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Ralf Kleindiek, CDO und Staatssekretär für Digitales und Verwaltungsmodernisierung des Landes Berlin

© picture alliance/dpa / dpa/Jörg Carstensen

„Es braucht den Druck“: Wie die Modernisierung der Berliner Verwaltung gelingen kann

Ralf Kleindiek (SPD) war 16 Monate lang CDO und damit Chefmodernisierer der Berliner Verwaltung. Im Interview spricht er über Ziele und Hürden.

Herr Kleindiek, der Chefmodernisierer der Berliner Verwaltung ist seinen Job los, weil die Wahl 2021 wegen zahlreicher Pannen wiederholt werden musste. Schließt sich da ein Kreis?
Absolut. Die versemmelte Wahl 2021 ist ein Musterbeispiel dafür, wie notwendig die Verwaltungsreform ist. Der Misserfolg 2021 hat viele Ursachen in Senat und Bezirken und ist ein Beispiel dafür, welche Schlussfolgerungen zu ziehen sind. Man braucht andere Strukturen, damit solche Aufgaben leichter und reibungsfreier erledigt werden können.  

Die neue Regierung hat zwar Ihren Vorschlag für eine Verwaltungsreform übernommen, die Umsetzung erfolgt aber ohne Sie. Wie sehr schmerzt das?
Dass ich das gerne auch selber umgesetzt hätte, ist überhaupt keine Frage, schließlich hätte ich gerne gezeigt, dass es auch in Berlin funktioniert. Meine persönliche Befindlichkeit ist das eine. Das Entscheidende ist, dass es nicht zu einem Strömungsabriss kommt und die Reformprozesse weitergehen. Dass sich die neue Koalition dazu bekannt hat, freut mich. Nun sollten alle daran arbeiten, dass das auch umgesetzt werden kann.

Zur Überraschung vieler wurde das Eckpunktepapier Tage vor der Wiederholungswahl verabschiedet. Der größte Erfolg Ihrer Amtszeit?
Wenn es diesen Beschluss nicht gegeben hätte, wäre die Zeit für eine umfassende Verwaltungsreform in dieser Legislatur schon sehr, sehr knapp. Da über das Eckpunktepapier die alte wie die neue Koalition mit an Bord sind, müsste es eigentlich auch mit den notwendigen Verfassungsänderungen klappen.

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Sie meinen, Grüne und Linke stimmen mit der neuen Regierung?
Das ist die Aufforderung an Grüne und Linke, gemeinsam mit der Mehrheit im Abgeordnetenhaus diese Reform zu machen, ja.

Es bleibt dabei, dass sich die Berliner Verwaltung tendenziell nicht von selbst reformiert.

Ralf Kleindiek, Ex-CDO von Berlin

Nach der Wiederholungswahl regieren in sechs Bezirken ab sofort die Grünen. Droht da eine Blockade?
Ich erwarte zumindest, dass die sechs Grünen-Bürgermeister:innen eine ziemlich wichtige Rolle in der Oppositionsarbeit ihrer Partei spielen werden. Ob der politische Raum für solche Reformbemühungen vorhanden ist, wird man sehen müssen. Ich würde es als Landesregierung in jedem Fall versuchen, auch wenn es ein anspruchsvolles Unterfangen wird. 

Woran ist die Reform bislang gescheitert?
Es bleibt dabei, dass sich die Berliner Verwaltung tendenziell nicht von selbst reformiert. Das liegt nicht an den Beschäftigten, sondern daran, dass zu viele in Bezirken und auf der Senatsebene nicht berücksichtigen, dass die Berliner Verwaltung nicht ihnen gehört, sondern den Berliner:innen. Es braucht den Druck der Stadtgesellschaft, der Verbände und Stiftungen, denn die Reform ist keine Angelegenheit, die Bezirke und Senat unter sich ausmachen sollten. Genau das ist in der Vergangenheit zu sehr der Fall gewesen. Deshalb habe ich sehr eng mit der Stadtgesellschaft zusammengearbeitet.

Im Januar 2022 hatte Ralf Kleindiek das erstmals geschaffene Amt des Chief Digital Officer übernommen-

© Nassim Rad / Tagesspiegel

Nach der Wahl gab es viele, die sich Ihren Verbleib auf dem Posten des CDO gut hätten vorstellen können. Sie auch?
Ich habe es angeboten. Dass der Regierende Bürgermeister für dieses wichtige Thema jemanden bevorzugt, die offenbar sein Vertrauen genießt, ist für mich nachvollziehbar.

Anders als Franziska Giffey (SPD) macht Kai Wegner (CDU) das Thema zur Chefsache und holt die Verwaltungsmodernisierung in die Senatskanzlei. Ein überfälliger Schritt?
Ich hatte immer die absolute Unterstützung von Franziska Giffey. Die Neuorganisation des Digitalisierungsthemas bei der Senatskanzlei ist ein Risikofaktor, weil Verwaltung immer eine gewisse Zeit braucht, um sich neu zu organisieren. Da sowohl in Sondierungen als auch in Koalitionsverhandlungen betont wurde, große Umressortierungen vermeiden zu wollen, ist es gefahrgeneigt, das ausgerechnet beim wichtigsten Thema zu tun. Den Schritt als solchen finde ich aber richtig.

Rückblickend: Was war der für Sie größte Schock nach dem Start im Januar 2022?
Die siloartige Struktur der Berliner Verwaltung habe ich in der Form noch nicht erlebt. Kombiniert mit dem Thema Digitalisierung ist diese Struktur ein Hemmnis. Ich habe mich häufig darüber gewundert, wie wenig die Senatsverwaltungen darüber wussten, wie die Situation und die Wirklichkeit in den Bezirken ist. Oft fehlt die Grundvoraussetzung für gesamtstädtische Steuerung und für funktionierende Verwaltung. Bislang fehlte offensichtlich der politische Wille dazu.

Was ist schlimmer: das Klischee über oder die Realität in der Berliner Verwaltung?
Das Klischee, vor allem was die Motivation der Mitarbeiter:innen angeht. Während in Hamburg der Ruf der Verwaltung besser ist als die Wirklichkeit, ist es in Berlin umgekehrt. Das heißt nicht, dass wir uns nicht auch Anleihen nehmen sollten. In Hamburg warten die Menschen durchschnittlich neun Tage auf einen Termin im Bürgeramt. Davon ist Berlin zwar weit entfernt. Dennoch ist Berlin auf dem richtigen Weg, liegt in den bundesweiten Digitalisierungs-Rankings auf Platz 5 oder 6. Als ich angefangen habe, war es Platz 15 oder 16.

Wann wird das 14-Tage-Ziel für einen Termin im Bürgeramt eingelöst?
Aktuell bekommen 50 Prozent derer, die innerhalb von 14 Tagen einen Termin bekommen wollen, einen Termin. 75 Prozent bekommen ihn in vier Wochen. Das 14-Tage-Ziel wird in diesem Jahr erreicht.

Dazu braucht es Mitarbeiter:innen. Wie stillt die Berliner Verwaltung ihren Personalbedarf?
Geld ist da sicher ein Faktor, darum ist die im Koalitionsvertrag festgehaltene schrittweise Angleichung der Gehälter an das Bundesniveau ausdrücklich richtig. Beim Faktor Attraktivität als Arbeitgeber hat die öffentliche Verwaltung den Anschluss an die freie Wirtschaft verloren. Den muss die Verwaltung wieder herstellen, unter anderem durch mehr Flexibilität. Und: Berlin braucht eine gesamtstädtische Steuerung für den Bereich Personal, beispielsweise durch ein Landespersonalamt.

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