

Zur Klage eines Klimaaktivisten gegen den sogenannten Schmerzgriff vor dem Verwaltungsgericht Berlin wollte sich Slowik wegen des laufenden Verfahrens nicht äußern. Der prominenteste Fall war in einem Video vom 20. April zu sehen, das in den sozialen Netzwerken breite Resonanz fand.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Lars Ritter aus Leipzig, Klimaaktivist bei der Letzten Generation in Vollzeit, Anfang 20, war an diesem Tag von Polizisten mit einem Schmerzgriff von der Straße des 17. Juni geholt worden – und er schrie vor Schmerzen. Im Juni hatte Ritter, unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Demnach soll das Gericht feststellen, dass der Einsatz des Schmerzgriffes bei Lars Ritter rechtswidrig war.

Der Einsatz von Zwangsmitteln kann als unmenschliche und erniedrigende Behandlung gegen das menschenrechtliche Folterverbot verstoßen.

Gesellschaft für Freiheitsrechte

„Schmerzgriffe sind Nervendrucktechniken aus dem Kampfsport, die durch Druck oder Hebelwirkungen heftige Schmerzen auslösen“, erklärte die Gesellschaft für Freiheitsrechte. Gezielt und unnötig Schmerz zuzufügen, um eine friedliche Demonstration aufzulösen, verstoße gegen Grundrechte. „Der Einsatz von Zwangsmitteln, deren Ziel die Zufügung von Schmerzen und die Angst der Person vor den Schmerzen sind, kann als unmenschliche und erniedrigende Behandlung gegen das menschenrechtliche Folterverbot verstoßen.“

Der umstrittene Einsatz am 20. April
Der umstrittene Einsatz am 20. April

© MDR Investigativ

Auf dem Video vom April ist zu sehen, wie ein Berliner Polizist eine Blockade nahe der Siegessäule auflöst. Mehrfach hatte die Polizei die Blockierer aufgefordert, die Fahrbahn zu verlassen. Ein Beamter warnte Ritter davor, ihm Schmerzen zufügen zu müssen, wenn er nicht die Straße verlässt. 

Dann zerrten zwei Beamte den Mann von der Straße und setzten den Schmerzgriff ein. Wenige Tage danach leitete die Polizei von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt ein. Slowik sagte, die Polizei lege bei den Beamten „auf ein verhältnismäßiges Verhalten wert.“ Bei Hinweisen, dass die Polizisten nicht verhältnismäßig gehandelt haben könnten, „verfolgen wir das.“

Grundsätzlich dürfe die Polizei Zwang einsetzen, dafür gebe es eine gesetzliche Grundlage. „Wenn wir verbal auffordern, sich bitte von einer Straße zu erheben, und dem wird nicht nachgekommen, dann haben wir nach dem Gesetz über die Anwendung des unmittelbaren Zwangs das Recht, diesen unmittelbaren Zwang anzuwenden“, sagte Slowik.

Derlei Techniken würden auch beim Wegtragen von Personen angewandt. Doch auch das sei „verletzungsträchtig, wenn man nicht mit entsprechenden Techniken arbeitet, die sozusagen dann auch das Mittun unterstützen“, sagte Slowik.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false